Ottobrunn:Lange Nacht der Klangforscher

Experimentelles und Meditatives beim "Klassik & Crossover-Festival"

Von Udo Watter, Ottobrunn

Eine kontemplative Klangreise, die von einer antiken Initiationshöhle inspiriert ist. Ein Pianist, der nicht nur fingerfertig ist, sondern dessen Kompositionen auch den Einsatz von Po oder Kinn erfordern. Eine Cellistin, die ihrem Instrument eine eigenwillige sinnliche Wucht entlockt. Ein elfköpfiges Ensemble, das opulente Klangwände aus einer virtuos tanzenden Rhythmik entwickelt. Ein Jazz-Quartett, das versiert Standards und Blues mit zeitgenössischem Jazz kombiniert.

Puh. Wer sich entschieden hatte, am Sonntagabend den Protagonisten beim zweiten Konzert des "1. Klassik and Crossover Festivals" in Ottobrunn zu lauschen, der brauchte belastbare und konditionsstarke Ohren. Nachdem am Samstag Rabih Abouh-Khalil, Weltmusiker und Meister der Oud (arabische Kurzhalslaute) aus dem Libanon das kleine Festival mit seiner Band im gut gefüllten Wolf-Ferrari-Haus eröffnet hatte, stand der Sonntag im Zeichen weniger bekannter, aber spannender Künstler. Bernhard Ruchti, Moritz Eggert (beide Piano), Ruth Maria Rossel (Cello), Rebecca Trescher (Saxofon) mit Ensemble 11 sowie Moritz Stahl (Saxofon) und Zhitong Xu (Schlagzeuger) sind alle auf je eigene Weise neugierige Klangforscher, musikalische Grenzgänger, die sich nicht mit ihrer stupenden Technik zufrieden geben oder Perfektion auf der Basis des Tradierten suchen, sondern experimentell und unkonventionell vorgehen.

Ottobrunn: Virtuose Grenzgängerin: Ruth Maria Rossel

Virtuose Grenzgängerin: Ruth Maria Rossel

(Foto: Claus Schunk)

Bei dem Schweizer Bernhard Ruchti, der zu seinem 17-minütigen Klavierstück "Echos von Chrysospilia" von anfangs erwähnter griechischer Initiationshöhle angeregt wurde, mündet das in meditative, reduktionistische, mitunter durch Dissonanzen unterbrochene Exkursionen, die einen unaufdringlichen Trance-Effekt zeitigen. Moritz Eggerts Auftritt danach ist augenscheinlich agiler. Der vielprämierte Komponist und Pianist zeigt bei seinen zwei bekanntesten Stücken aus dem Zyklus "Hämmerklavier" quasi Ganzkörpereinsatz. "One Man Piano" und "One man Piano II" erfordern Multi-Tasking-Virtuosität, inklusive Mundharmonika und Toy Piano sowie die Zurhilfenahme von (in Bowlingschuhe gehüllten) Füßen, Hintern oder Kinn. Eindrucksvolle performative Elemente und die Gleichzeitigkeit von kompositorischer Strenge und Komik machen den Auftritt ebenso zum Hingucker wie zum Hinhörer. Bei Eggert ist immer die Lust da, Etabliertes zu ironisieren, unerwartete Schneisen in die tonale oder rhythmische Ordnung zu schlagen, zu überfordern, ohne dass er dabei musikalische Historie lächerlich zu machen sucht.

Respekt vor der Tradition, aber aufgeschlossen für das Neue - das zeichnet auch Ruth Maria Rossel aus. Die charismatische Cellistin entfaltet nach der Pause von Beginn an hohe sinnliche Intensität. Erstaunlich, wie sie als Solistin den großen Saal in den Bann schlägt, ob sie nun Tangotöne anschlägt oder der charakteristischen lyrischen Wärme ihres Instruments Ausdruck verleiht. Eindrucksvoll auch, wie bei einigen Stücken mit elektronischer Hilfe Stimmen übereinander gelegt werden, sodass ein kraftvoll pulsierendes, abwechslungsreiches Klangerlebnis entsteht.

Ottobrunn: Moritz Eggert am Piano.

Moritz Eggert am Piano.

(Foto: Claus Schunk)

Zum Ende hin, als schon einige der ohnehin nicht allzu zahlreichen Besucher gegangen waren, hatten noch die beiden Preisträger des Kurt Mass Jazz Award, Rebecca Trescher plus Ensemble sowie Moritz Stahl & Zhitong Xu im Quartett ihren Auftritt. Das Ensemble 11 von Trescher zeigte sich bei der "Floating Food"-Suite auf der Höhe, sehr energetisch, obgleich der eigenwillig schöne Sound manchmal fast zu mächtig daherkam. Moritz Stahl & Zhitong Xu beschlossen den langen Abend mit Stücken, die Blues, klassischen Jazz und Zeitgenössisches lässig-elaboriert kombinierten. Klangforscher, auch sie.

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