Oberschleißheim:Erfolgreicher Vermittler

Gemeinderatssitzung Oberschleißheim

Leidenschaften für spezielle Themen hat Rathauschef Christian Kuchlbauer noch nicht erkennen lassen.

(Foto: Florian Peljak)

Christian Kuchlbauer ist es gelungen, den Oberschleißheimer Gemeinderat zu befrieden. Ein echtes Profil hat er noch nicht

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Als Herrmann Schmid 1976 als Bürgermeister von Oberschleißheim startete, erfand er quasi den halben Ort neu, brachte den Schwung, den Elan und den frischen Geist der Siebzigerjahre in ein vertrocknetes Rathaus restlos überholten Charakters. Als Elisabeth Ziegler 1996 antrat, setzte sie grundlegende Neuerungen um, die über Jahre an einem immer mehr nach Gutsherrenart regierenden Vorgänger abgeprallt waren. 18 Jahre später weiß keiner mehr, wie viele Dienstaufsichtsbeschwerden und Protokollnotizen sich Ziegler in ihrem ersten Amtsjahr einfing, um damals revolutionäre Neuerungen wie das Ortsnachrichtenblatt oder das Kulturprogramm durchzuboxen.

Nun ist Christian Kuchlbauer seit 1. Mai ein Jahr im Amt. Irgendein Projekt, irgendein Ziel ließ sich noch nicht mit seiner Person verbinden. Er habe "nicht alles auf den Kopf gestellt", ordnet der Freie Wähler seinen Start ein, "Großprojekte lassen sich nicht von heute auf morgen lösen". Es sei allerdings "einiges im Fluss", versichert er. Bei den Daueraufgaben der Gemeinde wie den Ansätzen für eine Verkehrsentlastung, der Schaffung von Bauland oder der Ansiedlung von Gewerbe könne er "ein bisserl positiv beeinflussen", sieht Kuchlbauer seine Rolle, "eigene Nuancen einbringen". Viel laufe auch unbemerkt ab, wie etwa die Ertüchtigung gemeindeeigener Immobilien, wo es "einen Investitionsstau abzuarbeiten" gelte.

Die markanteste Veränderung, die sich bislang an seine Amtsführung knüpft, lässt sich nicht in Zahlen oder Spiegelstriche fassen, sondern ist ein Gefühl: Die Fronten im Gemeinderat zu befrieden, den 20 Jahre andauernden Kleinkrieg aller gegen alle zu beenden, das ist Kuchlbauer gelungen. Unter seinem Vorsitz arbeitet das Gremium kollegial und konstruktiv wie selten zuvor. "Es herrscht eine sehr gelöste Stimmung im Gemeinderat", freut sich der Bürgermeister, "es wird auch mal gelacht."

Was auch daran liegt, dass der Mann an der Spitze alle Themen seines ersten Jahres völlig emotionslos abgearbeitet hat. Wo Schmid und Ziegler im Zweifel immer ihre Bataillone hinter sich scharten, um bei Herzensangelegenheiten auf purer Machtbasis durchzuregieren, da hat Kuchlbauer noch keine speziellen Leidenschaften erkennen lassen. Manchmal stimmt er allein gegen den gesamten Gemeinderat wie bei der Zurückweisung des Deals zur Hubschrauberansiedlung, mal lässt er sich vom Gemeinderat mitziehen und stimmt dann auch schon mal gegen die Vorschläge, die seine eigene Verwaltung vorgelegt hat, und da er der Chef dieser Verwaltung ist, damit gegen seine eigenen Pläne. "Das gehört zur Demokratie", findet er.

Dem Binnenklima im Gemeinderat hat diese Ideologiefreiheit zunächst mal gut getan. Auch seine Leutseligkeit ermöglicht eine andere Wahrnehmung des Rathauses als es zuletzt bei seiner oft abgehoben "regierenden" Vorgängerin rüberkam. Den Zugang zum Bürgermeister unter Kuchlbauers Ägide niederschwellig zu nennen, wäre noch untertrieben: Er ist ein Bürgermeister zum Anfassen, omnipräsent, mit einem Ohr für jeden, und duzen lässt er sich von allen. "Ich versuche, die Bürger einzubeziehen", ist sein Credo. Sein erstes Jahr hat Kuchlbauer ausgesprochen positiv erlebt. "Es macht Spaß und ist nach wie vor hochinteressant", findet der Versicherungskaufmann, "man kann etwas bewegen." Richtig geärgert habe ihn vor allem das Scheitern der Siegfried-Krimmer-Sozialstiftung, die wegen eines nicht aufgelösten Konflikts zwischen Stiftern und Rathaus im Kleingedruckten geplatzt war.

Wofür er jenseits der atmosphärischen Korrekturen aber inhaltlich steht, das hat Kuchlbauer in einem kompletten Jahr noch nicht andeuten können. Da hatte er zum Start über Wochen bei all den Vereinen, bei denen er ein und aus geht, geraunt, dass die Haushaltslage so katastrophal sei, dass man Abstriche auch bei den Vereinen vornehmen müsse. Seine Kämmerei hat dann einen Etatentwurf vorgelegt, in dem alle Vereinszuschüsse von den Schützen bis zur Altenhilfe pauschal um bis zu 20 Prozent rasiert waren. Der Gemeinderat lehnte dies einhellig als unnötig und nicht vertretbar ab - und dann stimmte auch der Bürgermeister ohne weitere Debatte achselzuckend gegen seinen eigenen Vorschlag, der damit wieder kassiert war.

Entsprechend fällt auch der Konkurrenz im Gemeinderat zur Jahresbilanz zu Inhalten wenig ein. Für die SPD rügt ihr Sprecher Florian Spirkl, dass die Information des Gemeinderats unter dem neuen Bürgermeister schlechter geworden sei. Für die CSU lobt ihre Fraktionsvorsitzende Gisela Kranz "eine Versachlichung der Diskussion im Gemeinderat" und damit "eine nicht zu unterschätzende Verbesserung in der Zusammenarbeit". Angesichts anstehender großer Aufgaben sei sie "zuversichtlich, dass wir fraktionsübergreifend zukunftsfähige Lösungen entwickeln können", da unter dem neuen Bürgermeister eben "Entscheidungen im Konsens herbeigeführt werden". Die Grünen bilanzieren, dass nach einem Jahr des neuen Bürgermeisters "Erwartungshaltungen definitiv noch nicht erfüllt werden konnten", wie ihre Sprecherin Ingrid Lindbüchl sagt. Es sei aber positiv, dass Kuchlbauer "guten Willens ist, mit jeder Fraktion zusammenzuarbeiten". Auch Lindbüchl mahnt freilich "öfter mehr Informationsfluss und Transparenz" an.

Die Ansiedlung der Tierärztlichen Fakultät der Uni, der Abwehrkampf gegen den Umzug der bayerischen Polizeihubschrauber, die Erschließung eines innerörtlichen Neubaugebiets, die Durchsetzung einer Umgehungsstraße und als Grundrauschen die allgegenwärtige Verkehrsproblematik und die Suche nach Gewerbeflächen - Themen für einen neuen Bürgermeister hat Oberschleißheim genug zu bieten.

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