Ottobrunner Konzerte:Pioniere und Giganten

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Die Brüder Johannes Tonio und Cornelius Claudio Kreusch bringen bei der dritten Auflage des Ottobrunner Festivals der Gitarre wieder namhafte Künstler auf die Bühne. Freunde des Instruments können dabei nicht nur zwei Konzerte besuchen, sondern sich auch in Workshops fortbilden

Von Udo Watter, Ottobrunn

Der Spruch "Stillstand ist Rückschritt" erntet meist viel Zustimmung, gleichwohl birgt er Ambivalenzen. Unter Umständen kann er auch zu einem hohlen Imperativ des "Immer-Mehr", "Immer-Größer", "Immer-Schneller" abflachen und einer zweifelhaften Steigerungslogik den Weg bahnen. Nun, mag der Grat zwischen Ehrgeiz und Gier mitunter auch so schmal sein wie eine Gitarrensaite, ein sympathischer Künstler wie Johannes Tonio Kreusch dürfte vor ungesunden Ambitionen gefeit sein. Wenn er vor der dritten Auflage des Festivals der Gitarre in Ottobrunn sagt: "Man will immer den Ansprüchen genügen und überlegt sich, wie kann man es noch spannender machen", dann entspricht das keinem Optimierungszwang, sondern schlicht einem Selbstbild, das sich zu Qualität verpflichtet fühlt.

Im Grund geht es ihm und seinem Bruder Cornelius Claudio Kreusch, mit dem zusammen er als künstlerischer Leiter der Ottobrunner Konzerte fungiert, vor allem darum, das erreichte Niveau zu halten und fortzuführen, also an die Erfolge der ersten beiden Festivalausgaben anzuknüpfen. Während im vergangenen Jahr der brasilianische Gitarren-Grandseigneur Carlos Barbosa-Lima, Gypsy-Jazzer Diknu Schneeberger oder Fingerstyle-Gitarrist Jacques Stotzem das Publikum im Wolf-Ferrari-Haus begeisterten, so ist heuer das Line-up vergleichbar hochkarätig besetzt: Am ersten Mai-Wochenende (5./6./7. Mai) werden Solisten und Ensembles zu hören sein wie die Katona Twins, Friend'n Fellow (Gesang/Gitarre), das Duo Doris Orsan und Johannes Tonio Kreusch (Violine/Gitarre), der Jazz-Gitarrist Ulf Wakenius mit Sohn Eric, Fingerstyle-Ikone Don Ross und das Joscho-Stephan-Trio, das Gypsy Swing in atemberaubender Virtuosität spielt. "Für Cornelius und mich ist wichtig: Es sind alles Künstler, die wir sehr schätzen", sagt Johannes Tonio Kreusch, der selbst ein international geschätzter Gitarrist und Komponist ist. Dank ihrer guten Kontakte in der Musikszene - Cornelius Claudio ist ein renommierter Jazzpianist - gelingt es beiden Brüdern immer wieder, arrivierte Künstler nicht nur zum Konzertieren zu engagieren, sondern sie im Rahmen der "Ottobrunner Konzerte" auch als Dozenten für Workshops zu verpflichten.

Vielsaitiges Line-Up: Beim Festival der Gitarre werden die Musiker viele Klangwelten entfalten: Johannes Tonio Kreusch und Doris Orsan stehen für Tangoklänge,...

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(Foto: Veranstalter)

...Ulf und Eric Wakenius für Jazz...

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(Foto: Veranstalter)

...und Friend'n' Fellow für Acoustic Soul.

