Ottobrunn:Es wird eng

Ottobrunn: Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) weiß um die Herausforderung, 570 Asylsuchende in seiner Gemeinde aufzunehmen.

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) weiß um die Herausforderung, 570 Asylsuchende in seiner Gemeinde aufzunehmen.

(Foto: Claus Schunk)

Ottobrunn ist die flächenmäßig kleinste Kommune im Landkreis. Schon die Unterbringung von 28 Asylsuchenden ist hier ein großer Akt. Dabei soll die Gemeinde bis Ende nächsten Jahres 573 Flüchtlinge aufnehmen

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn

Das ganze Dilemma der Gemeinde Ottobrunn lässt sich mit zwei Zahlen beschreiben. 28 Asylsuchende werden von Anfang Dezember an in einer Containerunterkunft des Landkreises auf einem gemeindeeigenen Grundstück in der Hochackerstraße unterkommen. 28 von 573. Denn so vielen Menschen wird die flächenmäßig kleinste Kommune des Landkreises den aktuellen Prognosen nach bis Ende 2016 ein festes Zuhause bieten müssen.

Das sind die nackten Fakten. Ottobrunn benötigt Wohnraum für Asylsuchende - doch das Beispiel der nun geplanten Unterkunft macht deutlich, dass Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) und der Gemeinderat, wollen sie diese Herausforderung meistern, heftige Widerstände aus der eigenen Bevölkerung werden überwinden müssen.

Das ist auch in anderen Gemeinden so. Ottobrunn erlebt dies aber zum ersten Mal - und angesichts des kaum verfügbaren Platzes, der Weigerung der Gemeinde, auf abgeschiedene Flächen am Rande auszuweichen, und weiter steigenden Flüchtlingszahlen wird hier auf die politisch Handelnden noch einiges zukommen.

Mittwochabend, Gemeinderatssitzung im Wolf-Ferrari-Haus. Etwa 40 Anwohner der Hochackerstraße sind zu Besuch im Sitzungssaal, in den sich ansonsten kaum ein Bürger verirrt. Aber Tagesordnungspunkt zehn betrifft die Bürger unmittelbar, entscheidet der Gemeinderat doch über die künftige Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Areal an der Hochackerstraße.

Bürgermeister Loderer hatte die Ottobrunner bereits in der Bürgerversammlung am 15. Oktober mit dem Vorhaben konfrontiert. Seine damaligen Ausführungen, er habe das Areal dem Landkreis angeboten und bis zu 40 Menschen könnten dort einziehen, waren seitens der Bürger unkommentiert geblieben.

Nun aber erlebt Loderer im Sitzungssaal erstmals einen Sturm der Entrüstung. "Ist es unabwendbar oder muss man es über sich ergehen lassen", fragt Helmut Betzmeier. Die Unterkunft sei mitten im Zentrum geplant, niemand wisse wer dort einziehe. Zu eng sei die Bebauung in diesem Bereich, um auch noch eine Unterkunft hinzustellen. Anwohnerin Ingrid Gottschalt sagt, es handle sich bei der Hochackerstraße um ein Wohngebiet, und will wissen: "Wo sollen die Asylanten hin?" Alexander Miehr wirft Loderer vor, die Bürger nicht ausreichend informiert zu haben - trotz "mehrfacher Anfragen".

Rathauschef Loderer argumentiert sachlich, hält aber bei persönlichen, frontalen Angriffen hart dagegen. Und er stellt klar, dass die Hochackerstraße nur der Anfang sein kann: "Ja, Ottobrunn ist dicht bebaut. Aber wir werden weiter prüfen, was mit unseren Flächen geschieht." Und er wird seitens der Gemeinderäte unterstützt - bis auf CSU-Rat Ludwig Bößner, der gegen die Unterkunft stimmt. Die SPD-Fraktion stehe zum Bürgermeister und seiner "proaktiven" Haltung, sagt Ariane Wißmeier-Unverricht; CSU-Fraktionssprecher Georg Weigert spricht von "notwendiger Solidarität", Erika Aulenbach von den Freien Wählern von "Bauchschmerzen", aber auch vom Zeitdruck, der zum Handeln zwinge.

Der "Kampf gegen Windmühlen" könne nicht gewonnen werden, erkennt schließlich Oliver Giebel an. Mit dieser Gewissheit schließt der Anwohner der Hochackerstraße den ohnehin aussichtslosen Versuch der Anlieger, die Unterkunft zu verhindern. Doch ein letztes Aufbäumen Giebels greifen die Gemeinderäte auf: Sie übergeben dem Landkreis das Grundstück - allerdings "bis längstens 31. Dezember 2016".

Es ist ein kleiner Kompromiss bei einer ohnehin kleinen Lösung. Bisher war die Gemeinde so etwas wie ein Musterknabe unter den Kommunen des Landkreises, wenn es um die Unterbringung von Asylsuchenden ging - doch damit ist es bald vorbei. Ein Großteil der 188 Ottobrunner Flüchtlinge wohnt bisher in Gebäuden der Josef-Seliger-Siedlung. Diese aber wird nach und nach abgerissen und von der Baugesellschaft München-Land neu aufgebaut; 136 Asylbewerber müssen daher, wenn die Bauabschnitte 2 und 3 bis Ende Januar eingeleitet werden, ausziehen. Dann bricht die bisherige Ottobrunner Statistik mit einem Mal in sich zusammen. Denn es ist momentan vollkommen unklar, wo diese Menschen künftig unterkommen sollen.

Geschweige denn letztlich jene insgesamt 570 Menschen, die in Ottobrunn ein Zuhause finden sollen. Diese Zuweisung ergibt sich aus der Bevölkerungszahl; denn so klein Ottobrunn gemessen an seiner Fläche ist, mit nahezu 22 000 Einwohnern ist sie die zweitgrößte der 29 Kommunen im Landkreis. Das, weiß auch Loderer, wird weitreichende Folgen haben. "Unsere Bemühungen für neue Unterkünfte werden verstärkt weitergehen", sagt der Bürgermeister. Das ist eine Folge der noch gültigen Haltung des Gemeinderats, der für eine dezentrale Unterbringung der Menschen einsteht. In einer Gemeinde, die kaum Platz hat. Die so dicht bebaut ist wie keine andere der Region.

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