Oktoberfest damals und heute:Der Stoff, aus dem die Schäume sind

Hell und klar oder dunkel und tiefgründig: Auf dem Oktoberfest geht es vor allem um das Bier - und um die Frage, wer es wo ausschenken darf.

Astrid Becker

Würde man heutzutage eine Umfrage unter den Münchnern starten, wie sie ausländischen Gästen das Oktoberfest erklären, käme eine Antwort bestimmt sehr häufig: Die Wiesn ist das größte Bierfest der Welt. Dieser Aussage dürfte auch nicht widersprochen werden, zumal selbst die Stadt als Veranstalterin den Erfolg eines Oktoberfests in erster Linie nach den Besucherzahlen und nach der Menge des ausgeschenkten Bieres bemisst.

175. Oktoberfest - Eröffnung

Eine Bedienung mit Bierkrügen und Trillerpfeife versorgt die Wiesnbesucher mit Münchner Bier.

(Foto: dpa)

In den Anfangsjahren des Oktoberfests jedoch spielte das Bier auf der Theresienwiese eine eher untergeordnete Rolle. 1810, beim Pferderennen anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Ludwig und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen, konnte von einer ernstzunehmenden gastronomischen Versorgung des Volkes mit Essen und Trinken nicht die Rede sein.Es wurde zwar Bier ausgeschenkt, aber nicht auf der Theresienwiese selbst, sondern auf der Anhöhe des damals noch selbstständigen Dorfes Sendling.

Erst in den Folgejahren soll sich der Bierausschank sukzessive auf das Festgelände verlagert haben. Bierzelte gab es damals aber noch nicht, nur roh gezimmerte Bretterbuden, vor denen sich die Gäste unter freiem Himmel an Tischen und Bänken niederließen. Wer sich seinen Proviant nicht selbst mitgebracht hatte, kaufte an den Ständen Brot, Obst, Käse und Nüsse. Sehr beliebt war zu dieser Zeit schon der Rettich, und nur wenige Jahre später auch Wurst und Fisch. Und natürlich das Bier.

Mit der Zeit setzten die Wirte zunehmend auf Volksbelustigungen als Einnahmequelle. Als Vorreiter ist hier Anton Gruber zu nennen, der sich bereits 1818 mit einem Fünfjahresvertrag das Recht sicherte, als einziger Schaukeln und Karussells aufstellen zu dürfen.

Doch schon bald folgten andere seinem Beispiel. So ist bereits von 1820 an von einer Vergrößerung dieser Wirtsbuden die Rede. Es gab plötzlich auch Plätze für 50 bis 100 Menschen im Inneren - was wohl der kühleren und bisweilen regnerischen Witterung im Herbst Rechnung tragen sollte. Zudem richteten immer mehr Budenbesitzer für ihre Gäste Kegelbahnen und Tanzflächen ein.

Kegeln verboten

Auch an die Jugend war gedacht: Für sie gab es "ein Sacklaufen, Hosenrennen und Baumsteigen, welches auch wirklich viele Belustigung gewährte", wie es Ulrich von Destouches beschreibt. Wenn man so will, trugen die Wirte also auf ihre Weise dazu bei, das Volk in eigentlich schlechten Zeiten an die Monarchie zu binden.

Am 25. September 1819 übernahm dann der Münchner Magistrat die alleinige organisatorische und finanzielle Verantwortung für das Fest. Obwohl die Stadt einerseits von der Bewirtung und vom Bierausschank durch die Pachtzahlungen der Wirte profitierte, zeigte sie andererseits nur wenig Verständnis für die von den Wirten angebotenen Vergnügungen.

Nicht ganz zu Unrecht: Die Nähe zur Bierquelle verwandelte zu dieser Zeit so manch harmlosen Kegelbruder in einen wilden Schläger - mit der Folge, dass die ein oder andere Belustigung verboten wurde, 1867 etwa das Kegeln.

Die Wiesn erfreute sich dennoch steigender Beliebtheit - sowohl bei den Besuchern als auch bei den Bewerbern um eine der rund 70 Quadratmeter fassenden Wirtsbretterbuden. 1824 griff die Stadt ein und beschränkte die Zahl der Zulassungen auf 18 einheimische Bierwirte, die im Losverfahren ausgewählt wurden. Später wurden die Plätze sogar jährlich neu versteigert - wer am meisten Geld bot, durfte aufs Festgelände.

Früher wurden auch andere Biersorten angeboten

Was die Wirte ihren Gästen dort ausschenkten, hatte zunächst nichts mit dem heutigen Wiesnbier gemein: Es handelte sich um ein untergäriges Lager- und Sommerbier von eher dunklerer Farbe. Es war Michael Schottenhamel, der Begründer der Schottenhamel-Dynastie auf dem Oktoberfest, der diese Biertradition auf der Wiesn drastisch änderte.

