Oberhaching:Widerstand im gallischen Dorf

Oberhaching pfeift auf Artikel 81 Absatz 1, Nummer vier der Bauordnung: Die Gemeinderäte lassen sich vom Landratsamt nicht alles vorschreiben.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Wir befinden uns im Jahre 2014 n. Chr. Der ganze Landkreis München wird von Verwaltungsmenschen aus der nahen großen Stadt dominiert. Der ganze Landkreis? Nein! Ein von unbeugsamen Oberbayern bewohntes Dorf hört nicht auf, Widerstand zu leisten. Den "Oberhachinger Weg" nennen die Leute vom Hachinger Bach gerne mal ihre eigenen bis eigensinnigen Ideen. Sie pflegen ihr ganz besonderes Mia-san-Mia-Gefühl. Egal, ob sie spezielle Dachneigungen bevorzugen oder sich dagegen sträuben, von den Bewohnern eine Abgabe für Straßensanierungen einzutreiben.

Nicht selten führt das zu bösen Briefen aus dem Landratsamt. Doch denken die Menschen in dem unbeugsamen Dorf gar nicht daran zu befolgen, was ihnen vom Mariahilfplatz geheißen wird. Ordnungssinn hin oder her: Auch ihr Chef neigt eher zu pragmatischen Lösungen. Bürgermeister Stefan Schelle behauptet von sich sogar, einen "gewissen Hang zur Anarchie" zu haben. Es gebe kein Gesetz, das wichtiger sei als der Mensch, hat er mal gesagt.

Nun hat das Landratsamt den Oberhachingern schon wieder Post zukommen lassen. Diesmal ging es ums Parken. "Garagen- und Stellplatzsatzung" haben die Oberhachinger über ihr Regelwerk geschrieben, das vor allem dazu dienen sollte, sich nicht täglich über vollgeparkte Straßen in ihrem wunderschönen Ort ärgern zu müssen. Aber mit dem Titel fängt der Ärger schon an. So banal kann man die Auflagen für Bauherren nicht überschreiben. Vielmehr muss der Titel lauten: "Satzung über die Erstellung von Garagen und Stellplätzen". In diesem Punkt waren die Oberhachinger noch leidenschaftslos. Soll sie halt so heißen, die Satzung. Hauptsache die Häuslebauer befolgen das Ansinnen, die Autos von Besuchern auf ihren Grundstücken zu verräumen. Denn so vif wie die Menschen in dem kleinen unbeugsamen Dorf nun mal sind, haben sie vorsichtshalber verboten, Besucherparkplätze unterirdisch anzulegen. Wohl wissend, dass die keiner nutzen würde und alle auf der Straße parken würden. Aber genau diesen Passus haben die Verwaltungsmenschen für nicht korrekt befunden und als "Rechtsmangel" deklariert. In einer Satzung dürfe "keine Regelung über die Zulässigkeit, Situierung und Anordnung von Stellplätzen getroffen werden", mahnt die Behörde. Erlaubt seien nur Regelungen über Anzahl, Größe und Beschaffenheit. Die Sache mit den "oberirdischen" Plätzen jedenfalls falle nicht unter "Beschaffenheit", sondern zähle zur "Geeignetheit", und die dürfe die Gemeinde nicht vorschreiben.

Oberhaching: Der ganze Landkreis wird von Verwaltungsmenschen dominiert? Nein. Ein kleines Dorf wehrt sich.

Der ganze Landkreis wird von Verwaltungsmenschen dominiert? Nein. Ein kleines Dorf wehrt sich.

(Foto: Claus Schunk, Google Earth Pro; Illustration: A. Özer/SZ)

Es ist allseits bekannt, wie Obelix stets seinen Unmut über römische Vorschriften äußerte. So ähnlich könnten die Gemeinderäte in Oberhaching gedacht haben. Beschaffenheit? Geeignetheit? Die Autos sollen nicht auf der Straße stehen. Punkt. Soll doch einer kommen und uns verklagen. Daher war keiner wirklich gewillt, sich an solche Regelungen nach Artikel 81 Absatz eins, Nummer vier der Bauordnung zu halten. Und so fragte Bürgermeister Schelle, der "bekennende Anarchist", neulich bei der Sitzung des Bauausschusses im Rathaus in die Runde: "Traut ihr euch?" Sie trauten sich. Einstimmig.

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