Ottobrunn:Öha, der Ude vor der Stadt

Ottobrunn: Zurücklehnen und zuhören: Dem Geschichtenerzähler Christian Ude zu lauschen, ist keine Sekunde langweilig.

Zurücklehnen und zuhören: Dem Geschichtenerzähler Christian Ude zu lauschen, ist keine Sekunde langweilig.

(Foto: Claus Schunk)

Der frühere Oberbürgermeister Münchens erzählt bei einem Benefizabend anekdotenreich aus seinem Leben

Von Claudia Wessel, Ottobrunn

Am Ende hat Christian Ude Tränen in den Augen. Jedenfalls fast. Und er ist nicht der Einzige. Mit Sicherheit geht es einigen im Publikum genauso. Der Dialog zwischen seiner Mutter und ihm - "Ganz unter uns: Wie ist es eigentlich, das Sterben? - Wie Einschlafen, man wacht nur nicht mehr auf" - war der Höhepunkt einer emotionalen Reise durch das Leben des ehemaligen Münchner SPD-Oberbürgermeisters.

"Kabarettabend" nannte sich Udes Auftritt im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus am Freitagabend, einem Benefizabend der Lebenshilfe München und München-Land. "Öha! und andere Geständnisse aus dem Leben eines Oberbürgermeisters" heißt das Programm, mit dem Ude deutschlandweit auftritt, wie seine ehemalige Kollegin, die einstige zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt, Gertraud Burkert (ebenfalls SPD), in ihrer Begrüßung verkündete. Und: Die Lebenshilfe sei umso glücklicher, dass er in den Landkreis gekommen sei, der "nie sein Lieblingsaufenthaltsort gewesen" sei.

Kabarettist sei er gar nicht, stellte Ude gleich zu Anfang klar - nachdem er zuvor energisch seine angeblich mangelnde Liebe zum Landkreis dementiert hatte. Er sei eher Geschichtenerzähler, wenngleich ihn der Titel, den ihm Dieter Hildebrandt verliehen habe, ehre. Und es stimmt. Ude ist kein Kabarettist, der einen von Gag zu Gag und Pointe zu Pointe hetzt. Trotzdem gibt es viel zu lachen. Er erzählt, in seiner bekannt ausschweifenden Art, in der er früher politische Gegebenheiten im Detail schilderte. Im Gegensatz dazu sind heute alle, auch die kleinesten Details einfach spannend.

So reist man mit dem Studenten Christian Ude an Heilig Abend 1971 in die Türkei, ans allerletzte, verschneite Ende. Dort wollen er und einige Spezl einen Wolf in freier Wildbahn fotografieren, um mit einem solchen Foto einen Preis zu gewinnen. Man fährt mit Ude in einem überfüllten Zug voller Gastarbeiter, man erklimmt mit ihm im Bus die einsamen türkischen Berge und landet in einem Haus quasi am Ende der Welt, bewacht von zwei Höllenhunden. Man erlebt mit ihm, wie er nachts mit dem Baby der Familie auf dem Arm, weil dies die Hunde mit seinem Geruch beruhigt, in den Tiefschnee geht, um auszutreten. Man erfährt, dass in dem Haus auch ein Gastarbeiter aus München lebt und dass in jenen Tagen eine lebenslange Freundschaft zwischen Ude und dessen Familie entsteht.

Reise in Udes Kindheit

Man hört, wie der junge Rechtsanwalt Ude, der von Kirchenrecht nicht den kleinsten Schimmer hatte, da er nie eine solche Vorlesung besucht hatte, einen großen Erfolg in Kirchenrecht erzielt. Als er nämlich den Pfarrer Fritz Betzwieser vertrat. So wie Betzwieser es sich gewünscht hatte, geschah es: Das Verfahren wurde eingestellt, nachdem man sah, dass der "rote Lump" Ude Akteneinsicht forderte. Der Vorwurf der Kirche gegen Betzwieser war übrigens, dass er Dackeln die Absolution erteilte.

Man reist mit Ude in seine Kindheit und erfährt vom beeindruckenden Charakter seiner Mutter. Sie verteidigte den Sohn vor jeder noch so hohen Autorität, obwohl der schon in der Grundschule beurteilt wurde als "Rädelsführer, bei dem Zurechtweisungen nichts mehr nützen". Mit dem anfangs zitierten Dialog im Altenheim, da ist sich der Sohn sicher, wollte sie ihm "die Angst vor ihrem Tod nehmen. Mehr konnte sie als sterbender Pflegefall nicht mehr für mich tun."

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