Oberhaching:Klangerlebnis im Grenzbereich

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Sie wirbeln an unterschiedlichsten Instrumenten auf der Bühne: die Musiker des Hamburger Schlagwerkensembles Elbtonal. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Percussion-Gruppe "Elbtonal" bereichert das Oberhachinger Kammermusikfestival mit ungewöhnlichen Tönen. Die Schlagzeuger sind von asiatischen Mönchen inspiriert. Bei ihnen wird aus Schreien und Getrommel Musik

Von Christina Hertel, Oberhaching

Als Musiker haben sich die vier Hamburger der Percussion-Gruppe Elbtonal oft missverstanden gefühlt. Einmal, nach einem Konzert in Würzburg, fragte sie eine Frau, ob sie aus therapeutischen Gründen trommeln würden. Und ein Mann wollte wissen, ob Trommler in Orchestern im Allgemeinen die alten, ausrangierten Musiker seien, die eigentlich gar kein Instrument mehr halten könnten, aber sozusagen aus Mitleid noch eine Aufgabe bekämen. "Das sind so Momente, in denen man als Schlagzeuger verzweifelt", erklärte Jan-Frederick Behrend beim Konzert von Elbtonal im Bürgersaal. Doch niemand im Publikum dürfte ernsthaft geglaubt haben, dass die vier Schlagzeuger entweder krank oder gebrechlich sind. Denn man sah sofort: Das, was die Männer da machen, muss verdammt anstrengend sein - für den Körper und für das Hirn.

Die Percussion-Gruppe Elbtonal, bestehend aus Andrej Kauffmann, Jan-Frederick Behrend, Sönke Schreiber, Stephan Krause und Wolfgang Rummel, trat im Rahmen des 10. Oberhachinger Kammermusikfestivals auf. Ja, richtig: Kammermusik. Normalerweise hat man bei dem Begriff gleich traditionelle Klänge im Ohr, ein Streichquartett zum Beispiel. Aber eigentlich heißt Kammermusik nur, dass sie von einer kleinen Besetzung gespielt wird und das ist bei Elbtonal ja so. "Ich gebe zu, dass die Veranstaltung so ein bisschen im Grenzbereich liegt", sagte Organisatorin Isabel Lhotzky, bevor es losging. "Aber ich wollte einfach so viele Instrumente wie möglich auf die Bühne stellen."

Tatsächlich war die Bühne voll. Und zwar voll mit Trommeln und überdimensionierten Xylofonen, deren Namen aber so klingen, als würden sie aus einem japanischen Anime-Film stammen. Zum Beispiel die Odaiko, eine große asiatische Fasstrommel. Um die herzustellen, wird ein ganzer Baumstamm ausgehöhlt. Auch ihre kleine Schwester, die Shime-Daiko, hatten die Percussionisten in Oberhaching dabei. Mit diesen Trommeln, mit Becken und Gongs erzeugten die vier Klänge, die man sich gut als Filmmusik vorstellen konnte, so dramatisch hörten sie sich an.

Für diese Art von Musik hat sich Elbtonal von asiatischen Mönchen inspirieren lassen. "Wir haben gehört, dass es auf der anderen Seite der Welt tatsächlich Menschen gibt, die den ganzen Tag nichts anderes machen als joggen, trommeln und beten. Also quasi exakt das gleiche Leben führen wie wir", sagte Wolfgang Rummel. Schnell war klar, da müssen die Hamburger hin und sich selbst ein Bild von dem Ganzen machen. Auf der japanischen Insel Sado lernten sie dann, dass zum Trommeln zwei Dinge dazu gehören: Ausladende Armbewegungen und Schreie, also laute Hes, Has und Hughs. Beides brachten sie in ihre Show ein. Und sofort hatte man alte asiatische Krieger vor Augen.

Die Trommel ist eines der ältesten Instrumente der Welt. Wahrscheinlich haben schon die ersten Menschen vor rund 45 000 Jahren mit ihr Klänge erzeugt, auf der Jagd oder bei rituellen Zeremonien. "Und die Trommel gibt es überall auf der Welt", sagt Percussionist Jan-Frederick Behrend. Diese Internationalität bringen die Musiker in ihre Lieder, die sie zum Teil selbst schreiben, ein. Und zwar nicht nur mit asiatischen Instrumenten.

Das Marimbaphon kommt ursprünglich aus Afrika. Durch die Sklaverei wurde es nach Amerika und von dort nach Europa bis in den Oberhachinger Bürgersaal gebracht. Das Instrument ist im Grunde ein Xylofon - nur in ein paar Nummern größer. Und sozusagen als Special-Gadget sind bei dem Marimbaphon unter den Klangplatten ausgehöhlte Kürbisse angebracht. Die Früchte sorgen für eine warme Akustik. Zeitweise spielten alle vier Musiker an einem einzigen Marimbaphon, doch es hörte sich an, als hätte jeder sein eigenes Instrument. Sowieso war es oft verwunderlich, dass tatsächlich Musik und nicht nur Töne herauskamen - zum Beispiel, wenn die Schlagzeuger Alltagsgegenstände zweckentfremdeten. Sie trommelten auf fünf grünen Tonnen, später kamen noch fünf Eimer dazu. Schon alleine, wenn die Männer diese in einem bestimmten Rhythmus hin- und herwarfen, entstand ein besonderer Klang und in Kombination mit dem gekonnten Getrommel wurde daraus Musik.

Am Samstag, 14. November, geht es beim Oberhachinger Kammermusikfestival wieder traditioneller zu: Präsentiert wird ein musikalisch-literarisches Porträt der Geschwister Fanny und Felix Mendelssohn Bartholdy. Beginn ist um 20 Uhr im Bürgersaal beim Forstner an der Kybergstraße 2.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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