Pullach:Einblicke in die Parallelwelt

Pullach: Der Hamburger Fotograf Martin Lukas Kim war der erste, den der Bundesnachrichtendienst mit der Kamera hinter seine Mauern hat schauen lassen. Am 12. Juli (19 Uhr) kommt er zum Künstlergespräch ans Isarhochufer.

Der Hamburger Fotograf Martin Lukas Kim war der erste, den der Bundesnachrichtendienst mit der Kamera hinter seine Mauern hat schauen lassen. Am 12. Juli (19 Uhr) kommt er zum Künstlergespräch ans Isarhochufer.

(Foto: Claus Schunk)

In Pullach wird erstmals die Ausstellung "Licht. Schatten. Der BND 1956 bis 2017" gezeigt

Von Irmengard Gnau, Pullach

Transparenz ist nicht unbedingt ein Begriff, der einem sofort in den Sinn kommt, wenn es um den Bundesnachrichtendienst geht. BND, diese Buchstaben standen jahrzehntelang für das Gegenteil von Durchsichtigkeit, für ein diffuses, von Unwissenheit, vielerorts auch Skepsis geprägtes Bild. Gerade in Pullach bildete das 68 Hektar große Areal an der Heilmannstraße, auf dem seit 70 Jahren hinter hohen Mauern Geheimdienstmitarbeiter ihre Arbeit tun, eine Parallelwelt in direkter Nachbarschaft.

In die will der BND nun selbst ein wenig Licht bringen. Seit einigen Jahren hat sich die Behörde eine "Transparenzoffensive" auferlegt. Dazu zählt, dass 2011 eine unabhängige Historikerkommission eingesetzt wurde, welche die Geschichte des BND von 1945 bis 1968 untersucht hat; erste Ergebnisse wurden 2016 veröffentlicht. Dazu zählt auch, dass der Dienst erstmals einen Fotografen von außen, den Hamburger Martin Lukas Kim, hinter seine Mauern hat schauen lassen. Das Ergebnis ist nun in einer Ausstellung in Pullach, am Ort der Entstehung, zu sehen.

Unter dem Titel "Licht. Schatten. Der Bundesnachrichtendienst 1956 bis 2017" hat Kim mit seiner Kamera dokumentiert, wie es hinter den Sicherheitszäunen aussieht. Es ist ein distanziert-professioneller Blick, mit dem der 1977 geborene Fotograf auf die teils geradezu aufdringlich banal wirkenden Verwaltungsgebäude und Arbeitszimmer schaut, und doch gleichzeitig ein voyeuristischer Einblick in diesen Gerüchte umwitterten Ort. Die Neugier, die den Betrachter vor jedes der großformatigen Bilder treibt, wird immer wieder konfrontiert mit dem Normalen, Alltäglichen; einer Wurstsemmel auf dem Schreibtisch, einer halb vertrockneten Zimmerpflanze, einem MVV-Fahrplan. In diesem Kontrast lässt sich die ganze Absurdität, die ganze Zwiespältigkeit des Unterfangens erahnen, einen Dienst zu beleuchten, dessen Ziel es ist, doch stets im Dunkeln zu bleiben.

Kim veröffentlichte seine Fotografien aus Pullach erstmals 2014 in dem Bildband "Nachts schlafen die Spione" (Sieveking-Verlag), damals noch vor seiner Hochzeit unter dem Namen Martin Lukas Schlüter. Bis sich dem Künstler ein Zugang zu dem Gelände erschloss, war es ein Ringen. "Mein Eindruck war: Der Ort versteckt sich vor mir, er will sich nicht erzählen lassen", erinnert sich Kim. Er erkannte schließlich: "Das Bemerkenswerte hier ist nicht das, was da ist, sondern vielmehr das, was fehlt." Kaugummireste auf den Straßen, Graffiti auf einer Wand. Spuren des Alltags, Unebenheiten, Brüche. Die lässt Kim den Betrachter in seinen Bildern selbst entdecken. Er entschied sich bewusst für Nachtaufnahmen, die nur mit dem vorhandenen Licht in Büros und Werkstätten entstanden sind. Das oft fahle Scheinen verleiht den Bildern eine besondere atmosphärische Dichte. Menschen sind keine zu sehen, nur ein einsamer Wachhund spitzt vom Ende des Zwingergangs.

Trotz dieser physischen Abwesenheit ist Kim den Mitarbeitern in Pullach in seinen Arbeiten sehr nah gekommen. Die Autozeitschrift auf dem Schreibtisch, die fein säuberlich an die Wand genagelten Faschingsorden, die Dackel-Fotos neben der auf einer Tafel skizzierten chemischen Formel zeichnen ein Bild von den Menschen hinter den Mauern - augenscheinlich sehr normalen Menschen in einer sehr speziellen Lebenswelt.

Die Aufnahmen der neuen Berliner BND-Zentrale, um welche die Fotoausstellung im Pullacher Bürgerhaus ergänzt ist, bilden dazu einen scharfen, erhellenden Kontrast. Während der Betrachter der Pullacher Arbeitszimmern einen leicht miefigen Bürogeruch der alten Bonner Bundesrepublik in der Nase zu haben meint, strahlt der Neubau an der Berliner Chausseestraße in Science-Fiction-Hochglanzoptik wie ein Beton gewordenes Transparenzversprechen. Wo sich dem von außen Schauenden mehr erschließt, bleibt freilich die Frage.

Die Fotodokumentation "Licht. Schatten. Der Bundesnachrichtendienst 1956 bis 2017" ist noch bis zum 22. Juli im Bürgerhaus Pullach zu sehen, jeweils Dienstag bis Donnerstag von 9 bis 18 Uhr und Freitag 9 bis 14 Uhr. Von 23. bis 25. Juni können die Bilder zwischen 13 und 17 Uhr besichtigt werden.

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