Ein Blick auf die Liste der Protagonisten zeigt: Das Publikum hat wieder die Möglichkeit, an zwei Abenden - Freitag, 5. Mai, im Festsaal und Samstag, 6. Mai, im Ratssaal des Wolf-Ferrari-Hauses - die Gitarre in quasi all ihren Klangmöglichkeiten und stilistischen Facetten zu erleben: von Klassik über Gypsy Swing und Tango bis Jazz, Blues und Pop. Die Veranstaltung am Freitag hat die etwas größeren Dimensionen: Die ungarischen Zwillingsbrüder Peter und Zoltán Katona bilden eines der besten und vielseitigsten klassischen Gitarren-Duos der Welt. Von der Fachwelt werden sie nicht selten mit Superlativen bedacht, sie sind es gewohnt in Konzertsälen wie der Carnegie Hall/New York, der Wigmore Hall und Royal Festival Hall/London, der Berliner Philharmonie, der Suntory Hall/Tokio, der Tchaikovsky Hall/Moskau oder im Concertgebouw Amsterdam zu spielen. Den Schweden Ulf Wakenius bezeichnet Kreusch als "Jazzgiganten", der 1958 in Halmstadt geborene Virtuose genießt in der Tat fast schon Legendenstatus, und hat mit Größen wie Oscar Petersen, Ray Brown, Joe Henderson, Steve Colemans oder Till Brönner zusammengearbeitet. Überdies wurde er schon von Barack Obama, Queen Elizabeth II. oder Clint Eastwood zu Konzerten eingeladen. In Ottobrunn wird er mit seinem Sohn Eric sein aktuelles Album vorstellen, von dem der Jazz-Gitarrist selbst sagt, es sei "das beste, das ich je gemacht habe".

Die Sängerin Constanze Friend und der Gitarrist Thomas Fellow gelten seit der Gründung ihres Duos 1991 als Pioniere des Acoustic Soul. Sie entfalten die Klangfülle einer ganzen Band und einen charakteristischen musikalischen Kosmos. Ihr expressives Timbre und seine groovende Virtuosität zeitigen eine spezielle, die Sinne unmittelbar packende Melange. Virtuos changierend zwischen Jazz, Blues, Country und Soul entwickeln Friend'n Fellow auf der Bühne eine ansteckende Energetik und große Spielfreude und Improvisationslust. Ein versiertes Duo bilden auch Johannes Tonio Kreusch und seine Frau, die Violinistin Doris Orsan. Sie werden vor allem klassische Tangomusik, etwa von Astor Piazzolla, spielen, aber auch zeitgenössische, vom Tango inspirierte Kompositionen, die für sie geschrieben wurden.

Joscho Stephan steht für Gypsy Swing. (Foto: Manfred Pollert)

Am Samstag dürfte der Ratssaal wieder Club-Atmosphäre entfalten: Der 1960 geborene Kanadier Don Ross gilt als Pionier des Fingerstyle und etliche bekannte Gitarristen bezeichnen ihn als Vorbild. "Er hat viel bewegt in der Szene und neue Techniken etabliert. Und auf der Bühne ist er mitreißend", schwärmt Kreusch. Ross, Sohn eines Schotten und einer Indianerin, gewann als bisher Einziger zweimal den ersten Preis des renommierten amerikanischen Walnut Valley Festivals mit dem Titel "US National Fingerstyle Guitar Championship" - auch wenn es schon eine Weile her ist (1988 und 1996). Seinen von Rock, Jazz, Folk und Klassik beeinflussten Stil nennt er "Heavy Wood". Fesselnd verspricht auch der Auftritt des Joscho-Stephan-Trios zu werden. 1979 in Mönchengladbach geboren hat sich Joscho Stephan einen Ruf als neuer, aufregender Vertreter des Gypsy Swing erspielt. Diesen verbindet er virtuos und harmonisch raffiniert mit Latin, Klassik und Pop. Seine beiden jüngsten Produktionen erfuhren durch die Nominierung für den Deutschen Schallplattenpreis eine besondere Anerkennung. In Ottobrunn wird er mit seinem Vater Günter (Rhythmusgitarre) und Volker Kamp (Kontrabass) auftreten. Am Samstag und Sonntag (6./7. Mai) finden zudem noch Gitarrenworkshops mit den Künstlern statt. Die Chance für Musikstudenten wie auch Anfänger und fortgeschrittene Laien, sich unter Anleitung von Profis zu verbessern - ob in Improvisation, Fingerstyle-Technik oder Interpretation von Jazz-Standards: individueller Fortschritt durch Workshop-Besuch.

Nähere Infos zu Konzerten und Workshops gibt es auf www.ottobrunner-konzerte.com. Tickets gibt es über www.reservix.de oder Tel. 089/60 80 83 02.

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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