Pullach:Die Seele überschlägt sich heute noch

Fünf Schüler überschlagen sich im Sportwagen

Das Auto hob ab, flog durch die Luft, überschlug sich und knallte dann auf einem Feld auf die Unterseite. Die fünf Gymnasiasten konnten selbständig aussteigen, doch alle waren verletzt.

(Foto: Stephan Jansen/dpa)

Eine 18 Jahre alte Schülerin verursacht mit dem Auto ihres Vaters einen schweren Unfall bei Tempo 160. Ein Beifahrer leidet weiter an den Folgen. Die Fahrerin aus Pullach wird zu Sozialstunden verurteilt

Von .Von Benjamin Engel, Pullach

Der brandige Geruch, die Geräusche und die Wucht des Aufpralls: Rund neuneinhalb Monate nach dem Unfall in einem Tesla bei stark überhöhter Geschwindigkeit erinnert sich ein heute 19-jähriger Gautinger - er war damals Mitfahrer - noch an fast jedes Detail. Wie der Tacho 163 Stundenkilometer zeigte, das Auto von der Straße abkam und sich überschlug. Er träumt sogar noch davon und ist in therapeutischer Behandlung. "Ich wache auf, bin vollgeschwitzt, außer Atem. Das ist eine wahnsinnige Belastung", sagte er am Dienstag in der Verhandlung am Amtsgericht Wolfratshausen. Mit jemandem im Auto mitfahren kann er bis heute nicht. Sofort erhöhe sich sein Puls und er bekomme wahnsinnige Angst, sagte er. "Körperlich ist alles ausgeheilt, aber die Seele nicht."

So drastisch schilderte der junge Mann im Sitzungssaal die Spätfolgen des Crashs auf der Ebenhauser Straße zwischen Irschenhausen und der Bundesstraße 11 in Richtung Ebenhausen. Dafür war die damals 18-jährige Fahrerin aus Pullach vor dem Wolfratshauser Amtsgericht wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt - und wurde zu Sozialstunden verurteilt. Die junge Frau war mit vier Mitschülern aus dem Ickinger Günter-Stöhr-Gymnasium unterwegs und nach dem Überholen von der Straße abgekommen. Die Insassen - sie wurden teils schwer verletzt - schilderten, dass die Angeklagte mindestens mit Tempo 160 gefahren war - 100 Stundenkilometer waren erlaubt.

Die junge Frau berichtete, sie sei am Unfalltag mit dem Wagen ihres Vaters zur Schule gefahren. In der Pause gegen wollten sie und ihre Mitschüler zum Supermarkt nach Ebenhausen. Auf der Ebenhauser Straße habe sie drei Autos überholt. Als Gegenverkehr kam, sei sie schon in einer Linkskurve nach rechts wieder eingeschert. Sie gab zu, die Situation falsch eingeschätzt zu haben. "Ich hatte das Gefühl, ich konnte nicht mehr lenken." Sie sei geradeaus auf die Wiese gefahren. Bei einem abzweigenden Feldweg habe das Auto wie auf einer Schanze abgehoben. Es flog durch die Luft, überschlug sich und kam auf der Unterseite zum Stehen. "Alle konnten selbständig aussteigen", sagte die junge Frau, die mittlerweile in Hamburg lebt.

Die Fahrerin entschuldigte sich im Gerichtssaal nochmals ausdrücklich bei ihren ehemaligen Mitschülern; einer war nicht gekommen. Laut ihrer Verteidigerin war die Frau ebenfalls verletzt, konnte, so ihre Aussage, nach dem Unfall längere Zeit nicht mehr Hockey spielen. Ihre jetzt 19-jährige damalige Klassenkameradin aus Starnberg - sie saß auf der Rückbank in der Mitte - hatte eine Milzruptur, Prellungen und Blutergüsse, musste sechs Tage im Krankenhaus behandelt werden. Nach ein bis zwei Monaten habe sie keine Schmerzen mehr gespürt, heute gehe es ihr wieder gut, sagte sie. Ein heute 19-Jähriger aus Pullach erinnerte sich noch daran, dass die Fahrerin angekündigt habe, einen Mitschüler im Auto vor ihnen, der langsam unterwegs war, zu überholen. Sie habe das Gaspedal "voll durchgetreten". Sie sei viel zu schnell unterwegs gewesen. "Ich schrie noch: Brems, brems!" Beim Unfall sei er kurz bewusstlos, durch den Rauchgeruch aber wieder wach geworden und dann nach draußen getorkelt. Er habe sich an Rücken und Halswirbelsäule stark gezerrt, Prellungen, Kopfschmerzen und Nasenbluten gehabt. Zwei Tage später habe er mit Halskrause in seiner Abiturprüfung in Englisch gesessen und habe auch noch starkes Nasenbluten bekommen. Nach einem halben Jahr in ärztlicher Behandlung spüre er nichts mehr, sagte er. "Ich habe mit der Sache abgeschlossen, habe der Fahrerin verziehen." Das kann der unter psychischen Problemen leidende Gautinger nicht. "Ich mache sie für den Unfall verantwortlich." Das Verhältnis sei freundlich-distanziert, sagte er. Der Staatsanwalt forderte, die Fahrerin zu einer Geldstrafe nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. "Jeder hat im Straßenverkehr die gleiche Verantwortung", sagte er. Die Verteidigerin der Angeklagten plädierte auf Jugendstrafrecht. Dem folgte Richter Urs Wäckerlin. Er verurteilte die Frau zu 64 Sozialstunden, noch 18 Monaten Führerscheinentzug und verordnete Verkehrsunterricht. Sie habe unverantwortlich gehandelt

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