Oberschleißheim:Gutenbergs Jünger

Gautschfeier;  Schreiner Group, Oberschleißheim

Der Oberkörper von Jürgen Quagliotto wird von vier anderen immer wieder tief nach unten in den Kessel getaucht.

(Foto: Florian Peljak)

Druckernachwuchs erlebt Gautschfeier bei Schreiner Group

Von Korbinian Eisenberger, Oberschleißheim

Mit Holzblöcken, Druckplatten oder Stempeln wie einst Buchdruck-Erfinder Johannes Gutenberg wird heute meist nur noch in Museen hantiert. Frisch ausgebildete Drucker sind eher darin geübt, Maschinen zu bedienen, das Druckbild zu überprüfen, und Papier einzuspannen. Von den Zeiten, in denen Drucklettern einzeln von Hand gegossen wurden, ist wenig übrig geblieben. Bewahrt ist die Erinnerung in staubigen Büchern. Nur ein uraltes Ritual, das hat sich bis heute gehalten: Bei der Gautschfeier zum Abschluss der Druckerausbildung müssen die fertigen Lehrlinge ihre letzte Prüfung noch immer nach einer fast 500 Jahre alten Tradition bestehen.

Dass Gautschen, zumindest für die Zuschauer, ein unterhaltsames Spektakel sein kann, führte das Oberschleißheimer Unternehmen "Schreiner Group" am Freitag vor. Unter Trommelschlägen marschierten die Nachwuchsdrucker mit Gautschmeister Dieter Eckhardt zu einer gemeinschaftlichen Zeremonie im Hof des Betriebs auf. Eckhardt, Leiter der Weiterverarbeitung, gautscht den Nachwuchs dort seit vielen Jahren. Um die sechs Männer und eine junge Frau - wie es heißt - "von ihren Sünden der Lehrzeit reinzuwaschen", tauchte er sie vor versammelter Belegschaft nacheinander kopfüber in einen Wasserbottich - so verlangt es die Tradition. Ursprünglich bezeichnete man mit Gautschen den Entwässerungsschritt, nachdem der Drucker den frisch geschöpften Papierbogen vom Sieb auf eine Filzunterlage gelegt hatte. An die heutigen Arbeit an der Maschine erinnert das freilich kaum mehr.

Die 45-minütige Hofprozedur in Oberschleißheim sahen sich 900 amüsierte Mitarbeiter an. Mit Schadenfreude hat das - natürlich - nichts zu tun. Für die Schreiner Group symbolisiere das Gautschfest die "Anerkennung und Wertschätzung der Auszubildenden", heißt es. Die sieben Auszubildenden haben die Wertschätzung ihres Betriebs mittlerweile überstanden. Sie dürfen sich seit diesem Wochenende "Jünger Gutenbergs" nennen.

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