Oberhaching:Wir gegen die da oben

Oberhaching, Urbs-Generationum, Wilderer Abend, Geschichten und Lieder über Jäger und Wildschützen in der Region,

Ruth Stark, Monika Waschin und Adi Stark erzählten und sangen von Wilderern und Jägern.

(Foto: Angelika Bardehle)

Ein Liederabend in Oberhaching feiert die Wilderer-Romantik

Von Christina Hertel, Oberhaching

Der Bayerische Hiasl ist so etwas wie der Robin Hood Bayerns. Er war ein Wilderer und Anführer einer Räuberbande, die das Erbeutete unter den Armen verteilte. Der Bayerische Hiasl wurde geliebt und gefürchtet, er war Volksheld und Verbrecher. Und wie das mit solchen Gestalten so ist, nahm es mit ihm kein gutes Ende. 1771 wurde er festgenommen und hingerichtet und zwar nicht irgendwie: Er wurde erdrosselt, zertrümmert, geköpft und gevierteilt. Bis heute lebt er aber weiter - in Geschichten, Anekdoten und Liedern. Und um genau die ging es beim Jäger- und Wildererlieder-Singen des Kulturvereins Oberhaching am Samstag.

Bis zu drei Jahre Gefängnis drohen heute bei Wilderei, im 19. Jahrhundert war sogar die Todesstrafe möglich. Trotzdem galten die Wilderer als bayerische Volkshelden. Die Jagd war ein Privileg der Reichen, aber was sollten die einfachen Leute tun, wenn sie Hunger hatten? Monika Waschin vom Kulturverein Oberhaching erzählt diese Geschichten. Schon im Frühling begann sie, alte Bücher zu wälzen und Texte, Gedichte und Lieder zusammenzustellen. Jetzt sitzt sie vor ihrem Publikum im Dirndl mit roter Schürze und liest mit einer Märchenstimme die alten Jagdgeschichten vor, vom Bayerischen Hiasl und vom Jennerwein. Hinter ihr stehen Adi und Ruth Stark, ebenfalls in Tracht. Er mit Geige, sie mit Akkordeon. Zwischen den Texten spielen sie, das Publikum singt mit: "Es war ein Schütz in seinen besten Jahren, er wurde weggeputzt von dieser Erd'. Man fand ihn erst am neunten Tage bei Tegernsee am Peißenberg." Das Jennerwein-Lied.

Sepp Riedl hat sich seinen Salzstreuer mitgebracht, vorsichtshalber. Es gibt Schmalzbrote. Riedl ist kein Jäger und auch sonst ist keiner da, der so aussieht, als ob er in seiner Freizeit auf einen Hochsitzsteigen würde. Doch dem gebürtigen Deisenhofener Riedl ist seine bayerische Heimat wichtig, ebenso wie Irmgard Schweiger, einer grauhaarige Dame gegenüber: "In Bayern sind meine Wurzeln. Und man muss sich schon damit beschäftigen, wo man herkommt."

Die Leute sind also hergekommen, um bayerische Geschichten zu hören, Volkslieder zu singen. "Da kommt der Wunsch der Menschen nach einer heilen Welt zum Ausdruck", sagt Irmgard Schweiger. "Und Musik ist heilend." Tatsächlich wirkt das Publikum beseelt, obwohl manche Geschichten ganz und gar nicht fröhlich sind. Zum Beispiel die vom Jennerwein. Er war arm, wurde Wilderer, jagte unerlaubt in den königlichen Wäldern um den Schliersee. Beim Volk war er beliebt, ein Weiberheld, einem Bier und einer Wirtshausrauferei nicht abgeneigt. Das brachte ihm nicht nur Freunde. Und so soll man ihn eines Tages in einer eigentümlichen Pose gefunden haben: Die rechte Zehe steckte im Abzug seines Gewehrs, der Unterkiefer war zerschmettert, ein Teil der Wange und des Schnurrbarts hingen in einer Fichte. Selbstmord? Nein -schnell war klar, dass sein Mörder, der Jäger Josef Pföderl, das nur vortäuschen wollte. In Jennerweins Rücken war ebenfalls eine Schusswunde. Pföderl bekam nur eine milde Strafe, wurde aber bis zu seinem Tod vom Volk verachtet. "Man sagt sogar, der Deifi hat ihn gholt", sagt Waschin.

Vom Jennerwein hat sie ein Bild mitgebracht. Er trägt Hut mit Gamsbart und hat einen Schnauzer. "Des war a feschs Mannsbild. Schauts a mal her", sagt sie und hält das Bild hoch. "Der ist den Gamsen und den Dirndln nachgstiegn." Es wird ein bisschen andächtig gemurmelt, ein bisschen "höhö" gemacht. Bei den Wilderergeschichten ging es immer um "wir" gegen "die da oben", die "armen Leut" gegen die "Reichen und Mächtigen". Und das gefällt - immer noch

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