Oberschleißheim:Beflügelt

Oberschleißheim: Siegfried Ziegler war einst selbst Pilot. Jetzt führt er dirch die Schleißheimer Flugwerft.

Siegfried Ziegler war einst selbst Pilot. Jetzt führt er dirch die Schleißheimer Flugwerft.

(Foto: Robert Haas)

Das Museum in der Schleißheimer Flugwerft beherbergt einen Querschnitt durch die Geschichte des Fliegens. Siegfried Ziegler war Pilot und noch immer schwärmt er von Flugzeugen. Ein lehrreicher Rundgang

Von Markus Mayr, Oberschleißheim

Er hält seine Leidenschaft in Händen, während der gesamten drei Stunden: ein Stück Tragfläche, zehn Zentimeter breit und 30 lang, olivgrün. Siegfried Ziegler ist begeistert vom Fliegen und der Technik, die es möglich macht. Ein gutes Dutzend interessierte Besucher führt der 73-Jährige an einem diesigen Vormittag durch die Schleißheimer Flugwerft. Er teilt mit ihnen sein Wissen über die militärische Fliegerei in Bayern, die der König 1912 in Schleißheim begründete. Er schwärmt von der motorisierten Fliegerei, und Flugzeugklassiker stellt er vor, als ob es seine eigenen Kinder wären.

Der Wind bläst über das Flugfeld an diesem Vormittag. Der graue Himmel könnte jederzeit feinen Strippenregen niedergehen lassen. Die Zuhörer stehen an der Rückseite der alten Werft. In ihr zeigt das Deutsche Museum seit Anfang der 90er Jahre Exponate der Luftfahrt. "Tolle Flugzeuge", wie Ziegler sagt. Gebaut wurde die Werft gegen Ende des ersten Weltkriegs, um Flugzeuge zu reparieren und zu warten. Auf der anderen Seite des Flugfelds sind neben verfallenen Hallen restaurierte Hangars zu erkennen. Noch heute beherbergen sie sechs Flieger-Clubs. Doch bei dem grausigen Wetter fliegt niemand. Vor hundert Jahren wären sie schon geflogen. War es doch das Militär, das den Flughafen zuerst nutzte. Krieg kennt kein schlechtes Wetter. "Für die motorisierte Luftfahrt war Schleißheim wichtig", sagte Ziegler. Um dem Gegner technisch überlegen zu sein, trieb das Militär die Entwicklung voran.

Vor 100 Jahren war das noch Pflicht: Starten und landen auf jeden Fall gegen den Wind, erklärt Ziegler. Seitenwind hätten die Flugzeuge damals bei diesen Manövern nicht vertragen. Wer sich das dürre, mit Leinen bespannte Holzgerippe des sogenannten Otto-Doppeldeckers ansieht, der glaubt das aufs Wort. Diese Flugzeuge, die zur Erstausstattung der 1912 gegründeten und in Oberschleißheim stationierten königlich-bayerischen Fliegertruppe gehörten, stammten aus dem Maschinenwerk von Gustav Otto. Sie hatten den Motor - den Ottos Vater rund ein halbes Jahrhundert früher erfunden hat - hinten, wie der VW Käfer. In der Evolution der Propellermaschinen rückte der Motor dann aber in die Nase des Flugzeugs, wie der Gang durch das Museum lehrt.

Dass es damals einen Flugplatz brauchte, und dass er nach Schleißheim kam, dafür gab es mehrere Gründe . Zum einen lag es an der Trotzigkeit der Bayern. Die preußische Armee verfügte schon seit etlichen Jahrzehnten über eine Luftwaffe. "Was die Preußen hatten, das wollten die Bayern auch", flachst Ziegler. Für den Standort Schleißheim sprach dann vor allem, dass hier schon militärische Einheiten kaserniert waren. Zudem war die 70 Hektar große Fläche eben und an die Bahnstrecke nach München angebunden. Der 73-Jährige findet sich an diesem Ort, der Wiege der bayerischen Luftwaffe, spielend zurecht. Es scheint sein zweites Wohnzimmer zu sein. Ohne die Hilfe von Notizen erklärt er Flugzeuge und Motoren, Technik und Bewaffnung: zum Beispiel die der Fokker D 11, die mit zwei Maschinengewehren gleichzeitig durch den eigenen Propeller feuern konnte - so exakt waren Rotor und Schussfrequenz aufeinander abgestimmt. Als das Thema Aerodynamik zur Sprache kommt, setzt er zum Erklären der Luftströmung sein mitgebrachtes Tragflächenteil ein - um es anschließend wieder einfach nur in Händen zu halten.

In seiner aktiven Fliegerzeit hat Ziegler mehr als 10 000 Stunden zwischen zwei Tragflächen oder unter einem Rotor verbracht. Flugzeuge und Hubschrauber steuerte er von Mitte der 60er bis Mitte der 70er Jahre für die Bundeswehr. Er sei viel im Gebirge geflogen, erzählt der Hauptmann außer Dienst, die ein oder andere brenzlige Situation habe es da schon gegeben. Seine Frau war sicherlich froh, dass er nie den sogenannten Starfighter fliegen musste. Der hatte sich aufgrund der hohen Absturzquote den Namen "Witwenmacher" eingefangen.

Das Jagdflugzeug amerikanischer Machart steht in der letzten Museumshalle, neben anderen Hightech-Flugzeugen. Zwischen dem Otto-Doppeldecker und dem Starfighter liegt die Geschichte der motorisierten Luftfahrt - und stehen eine Menge faszinierender Flugmaschinen. Bis Ende November kämen noch zwölf dazu, wie der Leiter der Werft, Gerhard Filchner, sagt. "Interessante Stücke" aus dem Deutschen Museum in München, die man der Öffentlichkeit während des dortigen Umbaus nicht vorenthalten wolle.

Das Flugzeug Marke Eigenbau von Familie Wagner aus der DDR steht schon Jahre in Schleißheim. Der Vater der Familie baute es heimlich für die Republikflucht. Doch die DDR-Staatssicherheit vereitelte das Unterfangen. Das Herzstück der Maschine ist ein sächsischer Zweirad-Motor. Unweit vom Wagner-Flieger steht ein Langsamflieger, der deshalb wie ein Sack landen kann und dafür nur 30 Meter Bahn benötigt.

In der Halle mit den hochmodernen Flugzeugen, die mit Gasturbinen statt mit Propellern fliegen, überragt ein riesiger Senkrechtstarter alles um sich herum. Der pensionierte Flieger erklärt, dass damals die Vision gewesen sei, für Verkehrsflüge Senkrechtstarter heranzuziehen. Da sie keine platzintensive Start- und Landebahn benötigen. Aus dem Hauptbahnhof in der Innenstadt hätte der Passagier direkt ins Flugzeug steigen können. Weil diese Maschinen aber Unmengen an Treibstoff verbrauchten, verwarfen die Entwickler die Idee.

Ziegler könnte noch stundenlang weitererzählen, er ist schier nicht zu bremsen. Wer so viele tausend Stunden in der Luft zugebracht hat wie er, dem fehlt das Fliegen ganz bestimmt. Da ist es sicherlich wohltuend, bisweilen zwischen Flugzeugen umherzustreifen.

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