Prozess gegen ehemaligen Rechtsterroristen:Freispruch für Neonazi

Trotz erheblicher Zweifel ist ein ehemaliger Rechtsterrorist freigesprochen worden. Er soll gegen ein Kontaktverbot mit anderen Neonazis verstoßen haben.

Alexander Krug

Fast sieben Jahre ist es her, da erschütterte ein in letzter Minute vereitelter Bombenanschlag nicht nur München, sondern die ganze Republik. Die Bombe sollte während der Feier zur Grundsteinlegung für das Jüdische Zentrum gezündet werden. Neun Neonazis wurden später zu teils hohen Haftstrafen verurteilt, unter ihnen auch Karl-Heinz S., der damals zum engsten Führungszirkel um den Rädelsführer Martin Wiese zählte. S. galt als "glühender Anhänger" Wieses und scheint noch immer in der Neonazi-Szene tief verwurzelt. Im Amtsgericht war der 29-Jährige am Donnerstag angeklagt, weil er gegen Weisungen verstoßen haben soll, die ihm nach Verbüßung seiner Haft auferlegt wurden.

Neonazi Heldengedenkmarsch in München, 2009

Am Rande der Sicherheitskonferenz wurde Karl-Heinz St. bei einer Polizeikontrolle mit mehreren anderen Neonazis erwischt.

(Foto: sz.lokales)

Äußerlich hat er sich nicht viel verändert: Karl-Heinz S. hat noch immer eine Glatze und kam gleich mit Verstärkung zum Gerichtstermin. Der bekannte Rechtsextremist Norman Bordin beschimpfte die Journalisten sogleich als "Schweinepresse", während der Neonazi Thomas Sch. sich ein Gerangel mit einem Fotografen lieferte, der ein Bild vom Angeklagten machen wollte.

Auch Thomas Sch. ist kein Unbekannter. Er wurde im April 2005 als untergeordnetes Mitglied der Terrorgruppe um Wiese zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Sein handgreiflicher Einsatz für den Angeklagten im Gerichtssaal lässt erahnen, wie vernetzt die Gruppe noch immer ist. Genau dies zu unterbinden, ist eigentlich das Ziel der Auflagen, gegen die Karl-Heinz S. verstoßen haben soll. Er galt als treuer Adlatus Wieses, der Ende 2002 in München wohl in Anlehnung an das historische Vorbild der SA eine sogenannte Schutzgruppe (SG) aufgebaut hatte.

Die Gruppenmitglieder gaben sich Decknamen, trainierten in Wäldern und beschafften sich Waffen und Sprengstoff. Ihr Ziel war die "Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zugunsten einer Staatsordnung nationalsozialistischer Prägung" urteilte das Münchner Oberlandesgericht (OLG) später. Geplant war ein Anschlag im November 2003. Der Plan flog jedoch auf und die Rädelsführer kamen in Haft.

Karl-Heinz S. wurde zusammen mit Wiese der Prozess gemacht. Im Mai 2005 verurteilten ihn die Richter wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu vier Jahren und drei Monaten Haft. Nach der Verbüßung der Strafe wurde er unter Führungsaufsicht gestellt. Fünf Jahre lang darf er keinen Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern des Terrornetzes um Wiese aufnehmen. Im Februar dieses Jahres wurde er jedoch am Rande der Sicherheitskonferenz am Marienplatz bei einer Polizeikontrolle mit mehreren anderen Neonazis erwischt, unter ihnen eben auch jener Thomas Sch.

Bei einer Polizeikontrolle erwischt

Karl-Heinz S. bestreitet, dass es sich um ein geplantes Treffen gehandelt hat. Das Zusammentreffen sei "ganz zufällig" gewesen, erklärt er dem Richter. "Ich bin nur zum Marienplatz gefahren, um zu schauen, was da los ist", sagt er. Am oberen Ende der Rolltreppe sei dann "plötzlich der Herr Sch." gewesen. Er habe wegen des Kontaktverbots mit diesem aber "kein Wort" gewechselt, sondern sei "schnell weitergegangen".

Das Gericht hat zwei Polizisten geladen, die bei der Kontrolle dabei waren. Sie können sich jedoch nicht mehr dezidiert daran erinnern, wer mit wem zusammenstand oder redete. Die als Zeugen geladenen Neonazis entlasten den Angeklagten unisono. Thomas Sch., 24, der als Beruf "Arbeitssuchender" angibt, beschreibt das Zusammentreffen am Marienplatz ebenfalls als "Zufall". Er habe von dem Kontaktverbot gewusst und sei dem Angeklagten damals bewusst aus dem Weg gegangen. "Es gab nur ein kurzes Servus und das war's." Die Staatsanwältin will an "so viele Zufälle" nicht wirklich glauben. "Ich habe erhebliche Zweifel an ihrer Geschichte", sagt sie. Dass sich mehrere Personen aus der rechten Szene rein zufällig am Marienplatz am Rande der Sicherheitskonferenz treffen, sei nicht nachvollziehbar. Trotzdem fordert die Anklägerin am Ende einen Freispruch: Auch für Karl-Heinz S. gelte der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.

Der Amtsrichter schließt sich diesem Fazit an. Letztlich sei nicht zu beweisen, ob das Treffen geplant oder zufällig war. Karl-Heinz S. wird freigesprochen.

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