Rechtspopulisten im Sportverein:Unter Beobachtung

Rechtspopulisten im Sportverein: Ewald Matejka, Präsident des SV Heimstetten.

Ewald Matejka, Präsident des SV Heimstetten.

(Foto: Claus Schunk)

Fußballklubs aus dem Landkreis lehnen es ab, AfD-Sympathisanten auszugrenzen. Das könnte sich jedoch ändern, wenn es zu rassistischen Übergriffen kommt

Von Christina Hertel

Das Foto zeigt 21 Männer mit roten Stutzen, roten Shorts und roten T-Shirts, die nebeneinander stehen. Orhan neben Matthias, Kazuki neben Maxi, Memis neben Christoph. Die Männer, die beim SV Heimstetten Fußball spielen, haben türkische, italienische, kroatische, deutsche Wurzeln - so wie in vielen der großen Klubs in der Bundesliga. Hautfarbe, Pass oder Nachname sind egal, wenn jemand ein Tor schießt. Einerseits.

Andererseits: Im Herbst 2017 brüllten Fans bei einem Spiel der Nationalmannschaft in Prag "Sieg Heil", bei der Europameisterschaft 2016 rollten Deutsche eine Reichskriegsflagge aus, es gibt Nazis in den Fankurven und solche, die rechtes Gedankengut zumindest teilen. Peter Fischer, der Präsident des Bundesligisten Eintracht Frankfurt, setzte vergangenes Wochenende ein Zeichen: AfD zu wählen und seinem Verein anzugehören, sei nicht miteinander vereinbar, sagte er auf der Mitgliederversammlung.

Danach wurde er von 99 Prozent der Anwesenden wieder zum Eintracht-Präsidenten gewählt und das halbe Land diskutierte: War das ein starkes Signal des Vereinschefs oder eine Aussage, die die Spaltung der Gesellschaft nur weiter vorantreibt?

Uwe Cygan, Vorstand VfR Garching

"Wenn Kinder und Jugendliche zusammen auf dem Sportplatz sind, ist es ihnen egal, ob jemand gelb, grün oder lilablassblau ist."

Matejka zieht den Hut vor Fischer

Das Foto des Heimstettener Fußballklubs postete Ewald Matejka im Sommer auf Facebook. Er ist der Vorsitzende des Vereins und sagt, er ziehe den Hut vor Fischer. Man hört in seiner Stimme, dass er sich freut, dass sich der Frankfurter Präsident mit der AfD angelegt und dafür auch so noch viel Applaus bekommen hat.

Dazu sollte man wissen: Matejkas Fahnen wehen nicht nur am Heimstettener Sportplatz rot. Er ist seit 50 Jahren Sozialdemokrat, sitzt für die SPD im Kirchheimer Gemeinderat und zwischen all den Fußballbildern auf seiner Facebook-Pinnwand entdeckt man auch immer mal wieder Fotos und Zitate von Willy Brandt. Trotzdem würde Matejka auf einer Mitgliederversammlung im Heimstettener Sportheim so eine Rede wohl nicht halten, sagt er.

Eintracht-Präsident Fischer löste eine Diskussion aus, die weit über den Sport hinausgeht und die Vereine, Familien, Freunde und Kollegen in ganz Deutschland betrifft: Wie soll man mit einer Partei umgehen, deren Vorsitzender Alexander Gauland sagt, die Deutschen hätten das Recht stolz zu sein auf die Leistungen ihrer Soldaten in zwei Weltkriegen? Der behauptet, Jérôme Boateng sei zwar ein guter Fußballer, aber dass die Leute ihn sicher nicht als Nachbarn haben wollten - weil seine Haut einfach etwas zu dunkel sei. Und der findet, die SPD-Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz gehöre in Anatolien "entsorgt".

Rechtspopulisten im Sportverein: Ewald Matejka, Präsident des SV Heimstetten.

Ewald Matejka, Präsident des SV Heimstetten.

Und wie soll man all jenen Wählern begegnen, die zwar so etwas nicht selbst gesagt, aber mit ihrem Kreuz bei der Bundestagswahl im September still ihr Einverständnis erklärt haben? Eine Frage, für die es in Sport- und Fußballvereinen, in denen schon lange nicht mehr bloß die Hubers und Maiers gegen die Bauers und Müllers spielen, vielleicht besonders wichtig ist, eine Antwort zu finden.

Im Landkreis wählte fast jeder Zehnte die AfD

Im Landkreis gab fast jeder zehnte Wähler seine Zweitstimme der AfD. Insgesamt waren das mehr als 18 000 Menschen. Die SPD erreichte gerade so 14 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein paar AfDler am Sportplatz tummeln, ist groß. Doch wie passen diese Leute in Vereine wie den SV Heimstetten, in dem alle möglichen Nationen zusammen Fußball spielen?

