Oberschleißheim:Ein Mosaik zum Verweilen

Jonas und der Wal: In einem Altenheim für ehemals obdachlose Männer erschaffen die Bewohner und eine Kunsttherapeutin ein Symbol für das Leben in St. Benno: so viel Freiheit wie möglich, so viel Geborgenheit wie nötig

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Die biblische Geschichte von Jonas und dem Wal, der ihn verschluckt, ist dort eine Angelegenheit zwischen dem Propheten Jonas und seinem Gott. Gelesen werden könnte sie aber auch als Geschichte zwischen Jonas und dem Wal, der ihn verschluckt und damit auf hoher See in Sicherheit bringt, ihn birgt und schließlich an ein neues Ziel bringt. In diesem Sinne gesehen fand die Kunsttherapeutin Inge Jakobsen in der Geschichte ein Symbol für das Oberschleißheimer Haus St. Benno - und so initiierte sie dort das Projekt, Jonas und den Wal in einem Mosaik zu verewigen.

Oberschleißheim: Sichtlich stolz: Franz Geiler und einige seiner Mitbewohner haben die Wal-Bank geschaffen.

Sichtlich stolz: Franz Geiler und einige seiner Mitbewohner haben die Wal-Bank geschaffen.

(Foto: Robert Haas)

Entstanden ist daraus in mehrmonatiger Arbeit nun eine Sitzbank, die das biblische Motiv in Mosaiktechnik abbildet. In liebevollen Details wie einem Muschelteppich am Fuß der Bank und farbenfroh wird der Wal abgebildet. Vor dem Ausgang des Speisesaals bildet es die Zierde der Terrasse - und ist zum Symbol für die Einrichtung von St. Benno geworden.

"Die Geschichte hat mich immer schon begeistert", schildert Jakobsen ihre Idee, "und sie passt zum Haus." St. Benno, ein Altenheim für ehemals Obdachlose, versteht sich wie der Bauch des Wales als Schutzraum, der die älteren Menschen nur birgt. "Jonas hat die Chance gekriegt, alles zu überdenken in seinem Schutzraum", spinnt Jakobsen die Analogie weiter. Und auch das Haus St. Benno ist ein reiner äußerer Rahmen, der seine Bewohner nach ihrer Fasson leben lässt. Süchte, die viele der ehemals Obdachlosen mitbringen, werden dort nicht therapiert, sondern lediglich sozialverträglich abgefedert. Die Würde des Individuums ist das zentrale Leitbild der Einrichtung des Katholischen Männerfürsorgevereins.

Oberschleißheim: Die etwas andere Bank aus Mosaiken steht nun vor dem Haus St. Benno, einer Einrichtung für ehemals obdachlose Männer, in Oberschleißheim .

Die etwas andere Bank aus Mosaiken steht nun vor dem Haus St. Benno, einer Einrichtung für ehemals obdachlose Männer, in Oberschleißheim .

(Foto: Robert Haas)

Diese Besonderheit ist auch ein prägendes Merkmal für die Kunsttherapie im Haus, die Inge Jakobsen seit dem Jahr 2011 anbietet. "Jeder Mensch ist individuell", sagt sie, "aber die Leute im Haus erst recht". Auf der Straße sind die Männer zumeist gelandet, weil sie sich eben Gruppenbedürfnissen nicht anpassen wollten oder konnten, und das Leben auf der Straße hat die Sozialfähigkeit noch reduziert. Da ist sich Jakobsen sicher.

"Gruppenkurse sind hier überhaupt nicht denkbar", weiß die Kunsttherapeutin. So habe einer der wesentlichen Mitgestalter an der Jonas-Bank dann beispielsweise auch die Einweihung geschwänzt, weil ihm dort zu viele Leute gewesen seien.

Überwiegend gestaltet Inge Jakobsen daher individuelle Stunden für die Bewohner von St. Benno. Mit Franz Armbrüster hat sie dabei in den vergangenen Wochen immer wieder Wellen gemalt; die Ergebnisse dieser fantasievollen Beschäftigung sind derzeit ebenfalls im Haus ausgestellt. Hausleiterin Angelika Harrer hat die Kunsttherapie vor vier Jahren in die Einrichtung geholt, um auch auf die kreativen Fertigkeiten der Bewohner einzugehen.

Mehrere Monate lang haben Bewohner des Hauses nun an der neuen Skulptur gewerkelt. Engagiertester Gestalter war Franz Geiler, der vor seinem Leben auf der Straße Fliesenleger gewesen war und so grundlegende Fertigkeiten mitbrachte. Hubert Bolach gehörte ebenso zu den regelmäßig beteiligten Künstlern, weiter wirkten mit Franz Armbrüster, Manfred Hackl, Wolfgang Stache und Peter Wanner. Das benachbarte Fliesengeschäft Franzke spendierte dem Haus St. Benno das Material und unterstützte die Künstler mit technischer Beratung. Herausgekommen ist eine Bank, die nicht nur schön anzusehen ist, sondern auf der es sich ebenfalls gut sitzen lässt. Auf dem Wal, versteht sich - aber eben auch in Sicherheit an einen neuen Ort. Ganz wie bei Jonas.

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