Oper in Oberhaching:Ein Dorf verzaubert sich

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"Die Entführung aus dem Serail": Was sonst im Nationaltheater zu erleben ist, funktioniert auch auf kleiner Bühne. (Foto: Claus Schunk)

Die Aufführung der Mozart-Oper "Die Entführung aus dem Serail" gerät zum Gemeinschaftserlebnis. Die Sänger überzeugen bei der unterhaltsamen Inszenierung auf der Ödenpullacher Stadelbühne.

Von Laura Zwerger, Oberhaching

Es gibt Ortschaften, die sind so klein, dass man sie beinah gänzlich übersieht. Und dann gibt es Abende, die solche Ortschaften zur großen Kulisse und Pilgerstätte werden lassen.

So hat am vergangenen Freitag die Aufführung der Oper "Die Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart das kleine Nest Ödenpullach, ein Ortsteil Oberhachings, mit grandioser Musik und viel Herzenswärme erstrahlen lassen.

In einer alten Maschinenhalle, inmitten von Äckern und Bauernhöfen, haben die Veranstalterin Ricarda Geary und viele engagierte Gemeindemitglieder in den vergangenen Monaten eine Welt von orientalischem Zauber geschaffen, in der sich eine dramatische und sogleich leidenschaftliche Liebesgeschichte abspielt.

Mehr als drei Stunden begibt sich der spanische Edelmann Belmonte auf die Suche nach seiner verschleppten Geliebten Konstanze sowie seinem Diener Pedrillo und der Zofe Blonde. Alle drei werden von dem osmanischen Pascha Bassa Selim und dessen brutalem Wächter Osmin in einem Palast gefangen gehalten. Dabei bietet das Kammerorchester Oberhaching unter dem Dirigent Gerold Huber aufbrausende Momente sowie zarte Töne und der Kammerchor Oberhaching erfüllt zusammen mit dem Schulchor des örtlichen Gymnasiums die Halle mit stimmigem Gesang.

In der Aufführung der Oper "Die Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart überzeugenn die Sänger mit einer unterhaltsamen Inszenierung. (Foto: Claus Schunk)

Eine Geschichte voll Humor, Selbstironie und Charme

Doch wer eine gänzlich düstere Geschichte von Sklaverei und Liebeskummer erwartet, der irrt. Vor dem kreativen Bühnenbild eines orientalischen Palasts mit blau-weißen Toren, goldenen Statuen und funkelndem Sternenhimmel spielt sich eine Geschichte mit viel Humor, Selbstironie und Charme ab. Gelächter ruft besonders der boshafte Osmin hervor, der von dem Bass-Solisten Matthias Ettmayr grandios als eine der prägenden, charakterstarken Figuren des Stückes gespielt wird. "Osmin ist tragisch komisch, dadurch dass er so auf seinen alten Mustern verharrt", erzählt Ettmayr am Rand des Abends. Mit ausdrucksstarker Mimik und im imposanten osmanischen Gewand schreitet er bei der Aufführung über die Bühne, die Peitsche fest in der Hand und seinen Mund grimmig zu einem schmalen Strich verzogen.

Dann lässt er in einer Szene die Halle mit tiefem Bass beben und singt furchteinflößend über all die Martern, die er besonders dem Diener Pedrillo gerne antäte - in der nächsten Szene löst er durch seine vorgetragenen, altmodischen Ansichten über Frauen großes Gelächter aus.

So wie Ettmayr überzeugen die jungen Tenöre Julian Freibott als Belmonte und Maximilian Argmann als Pedrillo. Gemeinsam schmieden sie Pläne, um ihre Frauen aus den Fängen des Paschas und seines Wächters zu befreien und überzeugen neben der gesanglichen Leistung auch mit viel spitzbübischem Charme. So wird der grimmige Osmin stetig geneckt, in einer durchzechten Nacht abgefüllt oder der junge Belmonte versucht mit zittrigen Beinen, aber mit geschwollener Brust, die Leiter zum Fenster der Geliebten zu erklimmen.

Was sonst im Nationaltheater zu erleben ist, funktioniert auch auf kleiner Bühne. (Foto: Claus Schunk)

Die Figuren der entführten Konstanze und ihrer Zofe Blonde verkörpern Doris S. Langara und Andrea Oswald, die beide in sinnlichen Sopran-Arien die Liebe zu ihren Männern besingen und in der aus einer Holzkonstruktion bestehenden Halle, in die die letzten Strahlen der Abendsonne dringen, eine ergreifende Atmosphäre schaffen. Sie bringen nicht nur stimmlich große Leidenschaft zum Ausdruck, sondern zeigen mit graziler Mimik und Gestik Bühnenpräsenz - wobei Blonde als pfiffige und willensstarke Frau oft zum Schmunzeln verleitet, wenn sie die grobschlächtigen Annäherungsversuche Osmins gekonnt abwehrt. So hält sie ihn sich mit einer langen Badebürste vom Halse, streckt ihm die Zunge heraus oder erklärt ihm die Rechte einer freien englischen Frau. "Dabei gibt es immer kleine Dinge, die man von Mal zu Mal anders macht", sagt Oswald nach der Aufführung. "Das macht die Figur aber auch authentisch."

Kinder mit Delfinmasken ziehen das Boot des Belmonte

Und authentisch sind an diesem Premierenabend in Ödenpullach alle Sänger - lediglich der Sprecherrolle des Bassa Selim, gespielt von Jochen Bernhardt, fehlte es an schauspielerischer Übung. Dies tat dem Stück in seiner Gesamtheit aber keinen Abbruch, denn eines wird in der alten Maschinenhalle deutlich klar: Es ist eine einzigartige Inszenierung entstanden, bei der nicht nur gesangliches Talent, sondern besonders durch seine ehrliche Wärme und das Engagement der ganzen Gemeinde überzeugt. Kleine Aspekte, wie das liebevoll gebastelte Boot des Belmonte, das von Kindern mit Delfinmasken gezogen wird, geben dem Stück eine eigene Note. Spätestens zum Ende der Premiere, als die Schneiderin der Gemeinde, Uta Nußbaum, die alle Kostüme eigens angefertigt hat, mit auf die Bühne geholt wird, ist vollkommen klar, wie die gelebte Gemeinschaft diese Inszenierung von "Die Entführung aus dem Serail" zu einem Opernabend der besonderen Art hat werden lassen.

Weitere Termine, Maschinenhalle Ödenpullach: Dienstag, 12. Juli, von 19.30 Uhr an, Freitag, 15. Juli, von 19.30 Uhr an, Samstag, 16. Juli, von 17 Uhr an, Sonntag, 17. Juli, von 17 Uhr an; Kategorie 1: 28 Euro, ermäßigt 21 Euro, Schüler 18 Euro, Kategorie 2: 25 Euro, ermäßigt 18, 75 Euro, Schüler 15 Euro

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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