Polizeihubschrauber in Oberschleißheim:Hoffen auf ein neues Lärmschutzgutachten

Bürgermeister Christian Kuchlbauer ist angesichts zahlreicher Ungereimtheiten zuversichtlich, dass der Umzug der Landespolizei-Hubschrauber nach Oberschleißheim noch nicht besiegelt ist. Eine Übersicht über die Knackpunkte, die beim Erörterungstermin herausgearbeitet wurden

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Kaum eine Frage hat die Oberschleißheimer in jüngster Zeit so beschäftigt, wie die nach der Erweiterung des Hubschrauberstandorts. Die Bundespolizei ist bereits dort stationiert, die Landespolizei soll noch hinzukommen. Die Bürger befürchten noch mehr Lärm, leben sie doch jetzt schon eingekeilt zwischen Autobahn, Bundesstraßen und einer Bahnstrecke, auf der auch Güterzüge rattern. Die Einwände der Anlieger und der Gemeinde wurden am Mittwoch beim Erörterungstermin der Regierung von Oberbayern vorgetragen und Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) ist durchaus zufrieden. "Wenn man den Tag zusammenfasst, finde ich es etwas verwunderlich, dass man auf ein Gutachten aufbaut, das nicht vollständig ist", sagt er. Kuchlbauer spricht von vielen Ungereimtheiten und rechnet damit, "dass durchaus ein neues Gutachten erstellt wird".

Planfeststellungsverfahren

Die Gemeinde Oberschleißheim hat sich das Planfeststellungsverfahren vor Gericht erstritten. Der Erörterungstermin bot nun den drei betroffenen Kommunen Oberschleißheim, München und Garching die Gelegenheit zu einem direkten Informationsaustausch. Zugelassen zum Termin waren nur Bürger, die selbst einen Einspruch erhoben hatten. Das sorgte bei manchen Oberschleißheimern für Unmut. "Der Bürger meint, er wird hier von der Regierung über den Tisch gezogen", sagte Gabriele Kämpf. Verhandlungsleiter Ulrich Ehinger vom Luftamt Süd sagte als Vertreter der Regierung von Oberbayern, dies sei vom Gesetzgeber so geregelt. Es könnte Einwender geben, die ihre privaten Belange nicht öffentlich ausbreiten wollten. Die Regierung von Oberbayern wird nun die Eingaben unter rechtlichen Gesichtspunkten prüfen. Am Ende steht der Planfeststellungsbeschluss wohl noch heuer.

Polizeihubschrauberstaffel

Hubschraubermodelle

Die Hubschrauberstaffel der Landespolizei hat ihre acht Hubschrauber momentan am Standort Roth bei Nürnberg und am Münchner Flughafen stationiert, zudem bedienen sie Stützpunkte in Würzburg, Nabburg und Kaufbeuren. Zwei der Hubschrauber seien meist in Wartung, sechs einsetzbar. 75 Prozent der Einsätze fallen im südbayerischen Raum an. Der häufigste Grund oder "wirklich unser Hauptjob", wie der Leiter der Staffel, Joachim Walzik, sagte, ist die Vermisstensuche. 800 bis 900 Personen suchen die Polizisten im Jahr. Hinzu kommen Fahndungen nach Straftätern, Bergrettung, Sondereinsätze wie etwa beim Münchener Amoklauf, bei Waldbränden oder in Katastrophenfällen wie der Überschwemmung in Simbach.

Synergieeffekte

Der Vertreter des bayerischen Innenministeriums Roland Kerscher erläuterte, welche Synergieeffekte und Kostenersparnis sich der Freistaat von der Verlegung der Hubschrauberstaffel nach Oberschleißheim erhofft. Die Polizeihubschrauberstaffel sei eine Polizeieinrichtung, "die entsprechend gesichert sein muss". Das sei in Oberschleißheim schon der Fall, da die Hubschrauberstaffel der Bundespolizei bereits dort stationiert ist. Anfallende Kosten im Bereich Feuerwehr, Logistik, Tanken, Schneeräumen und Eigensicherung seien "Punkte, die man sich mit der Bundespolizei teilen kann".

Polizeihubschrauber in Oberschleißheim: Die Hubschrauber der Landespolizei, die bisher am Flughafen München stationiert sind, sollen nach Oberschleißheim umziehen. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand.

Die Hubschrauber der Landespolizei, die bisher am Flughafen München stationiert sind, sollen nach Oberschleißheim umziehen. Dagegen gibt es erbitterten Widerstand.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die Hubschrauberstaffel der Landespolizei besitzt acht Hubschrauber des Modells EC 135 P3, welche nach Angaben des Herstellers zu den leisesten Modellen auf der Welt gehören, wie der Leiter der Staffel, Joachim Walzik, ausführte. Der Rechtsanwalt der Gemeinde, Michael Hofmann, wollte wissen, ob ausgeschlossen werden kann, dass sich die Landespolizei in zehn oder 15 Jahren größere Modelle zulegt, wie sie die Bundespolizei bereits fliegt. Ein größerer Hubschrauber sei um drei Dezibel lauter, was etwa einer Verdoppelung der Flugbewegungen im Lärmgutachten gleichkomme. Hofmann drang darauf, falls die Entscheidung für den Standort Oberschleißheim ausfalle, eine schriftliche Zusicherung zu bekommen, "dass es bei kleinerem Fluggerät bleibt".

