Ottobrunn:Freiraum im Kopf

Ottobrunn, Treffpunkt Kunst, Ausstellung der Keramikkünstlerin Sophie Seidl,

Das Ausbrechen aus organisierten Arbeitsabläufen ist eine Grundlage der Arbeitsweise von Sophie Seidl. Die Keramikkünstlerin arbeitet in Landshut.

(Foto: Angelika Bardehle)

Mit ihrer holzschnittartig anmutenden Keramik bewegt sich Sophie Seidl zwischen Plan und Experiment

Von Laura Zwerger, Ottobrunn

Zuerst war nur ein kreisrundes Loch in dem Brustkorb vorgesehen. Dann brachen die Rippen entzwei, hielten der Ofenhitze nicht mehr stand und das aus Ton geformte Kunstwerk veränderte seine Gestalt. "Genau das ist das Spannende - sein starres Bild im Kopf loszulassen und einfach zu sehen, was passiert", sagt Sophie Seidl. Die Künstlerin stellt ihre Werke unter dem Titel "Zwiespalt" seit Mittwoch in der Galerie "Treffpunkt Kunst" des Kunstvereins Ottobrunn aus, und selten dürfte es den Besuchern bei einer Vernissage so schwergefallen sein, die Skulpturen unberührt zu lassen: Was eigentlich aus Ton geformt, im Ofen gehärtet und mit verschiedenen Materialien wie Asche oder Salz nachbearbeitet wurde, sieht einer Schnitzerei aus Holz zum Verwechseln ähnlich. "So etwas habe ich noch nicht gesehen", lobte auch die künstlerische Leiterin des Kunstvereins Ottobrunn, Veronika Schattenmann, die Wirkung der Arbeiten.

Den Betrachter in die Irre zu führen, darum geht es der jungen Künstlerin jedoch nicht. Vielmehr möchte die 27-Jährige ihre Grenzen austesten. "Mich hat es herausgefordert, ob ich es mit meinen Fähigkeiten schaffe, dass Keramik am Ende wie Holz aussieht", sagt Seidl. Das Handwerk dafür hat sie in den vergangen Jahren an der Landshuter Berufsfachschule für Keramik gelernt, an der sie mit Auszeichnung vor drei Jahren abgeschlossen hat.

Die gebürtige Münchnerin versucht in ihrem Landshuter Atelier, immer wieder aus Arbeitsabläufen auszubrechen: "Zu experimentieren ist so viel spannender, da dadurch etwas entstehen kann, woran man zuvor nicht einmal gedacht hat." So verändert Seidl die im Ofen gebrannten Stücke beispielsweise mit einer Glasur aus Salz, Wasser und Kleister, die sie an bestimmten Stellen aufträgt und wirken lässt. Ein zart geformtes Gesicht, wie es auch in der Ausstellung zu sehen ist, wird dann mit salzigen Krusten überzogen und erhält fesselnde Akzente.

Diese Freiheit in der Gestaltung musste sich die junge Künstlerin jedoch erst erkämpfen: "Lange habe ich sehr stark mit dem Kopf gearbeitet - bis ich dann eine Vollblockade hatte", erzählt Seidl. Seit sie nicht mehr nach starren Vorstellungen arbeite, sondern dem Ganzen seinen Lauf lasse, fließt die Kreativität weit lebendiger als zuvor. Davon zeugt auch , dass die meisten der ausgestellten Kunstwerke aus den vergangenen vier Monaten stammen. "Es ist nun eine unbewusste Schaffensarbeit - ich weiß oft selbst nicht, was passiert", sagt die Künstlerin.

Eben diesen Wandel von kopflastig hin zu experimentell nimmt Seidl in ihrer Ausstellung auch zum Thema. "Es ist der Zwiespalt zwischen Kopf und Experiment", sagt sie. Besonders ein Ausstellungsstück charakterisiert diese spannungsgeladene Beziehung deutlich: Kurz vor ihrer Blockade gestaltete Seidl einen Kopf, der an einer Seite offen ist. An dieser Stelle wachsen weiße Stränge wie Äste aus dem Schädel - eine Symbolik für das Ausbrechen-Wollen, die Suche nach einem neuen Weg.

Der jungen Künstlerin ist dieser Ausbruch in ihren Arbeiten mehr als gelungen. Und jenen Freiraum, den sich Sophie Seidl für sich selbst erkämpft hat, lässt sie auch dem Betrachter. Sie gesteht ihm eine völlig freie Interpretation ihrer Werke zu; so wird auf Titel gänzlich verzichtet. Die Künstlerin entführt den Betrachter dafür in einen Zwiespalt, aus den Materialien Holz und Keramik und in gewisser Weise auch aus Sein und Schein.

Die Ausstellung "Zwiespalt" ist noch bis 28. September in der Galerie Treffpunkt Kunst, Rathausstraße 5, Ottobrunn zu sehen, Mittwoch bis Freitag von 15 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr.

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