Halbzeit im Rathaus Garching:Immer locker bleiben

Halbzeit im Rathaus Garching: Dietmar Gruchmann - hier bei der Eröffnung des Gar-nix-Open-Airs - kann austeilen - und auch einstecken.

Dietmar Gruchmann - hier bei der Eröffnung des Gar-nix-Open-Airs - kann austeilen - und auch einstecken.

(Foto: Robert Haas)

Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann tritt souverän auf und zeigt sich gern volksnah. Dass Kritiker ihm Führungsschwäche vorwerfen, ficht den SPD-Politiker nicht an.

Von Gudrun Passarge, Garching

Der Bürgermeister beim Spatenstich zum Kinderhaus, in der Kutsche beim Festzug, beim Besuch eines Altenheims zusammen mit den Klinikclowns, Dietmar Gruchmann (SPD) erledigt das alles souverän. Auch Reden hält er ohne Probleme und er hat inzwischen auch gelernt, dass sie kürzer manchmal besser sind. In Garching rührt sich ständig etwas, was die Aufmerksamkeit des Bürgermeisters erfordert, viel ist in den vergangenen drei Jahren weiterentwickelt worden, die Zeichen stehen auf Wachstum. Die meisten Stadträte sind im Großen und Ganzen zufrieden. Dennoch gibt es einen Punkt, den fast alle ansprechen. "Sein Führungsstil ist lasch. Er müsste mehr führen, wo er hinwill", sagt beispielsweise Florian Baierl von den Unabhängigen Garchingern.

Gerade an Gruchmanns Sitzungsleitung entzündet sich Kritik. Wer einen Wutanfall des Bürgermeisters erleben möchte, braucht die Stadtratssitzungen jedenfalls nicht zu besuchen. Mit zumindest äußerlich großer Ruhe verfolgt er die Diskussionen, lässt alle zu Wort kommen und zuckt höchstens mal kurz innerlich zusammen, wenn er beispielsweise von Hans-Peter Adolf, dem Fraktionssprecher der Grünen, als "Totengräber der Fußgängerzone" bezeichnet wird. Dabei hatte er doch angekündigt, eine Lösung zu suchen, mit der alle zufrieden sind, eine Aufgabe, die in etwa der Quadratur des Kreises entspricht.

Dabei hatte das Verhältnis zwischen Gruchmann und den Grünen als hoffnungsvolle Beziehung begonnen. Wer mit Ingrid Wundrak spricht, erfährt, wie die Grünen Gruchmann beim zweiten Anlauf zur Bürgermeisterwahl unterstützt haben, wie sie sich erhofft haben, dass mit ihm vieles anders wird als unter seiner Vorgängerin Hannelore Gabor (CSU). Doch zur Halbzeit fällt ihre Bilanz ernüchternd aus. Nicht nur der verlorene Kampf für die Sozialstaffelung bei den Kindergartengebühren, die Gruchmann im Wahlkampf noch angekündigt hatte, und um den Lieferverkehr am Helmut-Karl-Platz mit dem für nicht zulässig erklärten Bürgerbegehren hat tiefe Spuren hinterlassen. Von einzelnen Differenzen mal abgesehen, kreidet Wundrak dem Bürgermeister an, "dass er so meinungslos ist". Ein Bürgermeister sollte sich ihrer Ansicht nach für seine Ansichten stark machen, sollte überzeugen können. Der Bürgermeister sei "konfliktscheu", sagt Wundrak. "Das ist bei so einem Posten nicht hilfreich." Gruchmann wirft sie vor, sich stets der Meinung der Verwaltung anzuschließen, aber nicht auf den Stadtrat zu hören, wie das Beispiel Kinderhaus gezeigt habe. Dennoch blickt sie optimistisch in die Zukunft. "Vielleicht wird's ja noch", sagt Wundrak, die schon vier Bürgermeister erlebt hat, "vielleicht kriegt er noch mal mehr Mut."

Momentan jedoch schlägt sich das zerrüttete Verhältnis deutlich in den Sitzungen nieder, wo sich Hans-Peter Adolf mit seinem Temperament immer wieder mal zu einer Philippika hinreißen lässt und Verwaltung oder Einzelpersonen stark attackiert oder mit der SPD streitet. Solche Debatten finden manche überflüssig, "da sollte der Bürgermeister auch mal einigen Störenfrieden Einhalt gebieten", sagt der Unabhängige Baierl. Er empfindet Gruchmann teils als "zu desinteressiert" mit zu wenig Biss. Einiges sei erreicht worden, "aber recht viel Neues hat er nicht auf den Weg gebracht". Baierl wünscht sich "mehr Profil" von Gruchmann, auch für Garching.

Halbzeit im Rathaus Garching: Dietmar Gruchmann ist seit 2014 Bürgermeister in Garching.

Dietmar Gruchmann ist seit 2014 Bürgermeister in Garching.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Diesen Punkt spricht auch Jürgen Ascherl, Fraktionssprecher der CSU, an. Er stellt Gruchmann zunächst ein Lob aus: Er sei ein "gewandter, kommunikativer Politiker", mit dem er häufig auf einer Linie liege. Gruchmann stelle sich grundsätzlich hinter seine Verwaltung, sagt Ascherl, aber er erwarte sich von einem Bürgermeister, dass er für einen Antrag stimme, wenn er richtig für Garching ist. Ascherl bezieht sich auf den CSU-Antrag, die Ortsmitte von Lieferverkehr freizuhalten. Eigentlich waren alle dafür, die Forderung ist ja auch nicht neu, und auch die SPD hatte sie früher schon gestellt. Doch weil das Landratsamt schon mitgeteilt hatte, der Antrag habe keine Aussicht auf Erfolg, folgte Gruchmann der Verwaltung und stimmte gegen die große überparteiliche Mehrheit, der es darum ging, ein Zeichen zu setzen. "Auch als Bürgermeister kann ich auch mal gegen das Landratsamt schießen", sagt Ascherl, ob er es dann durchboxen könne, sei wieder etwas Anderes.

Einen ganz anderen Kritikpunkt bringt Bastian Dombret (FDP) ins Spiel. Er habe die Arbeit Gruchmanns relativ positiv wahrgenommen, weil er für die Stadt handle und sich vor seine Verwaltung stelle, auch wenn er dabei gegen seine Parteilinie entscheiden müsse. Aber auch unter Gruchmann werde weiter "Geld ausgegeben, das nicht unbedingt sein müsste", wie etwa beim Brunnen am Rathausplatz oder beim Bürgerpark, kritisiert Dombret und fordert eine klare Aussage, wie in Zukunft Dinge finanziert werden sollen, zum Beispiel, wenn der Schulzweckverband sich neu formiert und Ismaning und Unterföhring ausgezahlt werden müssten.

Bürgermeister-Klischee-Check

Trachtentauglichkeit:

Bei Reden schwenkt der Bürgermeister schon mal aufs Bairische um, die Tracht dazu passt gut.

Anzapfkompetenz:

Da hat Dietmar Gruchmann viel Übung, weil er schon lange bei der Wiesn-Bierprobe der SPD anzapfen durfte. Drei Schläge.

Selbstdarstellerqualität:

Gruchmann kann sich zurücknehmen, füllt Repräsentationspflichten gut aus, muss nicht stets im Vordergrund stehen.

Vereinsmeierquote:

Mitglied in mehreren Vereinen, aber der Fischereiverein kommt am häufigsten vor.

Stammtischpräsenz:

Als Zwillingsvater bleibt ihm dafür wohl neben der Arbeit eher selten Zeit.

Sepp Euringer (Bürger für Garching) und Joachim Krause (SPD) loben die Arbeit Gruchmanns. Die BfG, die mit Alfons Kraft den zweiten Bürgermeister stellt, sei mit der Arbeit des Bürgermeisters "so weit zufrieden", man habe gemeinsam schon viel erreicht, betont Euringer. Und SPD-Fraktionschef Krause sagt, im Vergleich zu seiner Vorgängerin gefalle es ihm besser, wie Gruchmann sein Amt ausübe, "weil er wesentlich souveräner auftritt". Die Vorwürfe, die Verwaltung mache, was sie wolle, findet er nicht gerechtfertigt.

Bleibt nur die Frage, wie der Bürgermeister das selbst sieht. Inhaltlich hat sich viel bewegt in Garching, die Baugebiete nehmen konkrete Formen an, die U-Bahn fährt im Zehn-Minuten-Takt, der Augustiner hat eröffnet, neue Firmen siedeln sich an. Und wie steht es mit der Amtsführung? Gruchmann sagt, seine Devise für den Umgang mit dem Stadtrat laute: "Immer locker bleiben, bloß nicht verkrampfen und ja nichts persönlich nehmen." Es gehe nicht ums Rechthaben, sondern um die Sache. Es sei ihm wichtig, Privates und Politik zu trennen und nach der Stadtratssitzung noch mit allen ein Bier trinken zu gehen. "Meist funktioniert das auch." Auf den Tisch hauen will er jedenfalls nicht. Er sehe die Stadträte als gewählte Vertreter der Bürger, deren Wünsche und Vorschläge es ernst zu nehmen gelte. Und wie steht es mit den eigenen Akzenten? Gruchmann hält seinen Kritikern vor, noch das Bild eines Dorfbürgermeisters im Kopf zu haben. Doch das sei lange her. "Ein Bürgermeister von heute ist Topmanager, der von früh bis spät jeweils möglichst auf drei Hochzeiten gleichzeitig tanzt." Die vielen Verpflichtungen auf Konferenzen, 80 Vereine, Sitzungen, "ein Rathaus mit 80 Mitarbeitern, die geführt werden wollen" - da bleibe wenig Raum für kreative Ideen.

Dennoch hofft Gruchmann, in den nächsten drei Jahren noch einmal den "Kreativ-Turbo" anschmeißen zu können. Seine Themen: Bau eines neuen Domizils für die Volkshochschule, Verlagerung des Bauhofs und Wertstoffhofs und die Generalsanierung des Römerhof-Südflügels. Die nächsten drei Jahre werden also spannend.

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