Oberschleißheim:Auf Schatzsuche

Oberschleißheim: Das Ambiente im Schloss Schleißheim gehört sicher zu den schönsten im Freistaat.

Das Ambiente im Schloss Schleißheim gehört sicher zu den schönsten im Freistaat.

(Foto: Robert Haas)

Wo sich das Einfache mitunter als kostbar erweist und das vordergründig Protzige als wertlos: Besuch bei den Dreharbeiten zur BR-Kultserie "Kunst & Krempel" im Schloss Schleißheim.

Von Franziska Gerlach, Oberschleißheim

Ein Mann wie ein Fels, so hat er sich in Pose geworfen. Mit Kühnheit im Blick und Wanderstock in der Hand, deutlich hebt sich die muskulöse Schulter in dem kleinen Gemälde vor dem grauen Felsmassiv ab. Doch Luis Trenker vor laufender Kamera einfach nur mit einem Berg zu vergleichen, das war Hans Ottomeyer und Herbert Giese freilich zu profan. Stattdessen erklärten die Kunstexperten einer Frau mit roter Brille, Trenkers Enkelin, die Herkunft des Bildes, liefern Informationen zum Künstler und wie gelungen sie die Komposition des bekannten Bergsteigers vor der grauen Steinwand finden:

Das sei quasi ein Mann innerhalb eines Felsens, die dem Tiroler Maler Alfons Walde geglückt sei. Eine Summe wird genannt, die Enkelin des weltbekannten Bergsteigers lächelt.

Zweimal im Jahr dreht der BR "Kunst und Krempel" an historischen Orten

Dann folgt das nächste Gemälde, die nächste Expertise. Dass die Besitzer mit ihrem Familienschatz nicht mehr zu den Experten an den Beratungstisch treten müssen, sondern die Experten sich zu ihnen an die Tische setzen, das ist neu bei "Kunst & Krempel". Ansonsten funktioniert die Sendereihe des Bayerischen Rundfunks auch beim Dreh im Schloss Schleißheim nach dem altbewährten Prinzip: Menschen erzählen die mitunter kuriose Geschichte ihres Familienschatzes - Schmuck, Bilder, Designobjekte, aber auch Möbel, Skulpturen und Uniformen - vor der Kamera und erhalten eine Expertise.

Auf diese Weise wurden sogar schon verschollen geglaubte Gemälde entdeckt, etwa ein Eduard Gaertner, geschätzter Wert: 500 000 Euro. Giese und Ottomeyer treten seit vielen Jahren als Duo auf, Giese ist ein renommierter Kunsthändler aus Wien, Ottomeyer war bis 2011 Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin und davor auch für das Münchner Stadtmuseum tätig.

Oberschleißheim: Die Dreharbeiten in Oberschleißheim dauerten insgesamt vier Tage, das dort aufgenommene Material wird am kommenden Samstag, 9. Juli, ausgestrahlt.

Die Dreharbeiten in Oberschleißheim dauerten insgesamt vier Tage, das dort aufgenommene Material wird am kommenden Samstag, 9. Juli, ausgestrahlt.

(Foto: Robert Haas)

Zwei Mal pro Jahr wird "Kunst und Krempel" an einem anderen historischen Ort aufgezeichnet. Die Dreharbeiten in Oberschleißheim dauerten insgesamt vier Tage, das dort aufgenommene Material wird jetzt am kommenden Samstag, 9. Juli, ausgestrahlt. Vor die Kamera darf freilich nicht jedes Bild, das wäre zu aufwendig. An diesem Tag wählen Ottomeyer und Giese aber immerhin 22 von 75 Kunstwerken für den Dreh aus.

Vom 16. Jahrhundert bis Oskar Schlemmer ist alles dabei

Die Prozedur erinnert ein wenig an die aufgeregte Stimmung einer Zeugnisvergabe, nur dass hier eben Kunstexperten statt Lehrer das Urteil fällen. Eine 79 Jahre alte Münchnerin hat sich extra hübsch gemacht, das graue Haar hat sie ordentlich zusammen gesteckt, die Lippen hat sie pink geschminkt. Ihren Namen möchte sie nicht verraten. Sie hat Angst, jemand könne aus der Zeitung von ihrem Kunstschatz erfahren. Denn von dessen Wert ist sie überzeugt.

Oberschleißheim: Zweimal im Jahr wird "Kunst & Krempel" an einem historischen Ort aufgezeichnet.

Zweimal im Jahr wird "Kunst & Krempel" an einem historischen Ort aufgezeichnet.

