Ottobrunn:Verzwickter Zwickel

Dichtbesiedelt und eingezwängt zwischen drei Nachbargemeinden sind dem Wachstum Ottobrunns enge Grenzen gesetzt. Das beschneidet den Handlungsspielraum der Kommunalpolitik und hat Auswirkungen auf Steuereinnahmen und Investitionen

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Was haben sie sich nur gedacht damals in den Jahren 1953 bis 1955 im Innenministerium und Landratsamt am Mariahilfplatz? Aus drei Waldkolonien, die damals noch ein Ortsteil von Unterhaching waren, formten die Behörden die eigenständige Gemeinde Ottobrunn. Eigentlich ein guter Einfall, hatte doch die neue Kommune zu diesem Zeitpunkt bereits mehr Einwohner als die Muttergemeinde - und auch im Gemeinderat, der die Eigenständigkeit als erste Instanz beschlossen hatte, saßen sieben Ottobrunner und nur fünf Unterhachinger.

Nur vergaßen die letztlich entscheidenden Instanzen einen ganz wesentlichen Punkt: Eine Kommune benötigt wie das Wurzelwerk eines Baumes Platz, um sich entfalten, entwickeln und wachsen zu können. Nach der Landeshauptstadt München weist Ottobrunn die höchste Bevölkerungsdichte der Republik auf - mehr als 23 000 Einwohner wohnen in dem Zwickel zwischen Unterhaching, Neubiberg und Riemerling auf nur 5,23 Quadratkilometern. In der Nachbargemeinde Brunnthal sind es etwa 5000 Einwohner auf nahezu 38 Quadratkilometern.

Da stellt sich die Frage, ob in Ottobrunn das Ende erreicht ist. Ein Zeitpunkt, an dem es nicht mehr viel zu entwickeln gibt. Ein Wendepunkt, der zur Folge hat, dass die Nachbarn ringsum bestimmen, was an den Ottobrunner Gemeindegrenzen passiert - und die Kommune fremdbestimmt ihren Charakter verändert. Fragen, die sicher auch beim SZ-Lesercafé an diesem Dienstag, 27. Juni, diskutiert werden.

Die Nachbarn aus Taufkirchen etwa könnten Ottobrunn mit einem neuen Projekt arg auf die Pelle rücken: Zwischen der Ludwig-Bölkow-Allee und der A 8 will Taufkirchen ein neues Gewerbegebiet ausweisen - kilometerweit weg vom eigentlichen Taufkirchner Ortskern, dafür in einem regionalen Grünzug direkt an Ottobrunner Siedlungsgebiet grenzend. Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) kritisiert das Vorhaben mit harschen Worten, wirft den Nachbarn vor, über Jahre hinweg die innerörtliche Entwicklung vernachlässigt zu haben und sich nicht darum zu scheren, was ein Gewerbegebiet für Auswirkungen auf Ottobrunn haben könnte. Taufkirchen, sagt Loderer, gehe es nur um Steuereinnahmen.

Dieses Beispiel macht deutlich, wie wenig Handlungsspielraum die Kommunalpolitiker in der Gemeinde haben. Die beiden anstehenden bedeutenden, städtebaulichen Vorhaben in Ottobrunn sind private Projekte. Zum einen die Sanierung und der Ausbau des Büroparks am Haidgraben. Den um die Jahrtausendwende entstandenen Komplex will die Unternehmerfamilie Cerny mit millionenschwerem Aufwand in einen gläsernen Gewerbepark mit Büros, Arztpraxen und Gastronomie verwandeln. Die heftigsten Debatten im Gemeinderat wurden darüber geführt, wie viele Parkplätze wo ausgewiesen werden sollen. Das zeigt einerseits die geringen Möglichkeiten der Einflussnahme durch das Gremium - andererseits auch eine gewisse Dankbarkeit, dass durch private Investoren überhaupt etwas angeschoben wird.

Das gilt freilich auch für den Um- und Ausbau des Isarcenters am westlichen Ortsausgang. Das Einkaufszentrum ist mittlerweile ein aus der Zeit gefallener, maroder Kasten; der Parkplatz erinnert eher an einen Truppenübungsplatz. Die Württembergische Lebensversicherung als Eigentümerin will das Isarcenter in eine moderne Mall umwandeln, die dem Brunnthaler Gewerbegebiet und dem Neuperlacher Pep Konkurrenz machen soll.

Die Gemeinde erhofft sich dadurch höhere Steuereinnahmen. Zwar rechnet Kämmerer Oliver Malina für das laufende Jahr mit Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer von neun Millionen Euro, verglichen mit anderen Kommunen ähnlicher Größe im Landkreis muss Ottobrunn aber als latent klamm bezeichnet werden. Die geringen Möglichkeiten, Unternehmen anzulocken - die 70-Millionen-Investition des Technologie-Konzerns Astyx ist eine Ausnahme - haben zur Folge, dass die Einnahmen aus der Einkommensteuer mit nahezu 19 Millionen Euro weit über den jenen aus der Gewerbesteuer liegen.

Den kleinen Geldsegen benötigt die Gemeinde, um Projekte wie die zehn Millionen Euro teure Sanierung der in die Jahre gekommenen Ferdinand-Leiß-Halle umsetzen zu können. In der Ortsmitte steht die Sanierung der Tiefgarage an, die etwa drei Millionen Euro kosten wird. Und obwohl Kämmerer Malina in diesem Jahr keine neuen Kredite wird aufnehmen müssen, liegt eine Schuldenlast von mehr als 20 Millionen Euro innerhalb der Schulzweckverbände auf der Gemeinde.

Große Sprünge oder gar eigene Initiativen beim Wohnungsbau kann sich Ottobrunn kaum leisten. Das derzeit größte Bauvorhaben steht beispielhaft für die rein geografisch eingeschränkten Möglichkeiten: Die Josef-Seliger-Siedlung wird derzeit von der Baugesellschaft München Land in drei Bauabschnitten abgerissen und wieder neu aufgebaut.

Ottobrunn hätte noch die Möglichkeit, auf den wenigen freien Flächen in die Höhe zu bauen. Während des anhaltenden Sieldungsdrucks in den Sechziger- und Siebzigerjahren ist Ähnliches punktuell passiert - das Sternhaus, ein neunstöckiges Wohnhaus, ist ein Beispiel dafür. Doch der Widerstand gegen Hochhäuser war und ist enorm. Anton Wild trat angesichts des Protests aus der Bevölkerung und im Gemeinderat 1962 von seinem Amt als Bürgermeister zurück.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: