Pullach:Dicht- und Lebenskunst aus der Antike

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70 Jahre nach Kriegsende wird auch Herodot, der "Vater der Geschichtsschreibung", im Fokus stehen. (Foto: Pe-J0/Austria)

Die Pullacher Altphilologin und Schriftstellerin Marion Giebel liest in der Bücherei aus ihrem Büchlein über Homer, Cicero und Co.

Von Udo Watter, Pullach

Im Idealfall entfaltet sich in der Kraft des dichterischen Wortes eine höhere Wirklichkeit, poetische Bilder werfen beim Leser den Projektor fürs Kopfkino an, lassen eine erstaunliche Verweisungsmannigfaltigkeit erblühen. Zu viel verlangt? Nun, die Großen der Literatur schaffen das, manchmal mit einem einzigen eindrücklichem Bild in wenigen Worten. Homer gehört sicher dazu und für die Pullacher Altphilologin und Schriftstellerin Marion Giebel ist der griechische Dichter ohnehin "der Größte".

Seiner Kunst, in wenigen poetischen Pinselstrichen ein ganzes historisches Set von Szenarien zu entwerfen, ist in ihrem neuen Büchlein "Vademecum - Homer, Cicero und Co. für unterwegs?" das erste Kapitel gewidmet. "Eine Welt in drei Worten" heißt es und sie erwähnt darin eine Stelle aus der Ilias, in der Achill seinen Feind Hektor um Trojas Stadtmauern jagt und beide einen Brunnen passieren. Homer schreibt, die Töchter Trojas pflegten früher dort zu waschen, damals, als noch Frieden war - tò prìn eirénes. Der Kontrast zwischen dem Jetzt der Todesnähe, Kampf und Krieg einerseits, sowie Friede und früherer Idylle andererseits, der in diesen paar Worten steckt, fasziniert Giebel.

In vielen weiteren Kapiteln, hat sich die Autorin, die an diesem Freitag in der Charlotte-Dessecker-Bücherei aus "Vademecum" liest, mit Größen der Antike befasst . "Da sind nun die Dichter mit ihren reichen Schätzen und die Philosophen als Lebenslehrer, bei denen man immer etwas Lohnendes findet", erklärt sie im Vorwort. Bei der Lesung, die zugleich der Auftakt zur Reihe "Literatur live" ist, widmet sich Giebel auch dem "Vater der Geschichtsschreibung" Herodot, der bereits im fünften Jahrhundert vor Christus der Frage nach der Ursache von Kriegen auf den Grund ging - passend zum Datum: am 8. Mai vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg.

Giebel, die als Autorin und Übersetzerin in der griechischen und lateinischen Literatur zu Hause ist, verfolgt seit vielen Jahrzehnten ein besonderes Anliegen: Die Antike erfahrbar für die heutigen Zeitgenossen zu machen, sie zu verlebendigen, auch Parallelen zur Gegenwart aufzuzeigen und zu demonstrieren, dass vieles, was heute als neuartig empfunden wird, oft schon vor 2000 Jahren gedacht wurde.

Viel griechische und römische Prominenz steht im Fokus - von Sappho und Sokrates über Alexander und Cicero bis zu Seneca und Mark Aurel. In dieser persönlichen Auswahl Giebels wird freilich auch erklärt, warum Literatur sogar lebensrettend sein kann: der jüngere Plinius habe den Vesuvausbruch etwa nur deshalb überlebt, weil die Lektüre des Livius so spannend war.

Die Lesung mit Marion Giebel in der Bibliothek beginnt um 19.30 Uhr, Karten kosten fünf Euro. Weitere Veranstaltungen in der Reihe "Literatur live" folgen: Am Dienstag, 16. Juni, wird "Citizenfour" gezeigt - der Film zum Buch "Die globale Überwachung" von Glenn Greenwald und am Dienstag, 30. Juni, gibt es einen Vortrag von Michael Lemling - "Zur Digitalisierung des Lesens". Am 7. Juli liest Anna Kuschnarowa aus "Das Herz von Libertalia" und Helge Meves (Herausgeber) aus Daniel Defoes "Libertalia - Die utopische Piratenrepublik". Zudem präsentiert am 29. Juli Peter Hammerschmidt sein Buch "Deckname Adler. Klaus Barbie und die westlichen Geheimdienste". Bibliotheksleiterin Eveline Petraschka ist stolz auf die Liste der Protagonisten: "In aller Bescheidenheit: Lauter Hochkaräter."

Reservierungen sind möglich unter Telefon 089/744 400 11 oder buecherei@pullach.de

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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