Sekunden bevor sich Ernst Weidenbusch von der ersten Reihe im Festsaal des Ottobrunner Wolf-Ferrari-Hauses Richtung Bühne erheben will, flüstert ihm sein Hintermann noch etwas ins Ohr. Weidenbusch grinst und schlendert dann - fast ein wenig beschwingt - ans Mikrofon. Um kurz nach 17 Uhr an diesem Sonntagnachmittag sagt der CSU-Landtagsabgeordnete aus Haar: "Die SPD hat sich für Koalitionsverhandlungen entschieden. Da fällt uns allen ein Stein vom Herzen." Aus den Reihen der Zuschauer ist gar ein "Bravo" angesichts der Eilmeldung aus Berlin zu vernehmen. Ob ein Genosse den Jubelschrei losgelassen hat, lässt sich nicht mehr klären.
Die Ottobrunner CSU hat zum Neujahrsempfang geladen, und der ist gewissermaßen so etwas wie die ganz große Koalition im Ort. Der Chef des CSU-Ortsverbandes Volker Rhein betont ja jedes Jahr aufs Neue, dass er als Empfang der ganzen Gemeinde gedacht sei - und tatsächlich fanden wieder Vertreter aus allen Parteien, vieler Vereine und Verbände den Weg ins Ortszentrum. Mit dabei auch der Ottobrunner Sängerkreis, dem Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sogleich beste Stammtischqualitäten attestierte - Loderer muss es wissen, er unterstützt den Chor so oft es geht mit fester Stimme.
Außerdem stehe der Sängerkreis ja auch für das Verbindende der Nachbargemeinden Taufkirchen, Hohenbrunn und Ottobrunn, für die "interkommunalen Verbindungen", sagte Loderer. Was da aber alles am Stammtisch der sangesfreudigen Männer so erzählt werde, dürften die Taufkirchner und Hohenbrunner nicht immer hören, ließ Loderer eine kleine Spitze los: "Aber bisher hat der Kreis immer dicht gehalten."
Politik braucht kluge Köpfe
Das gelang dem Rathauschef bei diesem Neujahrsempfang nicht ganz; vielmehr ließ sich Loderer zu einem Bekenntnis hinreißen, das manchen in der Gemeinde wird aufhorchen lassen. Auf den wenigen Flächen, die noch der Gemeinde gehörten, soll kommunaler Wohnungsbau stattfinden. So weit, so gut. Wie aber wird sich die flächenmäßig kleinste Kommune des Landkreises entwickeln? "Wir werden sicher keine Gartenstadt bleiben", sagte Loderer. Das sei als stadtnahe Kommune kaum möglich. "Wir werden aber auch im Gemeinderat die richtige Balance finden und keine Exzesse beim Geschoßwohnungsbau zulassen", sagte Loderer. "Ich bitte Sie, vertrauen Sie uns."
Um eben jenes Vertrauen in die Politik warb auch Ernst Weidenbusch in seiner Rede - und geißelte zugleich die "Herabwürdigung" von Politikern gerade in sozialen Medien, eine "Verrohung" im Umgang. "Wenn wir Politiker so herabwürdigen, gewinnen wir kaum die besten Köpfe für die Politik", sagte Weidenbusch. "Sie können mir aber glauben, dass alle im Landtag - nicht nur die CSU - das Beste für Bayern wollen." Zugleich war ihm nicht nur die Erleichterung über die Abstimmung auf dem SPD-Parteitag anzumerken. Weidenbusch, so machte es den Anschein, ist heilfroh, das vergangene Jahr hinter sich gelassen zu haben: "Uns als CSU hat es richtig durchgeschüttelt." Zum Glück, sagte der überzeugte Söderianer, habe es seine Partei im Dezember gerade noch geschafft, sich personell neu aufzustellen.
Was folgte war eine Art Regierungserklärung Weidenbuschs, der Versuch Regierungshandeln zu erklären. "Von der Geburt bis zum Ende", wie er sagte, versuchte der Abgeordnete darzustellen, wie der Freistaat regiert werden müsse. "Besser, noch besser", sagte Weidenbusch. Top-Schulen, Top-Universitäten. Einen quantitativ und qualitativ besser aufgestellten Gesundheits- und Pflegebereich. "Den wir heute nicht im Griff haben." Und das alles im gesellschaftlichen und politischen Konsens. So funktionieren ganz große Koalitionen.