Ottobrunn:Aeronautische Denkfabrik

Im Bauhaus Luftfahrt in Ottobrunn entwickeln Ingenieure, Geografen und sogar Sozialwissenschaftler die Flugzeuge der Zukunft - nun feiert die Forschungseinrichtung ihr zehnjähriges Bestehen

Von Tobias Krone, Ottobrunn

Wie das Flugzeug von 2035 aussehen könnte? Mirko Hornung zeigt es einem. Der Professor für Luftfahrtsysteme steht vor einem beleuchteten Modell. Das Flugzeug der Zukunft sieht von Weitem aus wie ein überdimensionierter Düsenjet für Geschäftsreisende. Nur dass es nicht mehr mit brennbarem Treibstoff, sondern mit Strom aus Batterien angetrieben wird. Mirko Hornung und seine Kollegen im Forschungszentrum Bauhaus Luftfahrt in Ottobrunn denken über das Fliegen in künftigen Zeiten nach - mal ganz grundsätzlich. Mit seinem Ansatz, aus verschiedenen Disziplinen die Fliegerei der Zukunft zu entwerfen, ist das Bauhaus eine einzigartige Einrichtung dieser Art. 2015 feiert sie ihr zehnjähriges Bestehen.

Schon der Titel "Bauhaus Luftfahrt" verrät einiges vom Anspruch der Forscher, die seit 2014 nach Stationen auf dem Gelände der Technischen Universität (TU) in Garching und Schwabing nun auf dem Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn arbeiten: In der namensgebenden Architekturbewegung der Zwanzigerjahre, die bekannt wurde durch ihre sachliche Formensprache, arbeiteten Designer, Handwerker und Architekten gleichberechtigt an Bauvorhaben: Dabei überwinden sie die sonst sehr starren Disziplingrenzen. Auch Hornung bringt 35 Wissenschaftler aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen zusammen: Ingenieure, Geografen, sogar Sozialwissenschaftler arbeiten an neuen Konzepten der Luftfahrt. Dabei blicken sie weit nach vorne - eine seltene Perspektive. Während Flugzeugbauer wie Airbus immer das konkrete Produkt im Blick haben - und damit die nächsten zehn bis 15 Jahre, fragen sie sich: Was wird 2050 möglich sein? "Wir entwickeln keine Produkte, sondern Lösungsansätze", sagt Hornung.

Ottobrunn: Eine Vorstudie für das batteriebetriebene Flugzeugprojekt "Ce-Liner". Die Forscher denken darüber nach, was in Zukunft möglich ist.

Eine Vorstudie für das batteriebetriebene Flugzeugprojekt "Ce-Liner". Die Forscher denken darüber nach, was in Zukunft möglich ist.

(Foto: Claus Schunk)

Wie das konkret aussieht, erläutert er am Flugzeugmodell: Weil Sozialwissenschaftler von einer Zunahme der Flugreisenden ausgehen, wird der Kurzstreckenjet breiter sein als heute, um mehr Passagiere zu fassen. Für eine bessere Aerodynamik haben die Ingenieure im Forschungszentrum den doppelt abgeknickten "C-Flügel" entworfen. Sie gehen davon aus, dass Batterien künftig leichter und leistungsfähiger werden. Somit halten sie es für machbar, den Gepäckraum in nur einer halben Stunde mit gigantischen Batterien zu füllen, die die Form von heutigen Frachtcontainern besitzen: Etwa 1600 Kilometer weit kommt der Flieger mit Batteriestrom, allerdings unter der Annahme, dass die technische Entwicklung so voranschreitet wie bisher. Gebaut werden könne der Elektro-Jet heute also noch nicht.

Die Frage, wie die Flugzeuge der Zukunft angetrieben werden, wenn nicht mit Strom, ist die zentrale im Bauhaus Luftfahrt. Verschiedene Alternativen zum Treibstoff Kerosin werden hier erforscht. Sprit aus Algen etwa. Doch reichen alle Pflanzen dieser Erde überhaupt aus, um den gesamten Luftverkehr mit Kraftstoff zu versorgen? Der Geograf am Forschungszentrum, Florian Riegel, hat zu dieser Frage Berechnungen angestellt. Zieht man theoretisch vom landwirtschaftlichen Boden die Ackerflächen ab, die zur Nahrungsproduktion benötigt werden, wäre Platz vorhanden, um mehrmals den Luftverkehr mit Bio-Sprit zu versorgen. In dieser Radikalität werde das zwar nicht funktionieren, relativiert Hornung diese Berechnungen, da künftig etwa auch der Autoverkehr und die Kunststoffindustrie um die Biomasse konkurrieren würden, und der Anbau bisher noch nicht wirtschaftlich sei: "Aber 20 Prozent des Treibstoffs könnte man so gewinnen."

Ottobrunn: Seit Januar am Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn: Wissenschafts-Vorstand Mirko Hornung und Finanz-Vorstand Insa Ottensmann.

Seit Januar am Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn: Wissenschafts-Vorstand Mirko Hornung und Finanz-Vorstand Insa Ottensmann.

(Foto: Claus Schunk)

Es werde "viel zu schnell gesagt, dass Dinge nicht gehen, wir zeigen, was möglich ist", sagt Hornung, der sich schon während seiner Schulzeit für die Luftfahrt begeisterte. Ihm ist dabei bewusst, dass bei hundert Ideen, an denen sie hier gerade forschen, "am Ende möglicherweise nur ein Produkt herauskommt".

Hier in Ottobrunn fühlten sie sich wohl, sagt Hornung, das Forschungszentrum lebe vom Austausch mit seinen Partnern. Airbus, die Industrie-Anlagen-Betriebsgesellschaft (IABG), Liebherr-Aerospace und MTU Aero Engines. Die ersten beiden Firmen haben Standorte in der Umgebung. Gefördert wird das Bauhaus Luftfahrt durch das bayerische Wirtschaftsministerium. Laut Hornung sei die Einrichtung, in der sich Privat-Unternehmen an der Finanzierung der Grundlagenforschung beteiligten, "weltweit einzigartig". Die Vordenker des US-Flugzeugbauers Boeing hätten gerne eine Denkfabrik wie diese. Doch das Zukunftslaboratorium der Luftfahrt steht nicht an der amerikanischen Westküste, sondern in Ottobrunn.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: