Nick Cave in der Muffathalle:Der Schindermann und seine böse Saat

Angry Old Men: Nick Cave und seine bärtigen, alten Herren schinden das Publikum in der Muffathalle mit alten und neuen Songs. Und das machen sie richtig gut.

Kathrin Haimerl

Da sind sie also, die Schindermänner - und er mittendrin: Nick Cave ist wie immer im schwarzen Anzug erschienen. Nur von dem unsäglichen Bart, der ihn ein wenig wie Spaniens früheren Ministerpräsident José María Aznar aussehen ließ, hat er sich inzwischen getrennt.

Southside-Festival 2009

Schindermann im schwarzen Anzug: Nick Cave begeistert sein Publikum in der Muffathalle.

(Foto: ddp)

Seine Bandkollegen Warren Ellis, Martyn Casey und Jim Sclavunos aber haben die gewöhnungsbedürftige Gesichtsbehaarung beibehalten. Von Bartfetischisten war in manchen Rezensionen die Rede. Von alten Säcken, die in schlüpfrigen Liedern ihre Midlife-Crisis besingen.

Durchgeschwitzt steht Nick Cave auf der Bühne in der Muffathalle, jener Mann, der Kylie Minogue als Wasserleiche bekannt gemacht hat und der mit PJ Harvey das wunderbar düstere Duett über den amerikanischen Serienmörder Henry Lee gesungen hat. Anna Calvi, eine zierliche Londonerin mit feinen Gesichtszügen, die im Vorfeld von Cave düstere, atmosphärische Songs mit starken Drums präsentierte, wäre auch eine schöne Duettpartnerin gewesen.

Aber Schluss mit der Todessehnsucht. Nick Cave wischt sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Und haut dann kräftig in die Saiten. "I got the no pussy blues" brüllt er ins Mikro, zieht seine Augenbrauen zusammen, legt die Stirn in Falten, schließt die Augen. "Damn", schreit er.

Er verzieht das Gesicht, schüttelt den Kopf, die schweißnassen schwarzen Strähnen klatschen seitlich an die Wange, seine Geheimratsecken schimmern im Scheinwerferlicht. Dann besingt er mit dieser einzigartigen Stimme, wie ein abgetakelter Musiker einem weiblichen Fan nachstellt, die junge Frau aber immer wieder abwinkt. Er schiebt seine überlangen Arme nach oben und deutet von oben ins Publikum. Das Scheinwerferlicht wirft einen langen Schatten an die Wand der Muffathalle. Der Schindermann, der in einem früheren Lied schon einmal die rote rechte Hand des Teufels besungen hat, blickt in die Menge. Das überwiegend männliche Publikum nickt mit den Köpfen. Manche strecken die Arme nach oben, auf dass der Meister ihnen seine Aufmerksamkeit schenken möge.

No Pussy Blues ist die Single-Auskopplung des Grinderman-Erstlingswerk. Und das ist noch so ziemlich das harmloseste an diesem Abend. Denn in dem zweiten Album geht es noch ein bisschen dreckiger zu.

Stumpfsinnige Gewalt und Wolfsgeheul

Beispiel gefällig? "And he sucked her and he sucked her dry" singt Cave gleich zur Einstimmung an diesem Abend in dem so harmlos klingenden Titel Mickey Mouse and the Goodbye Man, in dem er von einer Welt mit gefühllosem Sex, Comics und stumpfsinniger Gewalt erzählt. Dann heult er wie der Wolf, der auf dem Albumcover von Grinderman 2 zu sehen ist, während die restliche Band alles bearbeitet, was an Instrumenten auf der Bühne greifbar ist.

53 Jahre alt ist Cave. Der dürre Mann mit dem markanten Gesicht wirbelt zwei Stunden lang wie ein Besessener über die Bühne, breitet seine Arme aus, krümmt sich, springt, fixiert mit diesem diabolischen Blick immer wieder jemanden im Publikum. Keine Spur von Midlife-Crisis also.

Neben ihm, nicht minder diabolisch, zückt Warren Ellis, von dessem Bart inzwischen der Schweiß tropft, die Geige, fidelt darauf herum und wedelt bedrohlich mit dem Bogen, während Cave mit lyrischem Sprechgesang das nächste Lied anstimmt.

Das also ist das Quartett der alten Herren von Grinderman, deren Songs sehr viel gitarrenlastiger sind, als man das etwa von den Bad Seeds gewohnt ist. Das liegt daran, dass sich Cave in dieser Formation auch selbst die Gitarre umschnallt und sie an diesem Abend in der Muffathalle immer wieder in den Ohren der Zuhörer dröhnen lässt.

Grinderman machen ihrem Namen alle Ehre. In einem Interview hat Jim Sclavunos einmal gesagt, der Name beschreibe eben genau das, was die Herren tun: "We grind." Sie schinden.

Nachdem die Gruppe vorne auf der Bühne auch unter dem Label The Bad Seeds spielt, darf man also getrost behaupten: Die böse Saat ist aufgegangen. Und wird nun kräftig zermalmt von den Herren mit den langen Bärten.

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