(Foto: Robert Haas)

Als sie das Bild vor drei Jahrzehnten erstanden habe, sei sie sogleich von diesem kaukasischen Landschaftsgemälde fasziniert gewesen, der grüne Fluss, die Tiefe der Schlucht, die am Ufer grasenden Pferde. Giese findet es ebenfalls interessant, es ist ein Bild mit einer Geschichte und soll daher ins Fernsehen. Andere, wie Chris Pott, haben weniger Glück. An der Wirtshausszene des Münchner Malers Fritz Wagner, den er für einen Bekannten schätzen lassen will, halten sich Ottomeyer und Giese nicht lange auf. Enttäuscht? "Nö", sagt er. "Eine Beratung folgt ja trotzdem."

Die Ausbeute in Oberschleißheim umfasst mehrere Jahrhunderte, vom späten 16. Jahrhundert bis hin zu Oskar Schlemmer ist alles dabei.

Der heimliche Star aber ist der kleine Walde mit dem großen Bergsteiger. Wenige Minuten vor der Aufzeichnung sitzt dessen eigens aus Südtirol angereiste Enkelin Notburga Trenker mit den anderen Besitzern im Großen Saal des Schlosses unterm Deckenfresko und ist aufgeregt. Auf dem Boden sind Kabel festgeklebt, fünf Kameras halten auf die Menschen an den Bistrotischen zu, manche von ihnen wiegen ihre Gemälde wie Babys im Arm, eingeschlagen in Bettlaken. Eine Maskenbildnerin tupft noch eben Puder auf Wangen und Stirn, damit im gleißenden Licht der Scheinwerfer bei der Aufzeichnung nichts glänzt.

Die Enkelin von Luis Trenker lässt ein Bild ihres Großvaters schätzen

Eine Ahnung, wie viel das Bild wert sein könnte, hat Notburga Trenker nicht. Sie dreht es um, ihr Großvater Luis Trenker hat es ihrem Vater 1982 geschenkt, "Pa Luis", hat der Bergsteiger auf der Rückseite mit Filzstift geschrieben. Trenker und Walde, der Bergsteiger und der Maler, waren befreundet, so viel weiß die Frau mit den kurzen Haaren und der roten Brille schon. Ihr heute 82 Jahre alter Vater, der bettlägerig sei, habe als Kind sogar in Waldes Werkstatt zwischen den Rahmen gespielt.

Nun will sie das Bild schätzen lassen. Vor allem interessiert sie, ob der Hintergrund vielleicht erst später hinzugefügt wurde und das Bild von ihrem Großvater auf diese Weise zu einem Buchcover umfunktioniert? Sie habe nämlich im Internet eines seiner Bücher entdeckt, dessen Umschlag so ähnlich ausgesehen habe. Ganz falsch liegt sie mit ihrer Vermutung nicht. Doch wie das eben manchmal so ist bei "Kunst & Krempel", wo sich das Einfache als Schatz erweist und das vordergründig Protzige als wertlos, ist am Ende doch alles ganz anders: Walde habe seinen Freund Trenker damals, in den Dreißigerjahren, wohl ganz bewusst für das Cover seines Buches gemalt, meinen die Experten. Und das ist mittlerweile ein kleines Vermögen wert. "Der Markt ist verrückt nach Walde", erläuterte Giese Luis Trenkers Enkelin. Auf einer Auktion könne sie sicherlich 40 000 bis 50 000 Euro für das Bild erzielen.

Oberschleißheim: Der heimliche Star ist der kleine Walde mit dem großen Bergsteiger.

Der heimliche Star ist der kleine Walde mit dem großen Bergsteiger.

(Foto: Robert Haas)

So viel wird es bei Chris Pott sicher nicht werden. Seine Expertise hat er erhalten - ohne Kamera. Jetzt sitzt er an der Bushaltestelle, den Fritz Wagner hat er vor sich abgestellt. Für 2000 bis 3000 Euro könne das Gemälde vielleicht verkauft werden, habe der Experte gemeint. Im Übrigen sei es nicht vom Rauch verdreckt, wie er bislang dachte, sondern nur etwas verstaubt. Mit Spucke und einem Tempo lasse sich das gut reinigen. Ein praktischer Ratschlag, den Pott sich da in Oberschleißheim geholt hat. Und in jedem Fall eine gute Erfahrung.

Die im Schloss Schleißheim aufgezeichnete Sendung "Kunst & Krempel" wird diesen Samstag, 9. Juli, auf 3sat (Beginn 14 Uhr), im Bayerischen Fernsehen (Beginn 19.30 Uhr) und auf ARD-alpha (Beginn 23.45 Uhr) gezeigt.

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