Oberhaching/Taufkirchen:"Uns bleibt nichts anderes übrig"

Landrat Göbel verteidigt die von ihm initiierte Lösung mit Traglufthallen als Notunterkünfte für Flüchtlinge. In Oberhaching hat sich der Widerstand dagegen gelegt - von Montag an ziehen bis zu 250 Menschen ein

Von Iris Hilberth, Oberhaching/Taufkirchen

Wie ein überdimensioniertes Iglu wölbt sich das ungewohnte Bauwerk über die sommerliche Taufkirchner Zirkuswiese. Von der Seite betrachtet könnte man auch meinen, ein Riese hätte sein Kopfkissen hier abgelegt. Die Kammern der im Sonnenlicht glänzenden Folie sind inzwischen prall mit Luft gefüllt und halten die weiße Kuppel neben dem bunten Zirkuszelt mit geringem Überdruck in Form. Die erste Traglufthalle für Asylbewerber im Landkreis München steht. Von kommenden Montag an sollen hier 250 Flüchtlinge vorübergehend unterkommen, bis dahin entstehen im Inneren Schlafkabinen für jeweils sechs Bewohner, Aufenthaltsflächen, Verpflegungsbereiche und Spielecken für Kinder. Betten, Tische und Spinde werden aufgestellt, Trennwände eingezogen und die bereits platzierten Sanitärcontainer angeschlossen. Es ist das Berliner Modell, das bislang nur in der Hauptstadt für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt wird. Im Landkreis München soll es an sechs weiteren Standorten den Notfallplan erfüllen.

Diese aufblasbare Lösung für ein schnelles Dach über den Köpfen von erwarteten etwa 2000 Flüchtlingen im Kreis bis Jahresende hatte Landrat Christoph Göbel während eines Besuchs in Berlin überzeugt. Und mit dieser Entscheidung erregt er zumindest so viel Aufmerksamkeit, dass Bayern offenbar jetzt auf das Hachinger Tal blickt. In Oberhaching und in Unterhaching beginnen demnächst die Vorarbeiten für Traglufthallen, im benachbarten Neubiberg sind bereits die Verankerungen in den Boden getrieben worden. Dem Bayerischen Rundfunk war diese Entwicklung immerhin eine Meldung in den Frühnachrichten wert. Wie Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) verriet, sprang er am Dienstag um halb sieben vor Schreck aus dem Bett, als die Stimme in seinem Radiowecker die Infoveranstaltung des Landratsamts im örtlichen Forstnersaal zu den Traglufthallen ankündigte.

Oberhaching/Taufkirchen: Sieht aus wie ein Schlafplatz für einen Riesen, bietet aber 250 Flüchtlingen eine vorübergehende Unterkunft: die Traglufthalle in Taufkirchen.

Sieht aus wie ein Schlafplatz für einen Riesen, bietet aber 250 Flüchtlingen eine vorübergehende Unterkunft: die Traglufthalle in Taufkirchen.

(Foto: Claus Schunk)

Für einen heißen Sommerabend war der Saal gut gefüllt, aber nicht überfüllt. Denn vorab hatte das Landratsamt bereits seine Standortwahl für Oberhaching bekannt gemacht: Das Gewerbegebiet am Bajuwarenring und nicht wie von Anwohnern heftig kritisiert und mit Unterschriftenaktion bekämpft am Further Bahnhof. Somit waren beim Forstner keine dieser Anwohner-Stimmen mehr zu vernehmen, die zuvor in einem Brief an die Gemeinde von "Überfremdung ", von "schadenstiftenden Gewohnheiten" gesprochen hatten. Es waren an diesem Abend vor allem diejenigen gekommen, die ihre Hilfe anboten, die wissen wollten, was sie tun können, damit ein Zusammenleben gut funktionieren kann. "Einen Aktionsplan" gebe es nicht, bremste Schelle manche Erwartung, "die größte Herausforderung ist die Flexibilität."

Dass nun die Traglufthalle ins Gewerbegebiet gestellt wird, "um den Weg des geringsten Widerstands aus der Bevölkerung zu gehen", wie ein Zuhörer vermutete, wies Schelle zurück. Allein die "Kanalsituation" habe bei der Entscheidung eine Rolle gespielt. Mit der Suche nach einem Areal für den "fliegenden Bau", der maximal zwölf Monate lange stehen soll, ist allerdings die Grundstückssuche für die Unterbringung von Asylbewerbern auch in Oberhaching nicht beendet. Denn die Traglufthallen, die der Kreis für 80 000 Euro im Monat gemietet hat, sollen lediglich solange als Übergangs-Herberge dienen, bis die festen Unterkünfte fertig sind. In Oberhaching wird ein derartiges Haus in Modulbauweise derzeit auf dem Gelände der Caritas neben dem Altenwohnheim St. Rita geplant. 47 Asylbewerber sollen hier etwa zur Jahreswende unterkommen, für weitere 150 sucht der Landkreis noch nach Möglichkeiten in der Gemeinde. Am 28. Juli wird sich der Gemeinderat noch einmal mit dieser Frage befassen und weitere Grundstücke zur Diskussion stellen. Laut Landrat sollen die Unterkünfte im Landkreis so gebaut werden, dass sie ins Ortsbild passen, einen Containerbau wie derzeit in Garching lehnt er ab. In Oberhaching wird das ob der Ortsgestaltungssatzung sicherlich keine leichte Aufgabe.

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Landrat Christoph Göbel (CSU) setzt auf Traglufthallen statt Turnhallen.

(Foto: Angelika Bardehle)

Welche Flüchtlinge aus den Traglufthallen anschließend auch im selben Ort unterkommen, vermag keiner zu sagen. Fest steht: Diese Hallen sollen verhindern, dass der Landkreis Sporthallen beschlagnahmen muss. "Die Bedingungen sind besser , die Traglufthallen dennoch eine echte Übergangs- und Notlösung", betonte der Landrat und sagte:"Die Menschen wollen endlich ankommen und Fuß fassen, sie sollen so schnell wie möglich in die Unterkünfte umziehen." Optimal sei diese Lösung in Hinblick auf Integration nicht, "doch uns bleibt nichts anderes übrig", sagte Göbel.

Wo immer der Landrat in diesen Tagen auch auftritt, um die Unterbringung der Asylbewerber zu erläutern: Integration steht im Mittelpunkt seiner Ausführungen. Denn ein Großteil der aufgenommenen Flüchtlinge im Landkreis kommt aus Ländern wie Nigeria, Afghanistan, Syrien und Eritrea und nicht aus den Balkan-Staaten. Göbel geht daher davon aus, dass 60 bis 90 Prozent bleiben dürfen.

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