Flugzahlen

Der Leiter der Hubschrauberstaffel präsentierte beim Erörterungstermin die Flugzahlen der vergangenen zehn Jahre. Sie schwanken stets um die 3000, als Prognose gab Walzik 3500 Flüge an, betonte aber: "Wir planen keine Flüge, wir fliegen nur dann, wenn es eine Straftat gab."

Nachtflüge

Bei den Zahlen, die Walzik vorlegte und die der Anwalt der Gemeinde nach eigener Aussage zum ersten Mal sah, waren auch die Nachtflüge aufgeschlüsselt. Während das Lärmgutachten des TÜV Süd einen Anteil von 15 Prozent an Nachtflügen einkalkuliert, rechnet Anwalt Hofmann mit knapp über 20 Prozent. "Gerade die Nachtruhe ist für den Gesundheitsschutz ausschlaggebend", stellte Hofmann fest. Wären es aber sechs Nachtflüge und nicht vier wie im Gutachten berechnet, stünde den Bürgern in den betroffenen Gebieten passiver Lärmschutz zu.

Trainingsflüge

Wie Anwalt Michael Hofmann herausarbeitete, sind im Gutachten keine Trainingsflüge der Landespolizei berücksichtigt. Joachim Walzik, der Leiter der Hubschrauberstaffel, stellte fest, er wisse, dass die Bundespolizei in Oberschleißheim trainiere, der Platz eigne sich auch sehr gut dafür. "Aber wir machen es seit 1999 außerhalb an Militärstandorten, an Gewässern oder im Einsatzgebiet." Den Einsatz einer Seilwinde könne man eben besser in den Bergen üben. Der Rechtsanwalt forderte eine verbindliche Regelung, damit solche Trainingsflüge nicht in Oberschleißheim stattfinden.

Standortalternativen

Die Hubschrauberstaffel ist nach ihrem Umzug von Neubiberg 1999 am Münchner Flughafen stationiert. Aber dort habe sie keinen eigenen Landeplatz, wie Joachim Walzik ausführte, was den Flugverkehr behindere. Er nannte den Flughafen "keine zukunftsfähige Lösung". Viele Bürger fragten nach Alternativen. Rechtsanwalt Michael Hofmann hatte aus den Unterlagen zitiert, wonach Oberpfaffenhofen kein geeigneter Standort sei, weil dort Bürgerproteste zu erwarten seien. Walzik machte geltend, dass dort nur ein Zwölf-Stunden-Betrieb möglich sei, die Staffel aber 24 Stunden in Einsatzbereitschaft sein müsse. Das ebenfalls als Alternative genannte Landsberg sei zu weit weg, Fürstenfeldbruck sei bereits aufgelöst. Die Bürger waren von den ablehnenden Argumenten nicht überzeugt. Der Oberschleißheimer Ulrich Walter stellte den Antrag, die Standortfrage nach objektiven Kriterien zu prüfen, also nach Anflugzeiten, den Kosten und polizeistrategischen Überlegungen.

Flugrouten

Der Rechtsanwalt der Gemeinde Oberschleißheim deckte mit Hilfe von Sachbeistand Markus Petz auf, dass die Instrumentenflugrouten im Gutachten nicht berücksichtigt sind. Gerade diese vorgeschriebenen Routen führten jedoch näher über bewohntes Gebiet in Hochmutting, im südlichen Oberschleißheim und auch über die nördlichen Stadtviertel Feldmoching und Hasenbergl. Gerechnet wurden jedoch nur die Sichtflugrouten, wobei es eine mündliche Vereinbarung mit der Bundespolizei gibt, wie Bürgermeister Kuchlbauer ausführte, dass die Hubschrauber möglichst nicht über bewohntes Gebiet fliegen. Staffelleiter Walzik sagte dazu, die Bundespolizei sei auch weiter "Herr des Flugbetriebs", sie lege die Flugrouten fest. Der Anwalt forderte dafür schriftliche Zusagen. Der Oberschleißheimer CSU-Gemeinderat Peter Benthues sorgte sich, ob nicht jeder Einsatzflug ein Notfall sein könnte, der den Piloten erlaube, auf direktem Weg zum Ziel zu fliegen. Staffelleiter Walzik berichtete aus der Praxis, es gebe nur wenige Ausnahmen: "Wir fliegen außen rum. Wir fliegen nicht über Hallbergmoos, wir fliegen nicht über Freising." Es habe von den Bürgern dort noch nie Beschwerden gegeben.

Lärmschutz

Anwohner Klaus Ries schließlich forderte den Gutachter auf, die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, kurz TA Lärm, bei der Berechnung anzuwenden. Gutachter Josef Dicklhuber vom TÜV Süd sagte dazu, die TA Lärm gelte nur für Gewerbelärm. Für einen Sonderflughafen gebe es "keine eindeutige Vorschrift". Joachim Dähler folgerte daraus: "Mich als Bürger interessiert nur, dass es leiser wird. Dann nehmen Sie bitte die, die die niedrigsten Werte hat."

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