Oberschleißheim:Die Düsentriebs aus Oberschleißheim

Dank einer ausgeprägten Innovations-Kultur blickt die Schreiner Group zum 65-jährigen Bestehen auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Als Meilenstein gilt der Umzug in den Norden von München

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Die Maschine in diesem Hochsicherheitstrakt hat wohl Daniel Düsentrieb entworfen. Wie sich da das Folienband mit den Hunderten immer gleichen Etiketten mit Plastiknippel dran um immer noch eine Rolle windet, die sich an langen Stangen in beliebigen Größen scheinbar planlos über die Front verteilen, wie die Folie hier hinter einer Abdeckung verschwindet, da wieder auftaucht, ein Zahnrad hier, ein Leuchtknopf da - irgendwo müsste doch jetzt wie im Comic das Helferlein ölverschmiert aus einer Nische hervorlugen. Und in der Tat ist das schrankwandgroße Gerät eine mindestens so eigene Kreation wie die Düsentrieb'schen Wunderwerke in den "Micky-Maus"-Geschichten.

Nicht nur die mit ihr hergestellte "Needle Trap" ist ein Patent der Schreiner Group - auch die dazu nötige Maschine hat das Unternehmen kreiert, sie arbeitet als Unikat hier, im ersten Obergeschoss von Gebäude 2 des Schreiner-Betriebsgeländes in Oberschleißheim.

"Needle Trap" ist so banal, dass es verblüfft, wie es dazu ein Patent, eine eigene Maschinenkonstruktion und ein Prozess-Center über eine gesamte Etage zur Herstellung brauchen kann. In dem Etikett zur Inhaltsangabe, das auf vorgefüllte medizinische Spritzen gepappt wird, ist ein Nadelschutzkäppchen integriert, das nach der Injektion die Nadel sichert und so Stichverletzungen vorbeugt. 500 Millionen "Nadelfallen" hat das Unternehmen nach eigenen Angaben verkauft. Es gilt der Grundsatz jeder Innovation: erst mal draufkommen.

Oberschleißheim: Die so genannte Needle Trap ist eine der Entwicklungen der Schreiner Group.

Die so genannte Needle Trap ist eine der Entwicklungen der Schreiner Group.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

"Innovativ seit 65 Jahren" hat die Schreiner Group über ihr Jubiläumsheftchen als Slogan geschrieben. Bei den Tagen der offenen Tür am Wochenende, als sich der Betrieb erstmals bis hinein in die hochsensiblen Schutzzonen präsentierte, war einer der beiden Rundgänge - zu den Düsentrieb'schen Maschinen - als Technik-Tour betitelt, die andere als Innovationstour. Von den Siegelmarken, die Theodor Schreiner 1951 in seiner Garage in München-Laim prägte, war es eine weite Innovationstour bis zum auf drei Kontinenten operierenden Unternehmen mit 1100 Mitarbeitern und 170 Millionen Euro Jahresumsatz.

Als "historisch bedeutsamstes Jahr" in der 65-jährigen Geschichte, die jetzt seit 2016 ein Jahr lang gefeiert wird, wertet Roland Schreiner, Enkel des Firmengründers und Geschäftsführer seit 2012, das Jahr 1993 mit dem Umzug nach Oberschleißheim. Und das erzählt er nicht nur der Lokalzeitung, um den Lokalpatriotismus einer Gemeinde zu bedienen, die gewerbetechnisch jenseits von Schreiner eher nicht Champions League gewohnt ist; diese Einschätzung ist Fundament der Unternehmenschronik in den Marketingheftchen des Jubiläums. Für Roland Schreiner symbolisiert der damalige Schritt seines Vaters Helmut, Chef des Hauses von 1974 bis 2012, den Ausgriff vom lokalen Dienstleister für Kleinaufträge zum weltweiten Partner für die technische Industrie. Heute arbeiten 1100 Menschen für Schreiner, mehr als 1000 alleine in Oberschleißheim - Beschäftigte aus 40 Nationen - und ganze 64 Schreiner-Mitarbeiter leben in Oberschleißheim.

Oberschleißheim: Die Schreiner Group gewährte bei einem Tag der offenen Tür Einblick in ihre Produktionsstätte in Oberschleißheim.

Die Schreiner Group gewährte bei einem Tag der offenen Tür Einblick in ihre Produktionsstätte in Oberschleißheim.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

46 000 Produktlieferungen gehen nun jährlich von Oberschleißheim aus in die Welt, 68 Prozent davon werden außerhalb Deutschlands zugestellt. 1500 Kunden bedient Schreiner, 20 000 Produktionsaufträge werden bearbeitet. 4500 Artikel hat das Unternehmen im Portfolio, mit Untervarianten sind es 12 000: Die jährlich produzierten Etiketten würden sich 126 000 Kilometer lang aufrollen und folglich dreimal um den Äquator reichen, locker geschnürt. Einige Etagen werden aber selbst bei der exklusiven Öffnung ausgespart, Gebäude zwei, zweiter Stock etwa. Schreiner PrinTrust erstellt dort amtliche Plaketten für Behörden oder Kommunen, "das bedeutet Anforderungen an die Sicherheit wie beim Gelddrucken", begründet Jürgen Mack die Lücken im Rundgang am Tag der offenen Tür.

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