Putzbrunn:Im Kampfmodus

Der Putzbrunner Gemeinderat reibt sich seit Jahren in unsachlichen Debatten auf. Derzeit streiten die Lokalpolitiker über jene Variante der Ortsumfahrung, die zwar mehrheitlich beschlossen ist, aber dennoch von einigen im Gremium vehement abgelehnt und sogar torpediert wird

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Wer als neutraler Beobachter nach der jüngsten Gemeinderatssitzung das Putzbrunner Bürgerhaus verließ, dürfte zumindest verwundert, wenn nicht gar entsetzt gewesen sein. Von der feindseligen Stimmung, die in diesem Gremium mittlerweile immer öfter offen zu Tage tritt. Die Zusammenkunft hatte mit einer Schweigeminute begonnen für die Opfer des Amoklaufs von München vom Freitag vor einer Woche. Doch das, was dann in den nächsten dreieinhalb Stunden folgte, hatte mit stillem Gedenken nichts mehr zu tun: Bosheiten, Unterstellungen und unsachliche Attacken prägten einige der Debatten und man fragt sich mittlerweile, wie das Gremium angesichts derartiger Auseinandersetzungen überhaupt wieder zu einer konstruktiven Politik zurückkommen will.

Besonders heftig ging es zur Sache beim Streit um eine Maschinenhalle, die Josef Jakob junior, Landwirt und Gemeinderat der Freien Wähler Gemeinschaft (FWG), auf seinem Grund errichten wollte, was letztlich mit 8:10 Stimmen abgelehnt wurde. Dass diese Halle ausgerechnet auf der geplanten Strecke des fehlenden Teils der Ortsumfahrung liegen sollte, erhitzt die Gemüter schon seit Monaten. SPD-Fraktionschef Alexander Bräuer hatte Jakob bereits in der April-Sitzung des Gemeinderates vorgeworfen, damit die Umfahrung blockieren zu wollen und Eigeninteressen über diejenigen der Bürger zu stellen. Der Grüne Volker Rentschler nannte Jakobs Antrag gar "dumm oder dreist". Allerdings vermieden beide - entsprechend der Geschäftsordnung in Bezug auf öffentlich behandelte Bauanträge -, den Ratskollegen beim Namen zu nennen.

Dieser reagierte dennoch beleidigt und forderte gut zwei Monate nach der ominösen Sitzung, eine Entschuldigung seiner beiden politischen Widersacher. Dass diese dafür keine Veranlassung sehen und auch Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) nicht bereit ist, weitere Maßnahmen zu ergreifen, brachte Jakob diese Woche im Gemeinderat endgültig aus der Fassung: "Dann kann ich in Zukunft jeden hier drinnen ungestraft als Deppen bezeichnen", rief er erbost aus.

Schon zuvor war es emotional zugegangen, etwa als Walter Hois von der Fraktion der Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP) forderte, den in dieser Angelegenheit befangenen Jakob als "Sachverständigen" zu Wort kommen zu lassen, auch "um konstruktiv mit dem Thema umzugehen". Klostermeier wehrte sich mit allen Mitteln dagegen: Befangene Räte reden zu lassen, widerspreche der Gemeindeordnung, sagte er und verwies auf eine Stellungnahme des Landratsamtes, in der die von Jakob geplante Halle als nicht genehmigungsfähig abgelehnt worden ist. Der Baukörper diene "in der beantragten Form nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb", schrieb die Behörde und wies auf Probleme mit Naturschutz und Erschließung hin.

"Dann kann ich in Zukunft jeden hier drinnen ungestraft als Deppen bezeichnen."

Diese Stellungnahme war dann das Ziel von Attacken der GPP. "Sauber ist diese Sache hier nicht", sagte etwa der Fraktionsvorsitzende Robert Böck. Und Hans Uher schlug vor, die Beamtin aus dem Landratsamt in den Gemeinderat einzuladen, um zu "hinterfragen, was sie mit dem Schreiben im Sinn hatte". Die Antwort der Gegenseite kam von der Grünen Sybille Martinschledde. Hier werde "mit allen Mitteln" versucht, einem Landwirt dabei zu helfen, ein Vorhaben durchzubringen. "Obwohl dadurch ein anderes wichtiges Projekt für Putzbrunn gefährdet wird. Wie kleine Kinder an etwas festzuhalten, was keinen Sinn macht, finde ich erbärmlich", so Martinschledde wörtlich.

Um einzuordnen, woher die Schärfe in der Diskussion um die Ortsumfahrung kommt, muss man zurückblicken: Schon vor etwa drei Jahren war es zu einem Bruch im Gemeinderat gekommen; damals ging es um ein Asylbewerberheim im Ortsteil Waldkolonie, gegen das sich wiederum eine Bürgerinitiative auflehnte. Eine Gruppe um Bürgermeister Klostermeier wollte dieses Flüchtlingsquartier absegnen, ohne das Risiko einzugehen, die Bevölkerung in einem Bürgerentscheid darüber abstimmen zu lassen. Dagegen hatten sich andere Kräfte im Rat, etwa die GPP-Fraktion, leidenschaftlich für einen solchen Bürgerentscheid stark gemacht. Klostermeier setzte sich durch, auch indem er ein Bürgerbegehren, welches den Bürgerentscheid erwirken sollte, aus formalen Gründen ablehnte - ein Trick, der bei einigen im Gremium nicht gut ankam.

Seit dem Streit um ein Asylheim vor drei Jahren ist die Stimmung im Gremium vergiftet

Mit der Neu-Konstitution des Rates nach der Kommunalwahl 2014 hoffte man in Putzbrunn, dass auch die Stimmung zwischen den Bürgervertretern wieder besser werden würde. Das betonte etwa auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Eduard Boger, der im Wahlkampf ein "konstruktives Suchen nach Lösungen" anmahnte. Doch das bestimmende Wahlkampfthema, der letzte Teil der Umfahrung, der den Kern von Putzbrunn Ort erheblich entlasten würde, wirkt bis heute in alle Diskussionen hinein und bestimmt maßgeblich den Ton der Auseinandersetzungen. Nach allerlei Versuchen verschiedener Fraktionen im Rat, die Trassenführung neu auszurichten, ist man mittlerweile wieder bei jener Variante gelandet, die schon vor der Kommunalwahl Beschlusslage war: Einer Verbindung vom Grasbrunner Kreisel im Nordosten bis zur Autobahnanschlussstelle Putzbrunn/Hohenbrunn an der Bundesstraße 471, die innerhalb der A 99 nahe am Ortskern verläuft. Doch damit wollen sich eben nicht alle Lokalpolitiker abfinden. Und auch die notwendigen Grundstücksverhandlungen stagnieren, kurioserweise exakt jene mit den Gemeinderäten Josef Jakob und Willi Hackl (FDP), der aus seiner Opposition zu Klostermeier kein Hehl macht - eine Einigung ist nicht in Sicht.

Die Stimmung im Gremium ist auf dem Tiefpunkt. Diese Woche eskalierte die Auseinandersetzung bei einem späterem Tagesordnungspunkt abermals. Edwin Klostermeier wirkte beinahe resigniert: "Ich bin doch nicht der Sozialarbeiter hier."

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