Pullach:Es grünt so schön grün

München, Hofbräuhaus, 35 Jahre Grüne,

Susanna Tausendfreund hat gute Gründe für ihr Lächeln.

(Foto: Angelika Bardehle)

Susanna Tausendfreunds Stimmung ist immer noch bestens. Die Bürgermeisterin von Pullach genießt ihr neues Amt

Von Konstantin Kaip, Pullach

Zu den Tagen, die Susanna Tausendfreund in ihrem Gedächtnis golden eingerahmt hat, gehört zweifellos der 1. Mai 2014: Das Wetter war traumhaft, auf ihrem Janker glitzerte die Amtskette, und sie hielt die Mairede in ihrer Heimatgemeinde Pullach, einer ihrer ersten offiziellen Auftritte als Bürgermeisterin, vor einem großen, bestens gelaunten Publikum. Danach sei jemand zu ihr gekommen, erzählt sie heute, und hätte ihr gesagt, dass es die beste Mairede gewesen sei, die er jemals gehört habe. Sie lächelt, wenn sie davon erzählt, und in ihren Augen blitzt die leicht spitzbübische Genugtuung, die man ihr auch nach einem Jahr im Amt bei öffentlichen Anlässen immer wieder ansieht.

Ein Jahr später fiel das Maifest in Pullach wegen Dauerregens aus, aber Tausendfreund nimmt es gelassen: "So habe ich schon die Rede für nächstes Jahr", sagt sie und lächelt. Zu tun hatte sie ohnehin genug, schließlich waren die Gäste aus Baryschiwka da, mit denen sie die 25-jährige Partnerschaft zwischen Pullach und der ukrainischen Gemeinde gefeiert hat. Am Tag vor der Abreise der Delegation hat Tausendfreund noch einen "spontanen Seminartermin" für die Ukrainer eingeschoben, wie sie sagt: Die Bürgermeisterin erklärte ihnen mal eben den Staatsaufbau in Deutschland und die Prinzipien der Kommunalen Selbstverwaltung. Das hat sie vermutlich gut gemacht. Als Juristin gehören Kommunal- und Verwaltungsrecht zu ihren Fachgebieten, und in politischen Gremien bewegt sie sich seit sie 1984 mit 21 Jahren zum ersten Mal in den Gemeinderat und den Kreistag gewählt wurde.

Wenn Tausendfreund mal wieder mit ihrer Amtskette um den Hals ans Pult tritt und dieses leise zufriedene Mona-Lisa-Lächeln ihre Lippen umspielt, wird sie wohl auch an ihre Anfänge als junge Grüne denken. "Ich hätte damals nie gedacht, dass ich mal Bürgermeisterin werde", sagt die 52-Jährige, die davor viele Jahre Landtagsabgeordnete war und nun schon in der zweiten Legislaturperiode zweite stellvertretende Landrätin ist. Das Spitzenamt in ihrer Heimatgemeinde zu bekleiden, ist für sie allerdings ein Höhepunkt ihrer Laufbahn. "Den Spaß an der Bürgermeisterei habe ich nicht verloren", sagt sie. "Sondern er nimmt immer noch zu." Ihre Amtskette jedenfalls trägt Tausendfreund auch ein Jahr, nachdem sie fast 70 Prozent der Pullacher zur Rathauschefin machten, noch mit sichtlicher Genugtuung.

Das Amt habe eine andere Qualität als ihre bisherigen Posten, sagt Tausendfreund: "Man kann deutlich mehr bewerkstelligen." Statt Anträge zu stellen, "die dann abgelehnt werden und in den Papierkorb wandern", sagt sie, "kann ich meine Ideen umsetzen". Pullach konnte sie im ersten Jahr schon an vielen Stellen ihren Stempel aufdrücken: So hat sie etwa den offensiven Umgang mit der Vergangenheit zur Chefsache erklärt, zur Freude des Geschichtsforums, deren Vorsitzende Angelika Bahl-Benker anerkennend von einer "politischen Klimaänderung" spricht. Und ihre Sprechstunden, die demnächst auch regelmäßig im Freien stattfinden sollen, sind fast immer ausgebucht. Weil Tausendfreund aber nicht nur gestalten, sondern als Chefin von zirka 100 Gemeindeangestellten auch verwalten muss, hat sie auch im Rathaus einiges in die Gänge gebracht, etwa den wöchentlichen Jour Fixe mit den Abteilungsleitern. Dass sie ansonsten von ihrem Vorgänger Jürgen Westenthanner ein "gut bestelltes Haus" übernommen hat, wird sie nicht müde zu betonen.

