Psychologie-Professor:"Seien Sie nicht zu streng mit sich selbst"

Prof. Karl-Heinz Renner, Studiengang Psychologie, Bundeswehruniversität Neubiberg

Professor Karl-Heinz Renner empfiehlt, sich keinem Zwang zur Selbstoptimierung zu unterwerfen.

(Foto: Privat)

Karl-Heinz Renner, Psychologie-Professor an der Bundeswehr-Uni Neubiberg, spricht über Vorsätze, falsche Hoffnungen, Gruppenzwang und den Mehrwert der kleineren Ziele

Interview von Daniela Bode, Neubiberg

Endlich Sport treiben, mit dem Rauchen aufhören, weniger essen, mehr lesen - was sich die Menschen fürs neue Jahr vornehmen, ist vielfältig. Aber warum tun sie das eigentlich? Die SZ hat Karl-Heinz Renner, Professor für Differentielle und Diagnostische Psychologie an der Universität der Bundeswehr München in Neubiberg, dazu befragt.

SZ: Warum fassen die Leute Vorsätze fürs neue Jahr, obwohl die meisten sie nach ein paar Monaten brechen?

Karl-Heinz Renner: Gute Vorsätze für das neue Jahr haben eine lange Tradition in unserer abendländischen Kultur. Obwohl den meisten von uns nicht bewusst ist, wo diese Tradition herkommt, pflegen wir sie mit schöner Regelmäßigkeit - und Zeitungen wie die Süddeutsche berichten darüber. Was noch hinzukommen kann, sind Fragen von Freunden und Kollegen: 'Na, was hast Du Dir für das neue Jahr vorgenommen?' Kann man dann nichts sagen, besteht unter Umständen die Gefahr, als lethargisch wahrgenommen zu werden. Dabei ist Selbstoptimierung Pflicht. Wenn die Vorsätze nach einigen Monaten gebrochen werden, ist das aus der Perspektive des vorherigen Gruppenzwangs unproblematisch, weil man sich in guter Gesellschaft befindet: Den meisten gelingt es nach einigen Studien und Umfragen in der Tat nicht, die Vorsätze kontinuierlich umzusetzen.

Gibt es noch eine andere Erklärung?

Das Phänomen der gebrochenen Vorsätze kann auf individueller Ebene auch mit dem sogenannten "False Hope Syndrome" erklärt werden. Darunter verstehen die Psychologen Janet Polivy und Peter Herman unrealistische Erwartungen hinsichtlich der Geschwindigkeit, der Schwierigkeiten und des Ausmaßes an selbstinduzierten Veränderungen. Der Vorsatz, etwas verändern zu wollen, führt schon zu Kontrollgefühlen, die anfängliche Anstrengungen und Erfolge ermöglichen. Wenn weitere Veränderungen schwieriger werden oder ganz ausbleiben, kann es zu Rückfällen kommen, bis der Vorsatz ganz aufgegeben wird.

Die Vorsätze sollen einen ja weiterbringen. Ist es dann nicht kontraproduktiv, wenn man immer wieder die Erfahrung macht, dass man sie doch nicht einhält?

Diese Frage zielt darauf ab, wie wir mit Misserfolgen und Rückschlägen umgehen. Die meisten von uns sind sehr geschickt darin, Misserfolge extern zu attribuieren, das heißt auf äußere Umstände zurückzuführen und nicht auf die eigene Person. Ganz falsch ist das sicher nicht, da externe Bedingungen immer Einfluss haben. Wenn wir allein uns selbst die Schuld dafür geben würden, dass wir unsere Vorsätze nicht einhalten konnten, dann kann das in der Tat zu negativen emotionalen Reaktionen führen.

Die einen wollen im neuen Jahr gesünder leben, die anderen noch effektiver arbeiten: Gibt es sinnvolle Vorsätze und solche, die Quatsch sind?

Sinn machen Vorsätze, die möglichst konkret formuliert sind und in realistische Teilziele runtergebrochen werden. Sich einfach vorzunehmen "Ich will abnehmen" oder "Ich will mehr Sport machen", ist zu wenig. Sie sollten sich genau überlegen, wie viel sie abnehmen möchten und in welcher Zeit beziehungsweise in welchen Teilschritten. Genauso ist es mit dem Sport. Sie sollten sich auch nicht zu viel vornehmen, weil dann leichter die Gefahr besteht, dass Sie scheitern.

Wie gelingt es einem, seine Pläne einzuhalten?

Formulieren Sie, wie gesagt, zunächst ein realistisches Ziel möglichst konkret und spalten Sie es in Teilziele auf. Machen Sie sich auch klar, welche positiven Wirkungen mit der Erreichung des Zieles und der Teilziele verbunden sind. Bei den beiden häufigen Vorsätzen "Abnehmen" und "mehr Sport" können das Gesundheit, besseres Aussehen, mehr Wohlbefinden, endlich wieder in das tolle Kleid passen, et cetera sein. Solche positiven Wirkungen können sehr individuell sein. Überlegen Sie sich dann, was Ihnen dabei helfen könnte, Ihr Ziel zu erreichen und was Sie daran hindern könnte. Was könnten Sie tun, um Barrieren zu beseitigen? Schreiben Sie das alles am besten auf. Kontrollieren Sie dann regelmäßig, ob Sie Ihre Teilziele erreicht haben und ob Sie auf dem richtigen Weg sind. Sie können dann ein bisschen stolz auf sich sein.

Aufgeben oder weitermachen, wenn es Rückschläge gibt?

Sollten Rückschläge kommen - und nach allem, was wir wissen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen - seien Sie nicht gleich zu streng mit sich selbst. Überlegen Sie sich, warum das jetzt so ist, und wie Sie einen weiteren Rückschlag verhindern können. Unter Umständen waren Ihre Ziele auch zu hoch gesteckt. Dann ist es besser, sie etwas zurückzuschrauben als sie gleich ganz aufzugeben.

Haben Sie schon Vorsätze fürs neue Jahr? Wenn ja, welche?

Endlich einige Publikationen fertigstellen, das konfuzianische Motto "Wenn man schnell sein will, dann muss man langsam machen" umsetzen und ansonsten nur noch wahnsinnig glücklich werden.

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