Oktoberfest literarisch:Wiesn von allen Seiten

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Für Bücherwürmer, Hobbyköche und Wiesnliebhaber: Zum Oktoberfest-Jubiläum ist eine Reihe ganz unterschiedlicher Bücher erschienen - wir zeigen die schönsten Schmöker im Überblick.

Wolfgang Görl

Wer sich einen fundierten Überblick über die 200-jährige Geschichte der Wiesn verschaffen möchte, kommt um die offizielle Festschrift der Stadt München nicht herum. Florian Dering, der stellvertretende Direktor des Stadtmuseums, und Ursula Eymold haben ein Buch verfasst, dessen Erkenntnisse nicht nur auf dem neuesten Stand sind, sondern das auch für das Auge reichlich Stoff bietet.

'Wiesn-Gschichtn', gibt es nicht nur von den Münchner Comiczeichnern. Ob satirisch, kulinarisch oder erotisch - die neu erschienenen Wiesn-Bücher betrachten das Oktoberfest von ganz unterschiedlichen Seiten. (Foto: dpa)

Das eindrucksvolle Bildprogramm zeigt unter anderem die frühesten Darstellungen des Oktoberfests, Pläne der Festwiese von 1810, die Porträts diverser Wiesnhelden oder die jüngste Trachtenmode. Entlang der Bilder wandert man gleichsam durch 200 Jahre Festgeschichte, die Texte liefern knapp gehaltene und dennoch präzise Hintergrundinformationen.

Dering und Eymold lassen dabei die wichtigen Ereignisse ebenso Revue passieren wie skurrile Randerscheinungen. Wer wüsste zum Beispiel, dass um 1865 Hundekämpfe auf dem Oktoberfest stattfanden? Besonders lesenswert ist der einführende Aufsatz von Michael Stephan, dem Direktor des Stadtarchivs. Stephan geht darin der Frage nach, wie münchnerisch die Wiesn war und ist.

Dass sie bis heute "ein spezifisch Münchner Event" geblieben ist, wird als Antwort nur wenige Leser überraschen, die historischen Einzelheiten, die Stephan aufbietet, lohnen die Lektüre allemal. Darüber hinaus dient das Buch auch als Katalog der Oktoberfestausstellung im Stadtmuseum. Wer die großartige Schau besichtigt hat, sollte nicht versäumen, seine Eindrücke beim Lesen der Festschrift zu vertiefen.

Florian Dering, Ursula Eymold: Das Oktoberfest 1810-2010. Süddeutsche Zeitung Edition, 271 Seiten.

Auf satirische Weise hat sich der Kabarettist Bruno Jonas in seiner Gebrauchsanweisung für das Münchner Oktoberfest mit der Wiesn beschäftigt. Wie in seinen Kabarettprogrammen verknüpft Jonas hochgeistige Einsichten aus dem Reich der Philosophie mit dem Trivialen aus dem Reich der Sinne. Manches, wie etwa die Skepsis des bayerischen Menschen im Hinblick auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit, glaubt man schon mal auf der Kabarettbühne gehört zu haben, amüsant ist es gleichwohl, wenn Jonas etwa mit dem begrifflichen Inventar des Philosophen Hegel das Wesen der Wiesn zu ergründen versucht.

Da und dort hat das Buch einige Längen, besonders dann, wenn sich Jonas mehr mit den landläufigen Bayern-Klischees beschäftigt als mit dem Oktoberfest. In solchen Momenten lohnt es sich, eine Lesepause zu machen und die wunderbaren Fotografien von Rudolf Klaffenböck zu betrachten, mit denen das Buch illustriert ist.

Bruno Jonas: Gebrauchsanweisung für das Münchner Oktoberfest. Piper Verlag, 205 Seiten.

Oktoberfestbesucher, die den Bummel über die Theresienwiese als historischen Rundgang gestalten wollen, sind mit dem Buch Auf geht's, auf d'Wiesn! bestens bedient. Angelika Dreyer und Carmen Finkenzeller, die als Stadtführerinnen bei Stattreisen arbeiten, haben einen Oktoberfest-Spaziergang zusammengestellt, bei dem selbst Kenner noch etwas lernen können.

Sie haben 16 Stationen ausgewählt, etwa das Teufelsrad, die Bavaria oder das Armbrustschützenzelt, um, ausgehend von diesen Standorten, Geschichten von Schaustellern, Wirten, Künstlern und Königen zu erzählen. Wer das kleine Buch, das man bequem in der Jackentasche mitnehmen kann, gelesen hat, ist über die wesentlichen Aspekte der Wiesn gut informiert. Gleichfalls erfreulich ist die Bildauswahl, bei der auch weniger bekannte Motive berücksichtigt sind.

Angelika Dreyer, Carmen Finkenzeller: Auf geht's, auf d'Wiesn!, Allitera Verlag, 119 Seiten.

Die Psychologin Brigitte Veiz, die in ihrer Diplomarbeit das Oktoberfest als "bayerisch-dionysischen Rausch" beschrieben hat, ist seit vielen Jahren Stammgast auf der Wiesn, und als solcher hat sie zahllose Gespräche im Bierzelt belauscht und protokolliert. Was im ersten Moment abschreckend bürokratisch klingt, entpuppt sich als amüsante Literatur über die geistige Befindlichkeit der Wiesnbesucher.

