Ottobrunn:Auf der Kippe

Ottobrunn: Zwischen Halt geben und erdrücken: Die Freundschaft der Polizisten Joey (Patrick Gabriel, links) und Denny (Patrick Wolff) steht vor der Zerreißprobe.

Zwischen Halt geben und erdrücken: Die Freundschaft der Polizisten Joey (Patrick Gabriel, links) und Denny (Patrick Wolff) steht vor der Zerreißprobe.

(Foto: Claus Schunk)

Der Ottobrunner Regisseur Bernd Seidel inszeniert den düsteren Polizeithriller "Zwei beste Freunde" nach Keith Huff als deutsche Erstaufführung. Patrick Wolff und Patrick Gabriel zeigen zwei kaputte Cops, die an sich selbst und ihrer Umwelt zu verzweifeln drohen

Von Irmengard Gnau, Ottobrunn

Freundschaft ist ein Band, das Menschen miteinander verbindet, sie stützt und selbst harte Zeiten überdauern kann. Was aber geschieht, wenn äußere Umstände oder innere Schwäche die Verbundenen an den Rand ihrer psychischen Belastbarkeit drängen, der Freund zum Unbekannten wird? Wie viel Druck hält eine Freundschaft aus, bis sie zerbricht? Diese Fragen knallt Bernd Seidel in seinem neuesten Stück richtiggehend auf die Bühne, ohne Garantie auf eine Antwort.

"Zwei beste Freunde" sind es, Weggefährten von Kindheit an, der eine der Trauzeuge des anderen, Partner auch in ihrer Arbeit als Polizisten auf den rauen Straßen von Chicago. Jeder von ihnen hat seine eigenen Kämpfe auszufechten, der alleinstehende Joey, der sein Alkoholproblem genauso verdrängt wie seine Gefühle für die Frau seines besten Freundes, ebenso wie Denny, der eine deutliche Neigung zu Gewalt und einen ätzenden Rassismus hinter dem (Selbst-)Bild des liebenden Familienvaters verbirgt.

In Keith Huffs Originalstück "A Steady Rain" ebenso wie auf der Bühne des Wolf-Ferrari-Hauses sind die beiden - nicht nur äußerlich mit Schnauzer und ärmellosen Muskelshirts - echte amerikanische Cops. Als solche bahnen sich die Männer ihren Weg mit ihren eigenen, nicht immer ganz sauberen Methoden. Menschlich aber ringen Joey und Denny um Halt, ihre Freundschaft dient ihnen als Ankerpunkt in einer feindlichen Umwelt, die ihnen weder die lang verdiente Beförderung vergönnt noch den Respekt der Zuhälter und Kleingangster in ihrem Revier oder ein bisschen häuslichen Frieden. Als Dennys Familie unter Beschuss gerät und die Polizisten einen tödlich endenden Ermittlungsfehler begehen, droht auch diese letzte Sicherheit zwischen Frust, Vorwürfen und Schuldgefühlen zerrieben zu werden.

Die Fokussierung auf die beiden Protagonisten ist konsequent in der Inszenierung angelegt. Es gibt keine Draufsicht von außen, keinen neutralen Bericht der Geschehnisse. Denny und Joey übernehmen abwechselnd die Rolle des Erzählers, berichten dem Publikum, was passiert ist, häufig vom Rand der Bühne aus. Dann wieder betreten sie die Bühne für direkte Szenen, etwa wenn es in Dennys Wohnzimmer zum Streit kommt oder Joey den bedröhnten Freund zur Rede stellt.

Patrick Wolff und Patrick Gabriel, der schon in einigen Inszenierungen Seidels zu sehen war, verkörpern Joey und Denny im wahrsten Sinne des Wortes. Sie stehen ständig unter Strom, tragen die Spannung des Stücks mit jeder Faser nach außen; ob im szenischen Spiel oder im Monolog, der sich im Laufe des Abends immer deutlicher an das Publikum richtet und eine weitere Erzählebene öffnet. "Zwei beste Freunde" fußt ganz auf dem intensiven Spiel seiner beiden zu Recht bejubelten Hauptdarsteller; schließlich hatte sich Bernd Seidel ein echtes Schauspielerstück gewünscht.

Auch die minimalistische Bühnenausstattung in Seidels Inszenierung zieht keine Aufmerksamkeit von den Protagonisten ab. Mit klug eingesetzten Lichteffekten fließen die Szenen teils ineinander, reichen sich innerer und äußerer Konflikt die Hand. Wolff und Gabriel nehmen die Herausforderung an und wissen sie auch im Spiel zu meistern. Der ständige Wechsel zwischen Dialog und Monolog geht anfangs noch etwas zu Lasten der Spielintensität, auch der vom englischen Original übertragene Text kommt in manchen Passagen etwas sperrig daher. Doch je weiter sich Denny und Joey in Probleme verstricken, desto fließender werden Sprache und Zusammenspiel.

Unter dem Eindruck der bedrohlichen äußeren Umstände tritt die Ambivalenz der Freundschaft zwischen diesen Männern, bei denen fraglich ist, welcher eigentlich der kaputtere ist, immer deutlicher zu Tage. Der im Originaltitel genannte endlose Regen will nicht aufhören zu fallen, "als ob sich etwas ewig aufstauen würde, bis es irgendwann ausbricht", wie Joey sagt.

Mit Spannung verfolgt das Publikum - bei der Premiere im beinahe ausverkauften Wolf-Ferrari-Haus - wie jeder der Cops, nachdem sie den Tod eines Jungen zu verantworten haben, mit seinen Schuldgefühlen umzugehen versucht. Die Zuschauer erleben mit, wie sie einen Ausweg suchen aus der Spirale von Frust, Gewalt, Zweifel an der Welt und an sich selbst, und wie einer von ihnen ihn am Ende findet. Der düstere Thriller fordert die Zuschauer. Doch der Spannungsbogen, getragen von den beiden immer befreiter aufspielenden Hauptdarstellern, hält bis zum Schluss.

"Zwei beste Freunde" wird an diesem Freitag, 20 Uhr, im Kubiz Unterhaching aufgeführt. Restkarten gibt es über Reservix und Münchenticket.

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