Der Vereinspräsident Matejka zumindest hält nichts von einem Rauswurf von AfD-Mitgliedern. Die Partei sei schließlich nicht verboten. Man müsse unterscheiden zwischen einem Profiklub, der seine Fanszene irgendwann nicht mehr kontrollieren könne und einem Amateurverein, dessen Mitglieder sich morgens beim Bäcker und abends in der Kneipe begegnen würden. "Ich habe auch schon erlebt, dass man junge Leute von rechtem Gedankengut wieder losbringen kann, wenn man mit ihnen spricht." Wenn man sie allerdings von vornherein ausschließe, könne man sie auch auf keinen anderen Weg bringen.

"Wenn ich wüsste, dass jemand AfD-Mitglied ist, hätte ich da ein Auge drauf", sagt Ewald Matejka. "Ich würde schauen, welchen Einfluss hat er auf den Verein? Und wenn er sich in einer undemokratischen, rassistischen oder antisemitischen Art und Weise äußert, würden wir darauf dringen, dass er den Verein verlässt." Das gelte für jede Form der Gewalt, auch wenn sie aus dem linken Spektrum komme.

So ähnlich sehen das viele Vereinsvorsitzende im Landkreis. Egal, ob aus Grünwald, Hohenbrunn, Oberschleißheim, Garching oder Ottobrunn, sind sie sich einig: AfD-Anhängern generell das Zeichen zu geben, dass sie in dem Klub nicht willkommen sind, sei der falsche Weg. Helmut Beck, der Vorsitzende von Phönix Schleißheim sagt zum Beispiel: "Ich werde unsere Mitglieder bestimmt nicht fragen, ob sie bei der AfD sind."

"Sportvereine sind politisch neutral."

Uwe Cygan, der den VfR Garching leitet, fragt: "Wieso sollte ich jemanden ausschließen, der sich sein Leben lang für den Verein engagiert und jetzt einmal aus Protest die AfD gewählt hat?" Und Gregor Montermann vom TSV Ottobrunn meint: "Viel besser ist doch, auch AfD-Mitglieder ohne jede Sonderbehandlung mitmachen zu lassen und bei Vorfällen klar und konsequent einzuschreiten." Und alle gemeinsam können sie sich auf folgende Aussage verständigen: "Sportvereine sind politisch neutral."

Doch das bedeutet nicht, dass sie unpolitisch wären. All diese Klubs tun etwas für die Integration von Menschen, die nicht in Bayern geboren wurden oder deren Eltern aus einem anderen Land stammen. In Hohenbrunn, Unterschleißheim und in vielen weiteren Gemeinden machen die Vereine extra Angebote für Flüchtlinge. Matejka schätzt, dass in den Fußballteams beim SV Heimstetten 70 Prozent der Spieler einen Migrationshintergrund haben. Und Phönix-Vorstand Helmut Beck sagt: "Wenn jemand ein Tor schießt, wird er umarmt, egal welche Hautfarbe er hat."

Doch wo verläuft für solche Vereine die Grenze, wenn es offensichtlich kein Problem darstellt, AfD-Mitglied zu sein? Was muss jemand sagen, wie muss sich jemand verhalten, um nicht mehr dazuzugehören? Reicht ein blöder Spruch nach fünf Halben im Sportheim? Die Antwort ist für die Vorsitzenden nicht einfach - beispielsweise weil sich manche von ihnen mit der Frage bislang nicht beschäftigt haben und das auch gar nicht wollen.

Manfred Schwabl, der die SpVgg Unterhaching leitet, einen Verein mit 1000 Mitgliedern, dessen Herrenteam in der dritten Liga spielt, antwortet auf SZ-Nachfrage: Es interessiere ihn nicht, was irgendein Fußballpräsident aus Frankfurt zur AfD zu sagen habe. Auch zum Thema Rassismus im Sport allgemein will sich Schwabl nicht äußern. Es gebe wichtigere Dinge, über die er sich Gedanken machen müsse. Zumindest brauchen die Haching-Profis keine rassistischen Übergriffe fürchten: Bei der SpVgg kickt aktuell kein dunkelhäutiger Spieler und auch keiner mit arabischem oder türkischem Hintergrund.

"Wir haben ganz andere Probleme als die AfD", sagt auch Uwe Cygan. Probleme mit Rassismus habe es in seinem Klub bislang nicht gegeben; das gilt übrigens auch für die anderen Klubs aus dem Landkreis. "Wenn Kinder und Jugendliche zusammen auf dem Sportplatz sind", so der Garchinger Präsident, "ist es ihnen egal, ob jemand gelb, grün oder lilablassblau ist". Die Frage ist nur, ob das für die Erwachsenen am Spielfeldrand genauso gilt.

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