Mitunter sind die Biertischgespräche so grotesk, als hätte sie Karl Valentin geschrieben; auch mit den wahnwitzigen Dialogen des absurden Theaters sind die Plaudereien durchaus verwandt. Kurzes Beispiel: Mann 2: "Hält si ned lang, des Wiesnbier." Mann 1: "Sog i doch, lack werds." Mann 2: "Schal sagt mer a." Mann 1: "Mia ned." Mann 2: "Schal oder lack is ja desselbe." Mann 1: "Lack sagt mer halt bei uns do." Mann 2: "Eh bled! Wos hot des denn mit am Schal zum doa? Oder mit am Lack?"

Mindestens ebenso blödsinnig sind die SMS-Dialoge, die Brigitte Veiz dokumentiert hat. Sie belegen vor allem eines: Wer sich per SMS auf der Wiesn verabredet, muss damit rechnen, dass das Treffen scheitert.

Brigitte Veiz: Wiesnwahnsinn. Hirschkäfer-Verlag, 128 Seiten.

Manfred Schauer, die jüngste Inkarnation des Schausteller-Originals Schichtl, nähert sich dem Oktoberfest von der kulinarischen Seite. Zum Jubiläum hat er ein Kochbuch vorgelegt, in dem die Festwirte einige Rezepte ihrer Wiesn-Schmankerl verraten. Hippodrom-Wirt Sepp Krätz wartet unter anderem mit einem "Riesengarnelen-Pfanderl" auf, Claudia und Eduard Reinbold vom Schützen-Festzelt geben das Geheimnis ihrer Steinpilzravioli preis.

Auch Edith von Welser-Ude, die Frau des Oberbürgermeisters, ist vertreten, und zwar - was sonst? - mit einem "Bürgermeisterstück in Rotweinsauce". Zudem bietet Schauer Einblicke in die Wiesn-Geschichte, die er mit dem ihm eigenen Schichtl-Humor durchaus witzig kommentiert.

Manfred Schauer: So schmeckt das Oktoberfest. Südwest-Verlag, 144 Seiten.

Dass die Theresienwiese während des Oktoberfests ein erotisches Versuchsfeld ersten Ranges ist, pfeifen die Spatzen vom Dach. Dieser Befund hat die SZ-Redakteurin Claudia Wessel auf die Idee gebracht, ein Buch über die Wiesn-Liebe herauszugeben. Neben renommierten Autorinnen wie Asta Scheib oder Fabienne Pakleppa haben sich auch Schausteller, Wirte und Galeristen daran gemacht, die amourösen Seiten der Wiesn literarisch zu ergründen.

Es liegt auf der Hand, dass nicht jede der Liebesgeschichten höheren Ansprüchen genügt. Manches ist banal, berechenbar oder kitschig, aber einige ausgezeichnete Texte bietet die Anthologie dennoch. Der wohl eindrucksvollste Beitrag stammt von der Münchner Schriftstellerin Fabienne Pakleppa, deren Erzählung Höhenflüge ein raffiniertes Spiel mit Lust, Schmerz und Leidenschaft ist. Ansonsten bietet das Buch mehr oder weniger gute Unterhaltungslektüre - mehr will es auch nicht.

Claudia Wessel (Hg.): Wiesn-Liebe. Verlag Claudia Gehrke, 247 Seiten.

Um das Oktoberfest-Jubiläum auf ihre Art zu feiern, haben sich die Zeichner des Münchner Comic-Vereins Comicaze zusammengesetzt und den Bildband Wiesn-G'schichtn gestaltet. Dabei geht es um teils bedeutsame, teils randständige historische Episoden, die die Comic-Zeichner zu meist witzigen Bildergeschichten verdichtet haben.

Künstlerisch besonders gelungen ist beispielsweise die auf wenige Ereignisse konzentrierte Lebensgeschichte des Rosshändlers und Lohnkutschers Franz Xaver Krenkl, dessen Pferde häufig den ersten Platz beim Galopprennen in den Anfangsjahren des Oktoberfests belegt haben. Ausgedacht hat sich den Krenkl-Comic, der mit Original-Zitaten des Rosshändlers angereichert ist, der Zeichner chriseff alias Christian Effenberger.

Am heikelsten war sicherlich die Aufgabe Adrian vom Baurs, das Bombenattentat vom 26.September 1980 in einem Comic zu schildern. Baur beschränkt sich auf einige Bilder mit fröhlichen Wiesnbummlern, zwischen die sich der Attentäter Gundolf Köhler wie ein finsterer Dämon schleicht. Er legt die Bombe, dann wird es schwarz. Auf der folgenden Seite sieht man das Denkmal für die Opfer und einige erklärende Zeilen.

Man kann das so machen, der dezente Umgang mit dem Thema ist in jedem Fall lobenswert. Der rechtsradikale Hintergrund der Tat wird aber nur angedeutet. Ganz kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass Baurs Comics zu simpel sind, um das furchtbare Geschehen zu erfassen. Dennoch: ein tolles Buch.

Jan Reiser, Frank Cmuchal (Hg.): Wiesn G'schichtn. Volk Verlag, 87 Seiten.

Der französische Künstler Cyril Mariaux hat ebenfalls versucht, das Phänomen Oktoberfest mit dem Zeichenstift zu ergründen. Er betrachtet die Wiesn mit dem Blick eines Fremden, dem der Trubel und die einschlägigen Rituale ziemlich exotisch vorkommen.

Dazu hat der Journalist Vincent Minner Texte beigesteuert, die, bei allen Bemühungen, witzig zu sein, doch ein wenig bieder daherkommen. Generell hat man den Eindruck, Mariaux schildert ein Volksfest auf dem Lande - die brodelnde Atmosphäre der Wiesn fängt er nicht ein.

Cyril Mariaux, Vincent Minner: Oktoberfest. Volk Verlag, 35 Seiten.

© SZ vom 08.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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