Oberschleißheim:Ein Yankee an König Ludwigs Hof

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Kutschen und Kostüme vor der Kulisse des Neuen Schlosses. (Foto: Florian Peljak)

Zur Jagd- und Kutschengala kommen die Besucher in den ausgefallensten Kostümen

Von Julia Weller, Oberschleißheim

Als ihn das Gespann mit zwei stolzen Hengsten passiert, zückt der Mann im schwarzen Frack seinen Zylinder. Obwohl seine Uniform aus den Südstaaten der Bürgerkriegszeit stammt, passt er an diesem Sonntag perfekt in die Szenerie vor dem Neuen Schloss Schleißheim. Ungefähr 100 Pferde sind für die diesjährige Jagd- und Kutschengala im Einsatz, sie ziehen 20 historische Kutschen und tragen bis zu 150 Reiter. "Schon vor zweihundert Jahren hat sich die europäische Mode an die amerikanische angeglichen, genau wie heute auch", erzählt Klaus Haase, der Mann mit dem Zylinder. "Selbst König Ludwig hätte ich mit meinem Kostüm besucht."

Könige sind auf der prachtvollen Gala keine zu Gast, dafür aber eine große höfische Gesellschaft. In selbstgenähten Kleidern aus der Rokokozeit flanieren Marion Koch und Manuela Hock durch den Park. "Der reine Stoffwert eines Kleides liegt bei etwa 500 Euro", sagt Koch. Sie besitzt fünf oder sechs historische Kostüme, darunter auch eines im Stil von Kaiserin Sisi. "Wir gehen privat häufiger auf solche Events, ich tanze zum Beispiel auch auf Bällen", erzählt Hock.

Tanzen dürfen heute nur die Barockpferde, die auf dem Dressurplatz kunstvoll von Reiterinnen im Damensattel geführt werden. Seit zwei Jahren reitet Cristina Lenz vom Schleppjagdverein von Bayern ab und an als "Zusatzhobby" im Seitsitz. "Der Damensattel ist schwieriger zu reiten, weil man den rechten Schenkel durch die Gerte ersetzen muss", sagt sie, "aber er ist sehr elegant." Noch mehr Spaß macht Lenz die Schleppjagd mit Hundemeute, die am Nachmittag im Schlosspark zu sehen sein wird. "Das Jagdreiten ist ein richtiges Miteinander, da reitet man nicht wie beim Turnier gegeneinander an", sagt Lenz.

Im südlichen Teil des Parks geht es dagegen deutlich feindseliger zu: Dort versuchen sich historische Kavalleristen im Lanzenstechen. Der Probedurchlauf, im Schritt geritten, gelingt noch allen Teilnehmern fehlerfrei. In den Wertungsrunden wirbeln die langen Waffen dann gefährlich schnell durch die Hände der Reiter, nicht jeder Strohsack wird getroffen. "Die Lanze ist die Königin der Waffen", erklärt der Kommentator, "sie hat eine hohe Reichweite, benötigt aber auch viel Geschick."

Eine gemütlicheren Platz hat Ludwig Urban eingenommen, der hinter zwei prächtigen Rappen auf dem Kutschbock seines ungarischen Esterhazy-Jagdwagens sitzt. Vor drei Jahren hat Urban mit einem anderen Gespann den zweiten Platz im Traditionswettbewerb gewonnen, der jedes Jahr den Höhepunkt der Kutschengala darstellt. "In erster Linie fahre ich aber aus Spaß mit. Die Kulisse hier ist ein echter Traum", schwärmt der Rentner im Hirtenkostüm.

Auch Dieter Rügemer, Vorstandsmitglied beim Bayerischen Reit- und Fahrverband, schwärmt von der Schlossanlage in Schleißheim. "Zum 850-jährigen Jubiläum der Stadt München sollten sich 2008 alle Vereine beteiligen, aber wir konnten ja schlecht ein Springturnier auf dem Marienplatz abhalten." Zunächst hatte der Verband die Idee, seine Kutschen auf dem Altstadtring fahren zu lassen, doch das wäre zu gefährlich gewesen. Gegen eine Gala bei Schloss Nymphenburg gab es Widerstand. "Der englische Garten wurde uns angeboten, aber unter den Nackerten wollten wir nicht fahren", erzählt Rügemer. Also fiel die Wahl auf Schleißheim. "Wir bieten dem Nischensport hier eine tolle Bühne, um den Besuchern die eigene Tradition näher zu bringen", sagt Rügemer. Auch wenn die bisweilen von Ebay stammt, so wie das Südstaaten-Outfit von Klaus Haase. Da prallen eben Vergangenheit und Moderne aufeinander.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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