Raumfahrttechnik:Himmlischer Auftrag

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Studenten der Raumfahrttechnik haben in freiwilliger Arbeit den Satelliten "Cubesat" gebaut. Das "Move-on"-Projekt hat den Studenten viel Spaß gemacht. Außerdem erwarten sie sich Erkenntnisgewinn. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Studenten der Raumfahrttechnik schicken einen Ballon in die Stratosphäre, der einen kleinen Satelliten trägt. In etwa 30 Kilometer Höhe messen sie die Helligkeit von Sternen und testen die Stromversorgung

Von Vinzenz Neumaier, Garching

Der Countdown startet um exakt 14.08 Uhr. Die Bedingungen könnten nicht besser sein: strahlend blauer Himmel, dazu leichter Wind aus verschiedenen Richtungen. Auch die Flugsicherung des Flughafens München gibt grünes Licht. Das Startfenster ist 15 Minuten lang. 3...2...1 der Heliumballon rast mit etwa fünf Metern pro Sekunde nach oben. An ihm befestigt, ein kleiner Würfel, seine Hülle ist mit goldener Folie ummantelt. Er sieht aus wie ein Weihnachtsgeschenk ohne Schleife.

Um ihn dreht sich das gesamte Projekt. Nur wegen ihm sind etwa 40 Schaulustige zu der improvisierten Startrampe neben dem Schotterparkplatz auf den Garchinger Campus der Technischen Universität gekommen. Der Würfel ist ein Kleinsatellit: Sein Name ist Cubesat. Sechs Monate haben etwa 30 Studenten der TU München an dem Satelliten getüftelt. Am Mittwochnachmittag schickten sie ihn auf die Reise in die Stratosphäre. Der Wetterballon bringt den Satelliten auf etwa 30 Kilometer Höhe. Dort herrschen ähnliche Bedingungen wie im Weltraum. Ideale Verhältnisse also, um die auf dem Kleinsatelliten verbaute Technik zu testen.

Das Move-On-Projekt, wie es die TU-Studenten nennen, ist der kleine Bruder und der inoffizielle Nachfolger des früheren Satelliten Projekts "Move-II", des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der TU. Der Move-II-Satellit wurde nach etwa drei Jahren Entwicklungszeit vor wenigen Monaten fertig gestellt und wird voraussichtlich im August von einer Spacex-Rakete in Kalifornien in den Weltraum geschossen. Mit "Move-On" geht es jetzt wortwörtlich weiter. Allerdings wesentlich kostengünstiger. "Move-II hat etwa 700 000 Euro gekostet. Move-On kostet nur 2000 bis 3000 Euro", sagt Nicolas Appel. Appel arbeitet als Doktorand am Lehrstuhl für Raumfahrttechnik und betreut das Move-On-Projekt. An Move-On haben alle beteiligten Studenten freiwillig mitgearbeitet, sagt Appel. Die Finanzierung leisteten der Lehrstuhl für Raumfahrttechnik und externe Sponsoren.

Um die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, machten die Studenten fast alles selbst: Frästen eigenhändig Platinen und kümmerten sich um die Software. Insgesamt fünf Unterteams arbeiteten an Cubesat. "Bei der Software gab es ein, zwei Mal Problemchen", sagt Linda Holl. Sie studiert an der TU, macht gerade ihren Bachelor-Abschluss. "Aber wir konnten alles lösen." Für alle Beteiligten sei Move-On eine tolle Erfahrung und ein Riesenspaß gewesen. Und das sogar während des Semesters, sagt die Studentin weiter.

Natürlich ist der Start von Cubesat nicht keine reine Spaßaktion. Die Studenten erhoffen sich wissenschaftliche Erkenntnisse aus ihrem Projekt. An Bord des Satelliten sind deshalb zwei experimentelle Systeme verbaut. Eines stammt vom Max-Planck-Institut und misst die Helligkeit von Sternen. Das zweite System an Bord von Cubesat, eine neue Stromversorgung für Satelliten, wurde vom TU-Absolventen Thomas Grübler entwickelt. Grübler nutzt das Move-On-Projekt, um die Stromversorgung unter Realbedingungen zu testen. Er plant, sich mit dem von ihm entwickelten System selbständig zu machen. Am Mittwochnachmittag sitzt Grübler in der Bodenstation, einem Zeltpavillon bestückt mit Biertisch und -bank. Die Studenten analysieren mit ihren Laptops alle Daten, die Cubesat auf seinem Flug sendet. Egal ob Temperatur, Druck oder Geschwindigkeit. Nach etwa zwei Stunden Flugzeit sollte Cubesat wieder auf der Erde landen, so die Prognose am Mittwoch. Sie bewahrheitete sich. Nach zwei Stunden fand der Satellit nördlich von Deggendorf zurück zur Erde. Den Sturz aus 30 Kilometern Höhe überstand Cubesat mit einem kleinen Fallschirm, den die Studenten montiert hatten.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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