Weil der Sommer im Jahre 1872 außergewöhnlich heiß war, ging das für die Wiesn reservierte Bier vorzeitig aus. Schottenhamel besann sich auf eine Neuheit aus dem Hause Franziskaner-Leistbräu: Dort war ein Jahr zuvor erstmals ein Bier nach Wiener Vorbild gebraut worden - ein Winterbier, das aus Haltbarkeitsgründen jedoch wesentlich stärker eingebraut worden war.

Neben diesem helleren Bier, einem sogenanntes Märzen, wurden noch andere Sorten angeboten: ein Bockbier zum Beispiel und sogar Pils. Das Märzen setzte sich im Laufe der Zeit als Oktoberfestbier durch. Erst nach 1950 sollte es einem Edelhell, auch Edelstoff genannt, weichen, das dem Geschmack der Wiesnbesucher mehr entsprach.

Carl Linde hatte 1873 seine Kältemaschine erfunden und so den Brauereien ganzjährige Bierherstellung ermöglicht. Wer von ihnen mit der Zeit ging und sich die technischen Neuerungen leisten konnte, überlebte. Wer nicht, ging ein oder wurde übernommen. Es bildeten sich regelrechte Großbrauereien, deren Macht und Einfluss sich auch auf der Wiesn zeigte.

Aufgrund ihrer Kapitalstärke traten sie zunehmend an die Stelle der Wirte und gaben nun, von 1895 an, abbaubare Festburgen für rund 1000 Gäste in Auftrag, die von namhaften Architekten im alpenländischen Stil errichtet wurden. Diese Festbauten durften sie zunächst außerhalb des Wirtsbudenrings aufstellen - die Festburg "Winzerer Fähndl" war die erste ihrer Art. Die neue Schottenhamel-Festhalle mit 1500 Pläzzen wurde nur zwei Jahre später nach den Plänen Gabriel von Seidls errichtet.

Zum 100. Jubiläum der Wiesn 1910 waren aus den 18 ringförmig angeordneten Wirtsbuden sechs Brauerei-Festhallen mit einer Grundfläche von 1000 Quadratmetern geworden. Weitere vier dieser Brauereihallen standen außerhalb des Rings, an der Schützenstraße der Festwiese: die "Bräurosl" des Pschorrbräus, das "Winzerer Fähndl" des Thomasbräus, die "Langbude" von Augustiner und das "Schottenhamel" der Leistbrauerei.

Ein Fest des Münchner Bieres

1913 baute die Pschorr-Brauerei das erste Riesenzelt: die "Bräurosl" auf 10500 Quadratmetern, das erste Riesenzelt mit 12000 Sitzplätzen. Sie ist noch heute das größte Zelt auf dem Oktoberfest. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Münchner Brauereien endgültig alleiniger Ansprechpartner der Stadt. 1928 waren auf dem Oktoberfest neun Brauereien vertreten, 1952 waren es nur sechs: Augustiner, Hacker, Löwenbräu, Paulaner-Salvator-Thomasbräu, Pschorr und der erstmals zugelassene Staatliche Hofbräu.

Im selben Jahr forderte der Verein Münchner Brauereien, nur seine Mitglieder zum Oktoberfest zuzulassen. Zunächst hatte die Stadt Bedenken, stimmte der Erklärung aber schließlich zu. Sie gab auch nach, als der Verein in den achtziger Jahren die Betriebsvorschriften für das Oktoberfest noch einmal ergänzt haben wollte - um den Zusatz, dass nur Münchner "Traditions"-Brauereien ihr Bier auf der Wiesn ausschenken dürfen.

Schuld daran war ausgerechnet ein Nachfahre König Ludwigs I.: Prinz Luitpold. Er wollte sich mit seiner Kaltenberg-Brauerei auf der Wiesn etablieren. Dafür hatte er sich im Bamberger Haus am Schwabinger Luitpoldpark eine kleine Hausbrauerei eingerichtet, um dort "Münchner Bier" zu brauen. Selbst als er sich die Zulassung zum Oktoberfest gerichtlich erstreiten wollte, hatte er keine Chance: Seine Klage wurde abgewiesen. Die Wiesn sei ein Fest des Münchner Biers, so die Begründung des Gerichts.

Inwieweit dies heute zutrifft, ist eine heftig debattierte Frage. Löwenbräu, Spaten und Franziskaner sind komplett in der größten Brauereigruppe der Welt aufgegangen, in der brasilianisch-amerikanisch-belgischen Anheuser-Busch-Inbev. Ihren Brauereistandort in der Maxvorstadt will sie spätestens 2015 verlassen - ob in Richtung Langwied, wie ursprünglich geplant, ist ungewiss.

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