Die Frauen und Männer mit dem DB-Zeichen an ihren roten Mützen mühten sich redlich - doch gegen diesen Ansturm der verwirrten und fragenden Fahrgäste konnten auch sie nichts mehr ausrichten. Bei Arbeiten an einem Haus in der Pippinger Straße in Pasing war ein Baukran in die Oberleitung der nahen Bahnstrecke München-Augsburg geraten und hatte einen Kurzschluss ausgelöst.
Der S-Bahn-Verkehr in München funktioniert nur noch stark eingeschränkt. Am S-Bahnhof Pasing geht derzeit gar nichts mehr.
(Foto: dpa)Laut Bahn führte dies zu einem Stromausfall im Bahnhof Pasing; Teile der Oberleitung wurden zudem herabgerissen. Bayerns drittgrößter Bahnhof, an dem im Durchschnitt 45 Züge pro Stunde halten, war komplett dicht. Und das behinderte auch den abendlichen Pendlerverkehr: Weder die S-Bahnen in Richtung Geltendorf, Mammendorf, Herrsching und Tutzing kamen durch noch der Regional- und Fernverkehr nach Augsburg, ins Allgäu und ins Werdenfelser Land.
Es dauerte fast drei Stunden, bis die Techniker der Bahn einen Teil des Schadens behoben hatten. Zahlreiche Züge fielen aus, bei Fernzügen kam es zu Verspätungen von einer Stunde und mehr.
Der Vorfall ereignete sich am Mittwoch gegen 13.40 Uhr. Bereits kurz danach bildete sich am Infoschalter im Hauptbahnhof eine lange Schlange von Wartenden. Viele S-Bahn-Pendler versuchten, sich mit der Tram nach Pasing durchzuschlagen und dort die von der Bahn zur Verfügung gestellten Ersatzbusse zu erwischen.
An der Tramhaltestelle Hauptbahnhof-Süd bildete sich eine Menschentraube, die Tramzüge waren völlig überfüllt. "Zefix"', fluchte eine Frau, als erneut eine überfüllte Tram in Richtung Pasing einfuhr. "Da komm' ich ja nie im Leben rein." Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) setzte eigenen Angaben nach vier zusätzliche Busse auf der Tramlinie19 zwischen Pasing und Hauptbahnhof ein, um den Andrang irgendwie zu bewältigen. Die Bahn empfahl den Fahrgästen, mit der S-Bahn bis nach Laim zu fahren und dort mit den Ersatzbussen weiter nach Westen zu kommen; aber auch diese waren völlig überfüllt.
Noch schlimmer traf es die Pendler, die nach Augsburg oder ins Allgäu wollten. Gegen 15.20 Uhr stürmten Hunderte Fahrgäste zum Gleis 15 am Münchner Hauptbahnhof und zwängten sich in den dort bereitgestellten ICE 514 nach Hamburg - zu diesem Zeitpunkt war das die einzige Möglichkeit, um mit der Bahn irgendwie in Richtung Westen zu kommen.
Zuvor hatten die Notfallmanager des Konzerns zahlreiche Nahverkehrszüge in Richtung Augsburg und Garmisch-Partenkirchen sowie den "Alex"-Zug nach Oberstdorf ausfallen lassen; die Fernverkehrszüge mussten entweder über die ICE-Strecke München-Ingolstadt ausweichen oder sich über Gleise des Güterverkehrs im Münchner Norden nach Augsburg durchschlagen. "In Augsburg müssen wir dann mal schauen, wie wir weiterkommen nach Mering", sagte eine Frau in dem überfüllten ICE.
Betroffen waren allerdings nicht nur Fahrgäste, die nach Westen wollten - eine weitere Störung beeinträchtigte am Nachmittag zusätzlich den Bahnverkehr zum Flughafen. Wegen einer Oberleitungsstörung in Ismaning fuhren die Züge der S8 zunächst nur zwischen Laim und Leuchtenbergring, später bis nach Johanneskirchen. Nun verkehren die Züge der S8 Herrsching-Flughafen wieder durchgehend. Wer zum Flughafen wollte, musste auf die S1 ausweichen. "Und wo genau fährt die jetzt ab?", fragte ein Rentnerpaar aus Berlin im Bahnhof Stachus. Auf den Anzeigen über ihren Köpfen war das Notprogramm der S-Bahn nur kryptisch abgebildet. "Wer sich wie wir in München nicht auskennt, der versteht da nur Bahnhof."
Die Bahn schickte 20 Techniker nach Pasing; denen gelang es gegen 16.30 Uhr, den Kurzschluss in den Oberleitungen der Gleise 1 bis 7 zu beheben. "Die Reparatur der Oberleitungen an den Gleisen 8 bis 14 wird vermutlich bis in die Abendstunden andauern", erklärte ein Bahnsprecher am späten Nachmittag.
