Pullach:Burgfrieden für junge Flüchtlinge

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28 unbegleitete und traumatisierte Jugendliche aus Kriegs- und Krisengebieten werden von heutigem Montag an auf Schwaneck betreut. Die Anwohner geben sich gelassen und bieten ihre Hilfe an

Von Christina Jackson, Pullach

An diesem Montag beziehen 28 Männer ihr neues Zuhause in Pullach. Sie kommen aus Kriegs- und Krisengebieten. Hinter ihnen liegt eine gefährliche Reise und eine Heimat, in der sie Eltern und Freunde zurückgelassen haben. Es sind Teenager, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die jetzt in der Burg Schwaneck einziehen. Unter der Trägerschaft des Kreisjugendrings München-Land stand das Gebäude aus dem 19. Jahrhundert bislang vor allen Dingen Schulklassen und Seminarteilnehmern als Herberge zur Verfügung. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen wird es nun bis Juli 2017 von traumatisierten Jugendlichen bewohnt.

Im Rahmen einer Informationsveranstaltung zur künftigen Nutzung der Immobilie traf Landrat Christoph Göbel nun auf etwa 80 Pullacher Bürger im Großen Rittersaal der Burg. Im Austausch mit den verantwortlichen Organisatoren der Unterbringung begegneten Göbel überwiegend gelassene Anwohner am Pullacher Burgweg. Ihre Sorge galt in erster Linie dem Wohl der Flüchtlinge. In einem ersten Diskussionsbeitrag wollte ein Besucher wissen, wie die digitale Kommunikation der geflohenen Teenager mit ihren Angehörigen sichergestellt werden kann.

Zuvor hatte Göbel von der täglichen Ankunft junger Männer insbesondere aus Syrien berichtet: "Jede Woche erreichen 35 minderjährige Flüchtlinge München. Sie sind oft traumatisiert, sodass eine Unterbringung in Turnhallen nicht denkbar ist". Ein Grund, warum der Landrat nach geeigneten Unterkünften mit einer entsprechenden pädagogischen und psychologischen Betreuung gesucht hat. Die Burg Schwaneck bietet 133 Plätze für Teenager aus den Krisengebieten, 116 sollen maximal belegt werden. Nach der Erstaufnahme in der Bayernkaserne prüfen Mitarbeiter die Einzelschicksale. Jene, die eine intensive psychologische Betreuung benötigen, haben Aussicht auf einen Platz in der Burg. Einen ersten Einblick in die Arbeit mit den Jugendlichen aus dem fremden Kulturkreis gewährte Diakonie-Mitarbeiterin Miriam Egeler. Als Leiterin der Flexiblen Jugendhilfe im Landkreis hat sie junge Männer, die derzeit in Containern in Garching untergebracht sind, kennen gelernt. Zwar habe die Gemeinde im nördlichen Landkreis auch diese provisorischen Unterkünfte liebevoll eingerichtet, dennoch seien sie keine adäquate Herberge für die Heranwachsenden. "In Pullach gibt es Vier-Bett-Zimmer mit einem Bad. In der Bayernkaserne kommt auf 50 Jugendliche ein Sanitätsraum." Egeler weiß auch, welche Schwierigkeiten mit dem Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturkreise einhergehen. Sie betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Wertevermittlung an die jungen Männer. Viele seien in der Überzeugung aufgewachsen, dass es unter den Geschlechtern eine klare Aufgabenverteilung gebe. Egeler: "Wir führten lange Diskussionen über die Männer- und Frauen-Frage". So seien die männlichen Jugendlichen davon ausgegangen, dass es die Aufgabe der Frauen sei, ihr Bad in den Unterkünften zu putzen.

Für die Sicherheit in der Burg zeichnet die Firma Jonas Better Place verantwortlich, die in der Bayernkaserne ebenfalls Flüchtlingsunterkünfte betreibt. Geschäftsführer Philip Bauer: "Wir sind kein typischer Wachdienst, sondern interkulturell orientiert". Seiner Erfahrung nach lassen sich 90 Prozent der Konflikte in den Unterkünften auf verbaler Ebene lösen. Jonas Better Place arbeite mit Übersetzern zusammen. Bauers Firma stand in der Vergangenheit allerdings auch in der Kritik. Unterstützer und Betreuer der Asylsuchenden in der Bayernkaserne beklagten das strenge Regiment des Wachdienstes.

Für die Angestellten der Jugendherberge Burg Schwaneck ändert sich wenig: Sie verköstigen die Dauergäste und kümmern sich um die Reinigung der Gemeinschaftsräume. Herbergsleiter Andreas Bedacht: "Unsere Techniker sorgen für reibungslose Veranstaltungen mit Medien, und der Nachtdienst macht wie gewohnt seine Rundgänge". Sensible und historisch bedeutsame Bereiche der Burg legt Bedacht bis 2017 still. 600 von 870 geplanten Veranstaltungen hat das Herbergsteam ausgelagert, den großen und kleinen Rittersaal nutzen sie weiterhin öffentlich, ebenso das angeschlossene Naturerlebniszentrum.

Den Unterricht und die Ausbildung der künftigen Burg-Bewohner im Alter zwischen 16 und 17 Jahren haben eigens angestellte Lehrer übernommen. In einem nächsten Schritt wird es darauf ankommen, die Jugendlichen in Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben unterzubringen. Der Besuch einer Pullacher Regelschule ist für die Flüchtlinge dagegen eher unwahrscheinlich. Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund hofft, dass die jungen Neubürger auf lange Sicht ein Zuhause in der Gemeinde finden. Deshalb will sie sich um die Schaffung bezahlbarer Wohnräume kümmern.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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