Die Bilanz, die Tausendfreund nach ihrem ersten Amtsjahr zieht, ist dann auch positiv: "Hinter einiges konnte ich schon ein Häkchen setzen." So wird sie im Juni den Skatepark einweihen können, der nach jahrelangen Diskussionen saniert wurde. Sie hat einiges auf den Weg gebracht, etwa das Enteignungsverfahren gegen den renitenten Grundbesitzer für die Verlängerung des Isartalbahnradwegs und, als Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, den Anstoß für das Wohnhaus an der Hans-Keis-Straße gegeben, das bis 2017 fertiggestellt werden soll.

Im Gemeinderat leitet sie die Sitzungen souverän, setzt auf Sachlichkeit und Information. Keine leichte Aufgabe in einem Gremium, das aus fünf Fraktionen besteht, die alle über kluge und ambitionierte Köpfe verfügen. "Die Mehrheiten sind offen", weiß Tausendfreund. "Ich habe keine Hausmacht hinter mir." Von Kampfabstimmungen aber hält die Bürgermeisterin wenig, sie will Beschlüsse möglichst mit Konsens und breiter Mehrheit fassen. Dafür muss sie viel Überzeugungs- und Integrationsarbeit leisten. Im Februar war sie mit dem gesamten Gemeinderat auf Klausur in Thierhaupten, um den Ortsentwicklungsplan für die Gemeinde anzustoßen. Diskussionen hat bereits die Ideensammlung hervorgerufen, bei der die Gemeindepolitiker unter anderem über die Seitnerfelder als Standort für eine neue Grundschule nachgedacht hatten. Von den Aktivisten der Gruppe "Grünes Pullach" erhielt Tausendfreund daraufhin Hunderte Unterschriften gegen eine mögliche Bebauung. "Eine Bürgerinitiative hab ich jetzt auch schon", bilanziert die Bürgermeisterin. Zum Ende ihres ersten Amtsjahres konnte Tausendfreund auch den Haushalt verabschieden - wenn auch nach langer Diskussion und mit sechs Gegenstimmen. Dafür hat die ehemalige Oppositionelle Verständnis: "Früher, als ich hier im Gemeinderat anfing, habe ich den Haushalt prinzipiell abgelehnt", sagt sie und lächelt.

30 Jahre später ist Susanna Tausendfreund eine leidenschaftliche Realpolitikerin geworden. "Durch meine verschiedenen politischen Tätigkeiten habe ich einen gesunden Pragmatismus entwickelt und gelernt, wie man unaufgeregt mit bestimmten Themen umgeht und Lösungen findet" , sagt sie. Ihre Kompromissfähigkeit schult sie regelmäßig auch zu Hause in der Kagerbauerstraße, wo sie mit SPD-Gemeinderat Odilo Helmerich und drei Katzen zusammenlebt. Politisches Blockdenken ist ihre Sache nicht. "Ich bin auch nicht Bürgermeisterin der Grünen, sondern der Pullacher", sagt Tausendfreund. Auch wenn sie natürlich ihr politisches Profil wahren wolle. Die Pullacher schätzen das: Von den Bürgern, sagt Tausendfreund, bekomme sie sehr positive Rückmeldung. "Insgesamt habe ich das Gefühl, die Stimmung ist noch so gut wie nach der Wahl mit 70 Prozent." Ein Rückhalt, den sie braucht angesichts der Aufgaben: von der Flüchtlingspolitik, über die Schulerweiterungen und den Schwimmbadneubau bis hin zur Entwicklung des BND-Geländes, die jedoch, wie Tausendfreund betont, "sicher nicht in dieser Legislaturperiode ansteht".

Wenn es so weitergeht wie bisher, ist es durchaus möglich, dass Tausendfreund 2020 noch Bürgermeisterin ist. Jedenfalls genießt sie den Respekt - auch von ihrem schärfsten Konkurrenten: Tausendfreund sei nicht nur "menschlich außerordentlich sympathisch", sagt Andreas Most, VSU-Fraktionsvorsitzender und unterlegener Gegenkandidat bei der Stichwahl 2014. Sondern auch eine "Ur-Pullacherin und eine Vollblutpolitikerin: Sie kennt Pullach und das politische Handwerk", sagt Most, "und zwar so gut, dass sie uns auch hin und wieder austrickst." Als Hobby-Magierin mit Zauber-Diplom wird Susanna Tausendfreund das als Kompliment verstehen - und vermutlich spitzbübisch lächeln.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: