Jungpolitiker im Landkreis:Die Bilderbuchschwarze

Jungpolitiker im Landkreis: Annabella Wünsche in fünf Bildern.

Annabella Wünsche in fünf Bildern.

Heimatverwurzelt und international denkend. So charakterisiert Bürgermeister Jan Neusiedl die jüngste Gemeinderätin Grünwalds: "Sie ist, was sich die CSU wünscht." Annabella Wünsche, 23, will in ihrer Kommune aktiv mitgestalten - sie tut dies höflich zurückhaltend und stets abwägend.

Von Ruth Eisenreich

Müsste die CSU ein Maskottchen für ihren Slogan "Laptop und Lederhose" entwerfen, das Ergebnis würde Annabella Wünsche ähneln. Wünsche, lange blonde Haare, hellblaue Bluse, im Ohr Herzchen aus Strass, am Halskettchen zwei Miniatur-Golfschläger, studiert Corporate Finance an der privaten International School of Management in München. Sie will Wirtschaftsprüferin werden, in ihrer Freizeit spielt sie Akkordeon und engagiert sich im Heimat- und Brauchtumsverein.

Wünsche sitzt in einem Seitenfoyer der Grünwalder Musikschule, hier hat sie jahrelang Akkordeon gelernt, dazu Schlagzeug und Klavier. Sie hält sich sehr gerade, die Hände ruhen auf den Oberschenkeln. Aus einem Übungsraum dringen dunkle Bläserklänge; draußen prasselt Starkregen auf Villen und Einfamilienhäuser. Annabella Wünsche ist 23 Jahre alt und die, mit Abstand jüngste Gemeinderätin Grünwalds, und eine der jüngsten des Landkreises. "Heimatverwurzelt und international denkend: Sie ist, was sich die CSU wünscht", sagt der Grünwalder Bürgermeister und Parteichef Jan Neusiedl, der sie letztes Jahr auf die CSU-Liste für die Gemeinderatswahl setzte und den sie als ihr politisches Vorbild nennt.

Drei Stunden täglich am Akkordeon

Der August-Everding-Saal in der Musikschule ist für Wünsche der schönste Ort in der Gemeinde: 300 Plätze, die Wände aus Holz, die herunterklappbaren Stühle mit dunkelblauem Stoff bezogen. Auf der Bühne dieses Saals ist Wünsche so oft gestanden, dass sie sich gar nicht mehr an das erste Mal erinnern kann. Ab der achten Klasse nahm sie einen einstündigen Schulweg auf sich, um ein musisches Gymnasium in Bogenhausen zu besuchen; oft übte sie drei Stunden täglich am Akkordeon. Die Idee, Profimusikerin zu werden, verwarf sie aber schließlich: "Da sitzt man die meiste Zeit alleine Zuhause und übt und übt. Aber ich bin ein sehr geselliger Mensch."

In die Politik sei sie "so peu à peu" hineingerutscht, sagt Wünsche. "Politik war bei uns Zuhause immer ein Thema, ohne dass es mir bewusst war." Ihr Vater, sagt sie, musste die Schule vor dem Abitur verlassen, um Geld zu verdienen, er wurde Konditormeister; die Mutter brach zugunsten der Arbeit in seiner Konditorei ihr Jurastudium ab. Die Familie lebte früher im Lehel, der Vater vertrat die CSU im dortigen Bezirksausschuss.

Als Annabella ein kleines Kind war, zogen die Wünsches nach Grünwald. Ihr Haus ist das letzte vor dem Isar-Hochufer, wenn man aus der Tür tritt, steht man im Wald, und wenn man weiß, wo man hinschauen muss, sieht man weit unten den Fluss. Wünsche wohnt bis heute dort. Neben dem Studium hat sie in einem Golfshop gearbeitet und als Hostess bei Messen, aber ohne Geld von den Eltern hätte sie sich die Privat-Uni nicht leisten können.

Jungpolitiker im Landkreis: Der August-Everding-Saal hat für Annabella Wünsche einst eine wichtige Rolle gespielt. Sie wollte Profimusikerin werden.

Der August-Everding-Saal hat für Annabella Wünsche einst eine wichtige Rolle gespielt. Sie wollte Profimusikerin werden.

(Foto: Claus Schunk)

Der Heimatverein war ihr nie peinlich

Frau Wünsche, würden Sie sich als privilegiert bezeichnen? "Wieso? Nein, so habe ich mich bisher nicht gefühlt."

So richtig gegen die Eltern rebelliert hat Wünsche nie. Bis heute ist sie Mitglied im Heimat- und Brauchtumsverein "Die Lechler", den ihre Eltern mitbegründet haben. "Da bin ich hineingeboren, hab' mich da immer pudelwohl gefühlt", sagt Wünsche. "Jetzt habe ich nicht mehr genug Zeit, um bei jeder Veranstaltung dabei zu sein, aber es macht mir immer noch Freude." Sie besitzt, wie es sich für eine traditionsbewusste CSUlerin gehört, mehrere Dirndln, dazu noch eine handgenähte traditionelle Münchner Tracht. Nein, peinlich war ihr der Heimatverein nie, nicht einmal in der Pubertät.

Mit 18 Jahren begann Wünsche, sich bei der Jungen Union zu engagieren, nachdem ihr Mitglieder vom Einsatz der JU vorgeschwärmt hatten; seit zwei Jahren ist sie auch Mitglied der CSU, die im Grünwalder Gemeinderat die absolute Mehrheit hat. Auf die Idee, für den Gemeinderat zu kandidieren, sei sie nicht selbst gekommen, sagt Wünsche: "Die haben mich gefragt, und ich habe mich gefreut und gedacht: Wieso eigentlich nicht?" Als Kind hat Wünsche in der Kirche ministriert, ihre Motivation dafür war ähnlich wie die für ihre politische Arbeit heute: "Man hat Verantwortung, sitzt nicht nur hinten drin in der Kirchenbank oder auf der Empore und schaut zu, sondern gestaltet selber mit."

Warum gerade die CSU?

2014 leitete Wünsche den Studentenkongress "Forum Entrepreneurship", im selben Jahr flog sie mit Kollegen zu den "Model United Nations" in New York, wo internationale Studenten die Arbeit der UN simulieren. Wenn sie davon erzählt, dann spricht sie schnell und selbstbewusst. Wenn sie etwas über ihre Meinungen, Ansichten, Haltungen sagen soll, dann stockt sie, macht lange Pausen, ihre Hände fliegen ein paar Zentimeter in die Höhe und landen schnell wieder auf den Oberschenkeln. Ihre Sätze beginnen dann mit "ja" und enden mit "das hätt' ich jetzt gesagt".

Warum gerade die CSU? "Die passt am besten. Eine Volkspartei, wo wirklich jeder drin ist, vom Schreinermeister und dem Feuerwehrler bis zum Akademiker, das ist eine spannende Vielfalt. Ich fühle mich da richtig aufgehoben, auch von den grundlegenden Werten her, die mir am Herzen liegen."

Welche Werte sind das? "Familie und Heimat."

Würden Sie sich als konservativ bezeichnen? "Hm. Ja, schon. Wieso nicht."

Und was bedeutet "konservativ" für Sie? Langes Schweigen, "hm, gute Frage", Wünsche lacht. "Konservativ. Dass man zu seinen Werten steht und vielleicht auch, dass man am Sonntag in die Kirche geht."

Steckbrief

Name: Annabella Wünsche

Geburtsjahr: 1991

Partei: CSU

Gemeinde: Grünwald

Beruf: Studentin (Corporate Finance an der International School of Management)

Politische Funktionen: Gemeinderätin, stellvertretende Kreisvorsitzende der Jungen Union München Land, Schriftführerin in der CSU München Land

Auf Ausgleich bedachte Antworten

Das von der CSU erkämpfte Betreuungsgeld findet Wünsche gut, sonst gibt sie zu kontroversen Themen wie Flüchtlingspolitik, Frauenquote, Homo-Ehe oder die katholische Kirche gern auf Ausgleich bedachte Antworten. Menschen, die sie im Gemeinderat erlebt haben, schildern Wünsche als ruhig, höflich, zurückhaltend. "Es gibt Leute, die zu allem was zu sagen haben", sagt Bürgermeister Neusiedl. Wünsche hingegen melde sich nie "um des Effektes willen" zu Wort. Ihre "sachliche und fundierte Art" habe ihn überzeugt: "Sie hört viel zu, fragt nach, und wenn sie dann etwas sagt, ist es immer etwas Vernünftiges."

Im Finanz- und im Rechnungsprüfungsausschuss bringe sie sich aktiv ein, sagen Kollegen. Als der Gemeinderat einen Nachtbus diskutierte und beschloss, weil die Straßenbahn aus München nur bis Mitternacht bis Grünwald fährt, habe sie sich auch im Plenum sehr engagiert. Davon abgesehen sei im Gemeinderat nicht allzu viel von ihr zu hören. "Ich habe noch keine Themen erkannt, wo sie besonders brennt", sagt Tobias Brauner von den Parteifreien Bürgern Grünwald, und die grüne Gemeinderätin Ingrid Reinhart-Maier findet, dass Wünsche sich ruhig mehr trauen könnte:

"Sie will nichts falsch machen. Als Politiker muss man aber auch mal was falsch machen."

Nein, sagt Annabella Wünsche darauf, sie habe keine Angst vor Fehlern. "Ich bin halt nicht die, die am lautesten rausschreit. Wenn andere etwas schon gesagt haben, muss ich es nicht noch ein fünftes Mal wiederholen."

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