Neubiberg:Schulen springen auf den Rina-Wörterzug auf

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Die Methode aus Neubiberg ist auch an der Taufkirchner Grundschule am Wald angekommen, wo Irina Reichart ihre Schüler mit dem Rina-Wörterzug unterrichtet. (Foto: Claus Schunk)

Die innovative Lernmethode wurde in Neubiberg entwickelt - und kann Erfolge vorweisen: Grundschüler, die mit dem Wörterzug lernen, schneiden in Diktaten besser ab.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Als das Mädchen aus Afghanistan vor eineinhalb Jahren in die erste Klasse an einer Schule im Landkreis München kam, konnte es kein Wort Deutsch. Das ist längst Vergangenheit. Seine jüngste Probe im Sprachgebrauch schloss es mit der Note eins ab. Es hatte mit dem Rina-Wörterzug, einem neuen Lernsystem, lesen und schreiben gelernt. Das Mädchen ist längst nicht das einzige Kind mit Migrationshintergrund, bei dem das so gut gelang. An drei Grundschulen im Landkreis wurde die Methode mittlerweile evaluiert.

Die Lernmethode aus dem Landkreis zeigt beachtliche Erfolge

Die Schule, die als erste die Technik bewerten ließ, war die Grundschule am Kirchplatz in Ismaning. Schulleiterin Sabine Höfner hatte auf einer Tagung von dem neuen Lernverfahren erfahren, war davon überzeugt und nach einer Testphase wurde die Technik zum Schuljahr 2014/2015 in allen ersten Klassen der Schule eingeführt. Sie und ihre Kollegen seien überzeugt gewesen. "Der persönliche Eindruck ist das eine, aber ich wollte es schwarz auf weiß haben, dass die Kinder mit der Methode gut lernen", erklärt Höfner.

Daher ließ die Schule die Technik von der Beratungsrektorin des Schulberatungszentrums in Ismaning beurteilen. Höfner war es wichtig, dass jemand Externes das macht. Für die Evaluierung mussten die Kinder standardisierte Rechtschreib- und Lesetests ablegen. Auch die Grundschule Taufkirchen am Wald ließ die Methode von einer Mitarbeiterin des Schulberatungszentrums überprüfen. Hier lernen die Erstklässler seit zwei Jahren mit dem Rina-Wörterzug. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund beträgt an der Schule mehr als 60 Prozent. An der Grundschule Neubiberg, die vor fünf Jahren als erste Schule mit dem Wörterzug startete, wurde er ebenfalls evaluiert.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: "Kein Kind lag unter dem Durchschnitt. Auch kein Kind mit Migrationshintergrund und kein schwaches deutsches Kind", freut sich Renate Bruckmeier. Die Schulpsychologin am Schulberatungszentrum in Taufkirchen, die voriges Jahr noch an der Grundschule Neubiberg lehrte, jetzt Lehrerin an der Grundschule in Riemerling ist und sich viel mit Legasthenie beschäftigt, hat den Wörterzug entwickelt.

Die Kinder puzzeln neue Wörter zu einem Zug zusammen

Laut Forschung sind rund fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen Legastheniker. Also hätten, so erläutert Bruckmeier, unter 100 Kindern fünf unter Durchschnitt dabei sein müssen. "Dass das Ergebnis anders lautete, war schon toll", sagt sie. Auch Grundschullehrerin Irina Reichart ist begeistert. Sie unterrichtet an der Grundschule Taufkirchen am Wald seit zwei Jahren mit der neuen Methode und war, wie sie zugibt, anfangs durchaus skeptisch. Umso erfreuter ist sie. "Wir machen es einfach und waren überrascht, dass solche Ergebnisse herausgekommen sind."

Die Technik setzt auf das silbische Prinzip. Die Kinder puzzeln sich die Wörter in einem Zug zusammen, illustriert von der Neubiberger Grundschullehrerin Christine Schmitt. Zunächst wird der Chef, also der Anlaut, in der Lok eingetragen. Dann klatscht das Kind das Wort, um zu sehen, wie viele Silben es hat. Jede Silbe hat einen Leuchter, den Vokal, der dann eingetragen wird. Danach werden die Silben einzeln gesprochen, um den Chef jeder Silbe zu finden.

Beim nochmaligen Sprechen können die Kinder auch die letzten Laute heraushören. Klare Regeln und Tricks erleichtern das Schreiben und Lesen. So lernen die Kinder etwa, dass jede Silbe einen Leuchter hat und nie ein "a" am Wortende steht.

Neue Lernmethode
:Alles einsteigen, bitte

Zwei Neubiberger Lehrerinnen haben eine Methode entwickelt, die Lese- und Rechtschreibschwächen vermeiden soll: den Rina-Wörterzug. Rund tausend Schüler im Landkreis lernen bereits damit lesen.

Von Daniela Bode

Kinder mit einer anderen Muttersprache lernen Deutsch und schreiben

Warum funktioniert die Methode auch bei Kindern mit Migrationshintergrund so gut? "Migrationskinder profitieren sehr von der Technik, da sie zeitgleich Deutsch und richtig schreiben lernen", sagt Bruckmeier. Sie wüssten beim Schreiben, dass jede Silbe einen Leuchter hat und ließen sich nicht von Inhalten ablenken. Sie hebt zudem hervor, dass die Kinder mit der Methode die Sprache in kleinen Portionen und in ihrem Tempo erlernen könnten.

Reichart, die seit mehr als 20 Jahren Grundschüler unterrichtet, sieht das ähnlich: Sie glaubt, dass sich das Prinzip, auf Silben aufzubauen, und die Tricks, mit denen man sich die Rechtschreibregeln gut merken kann, positiv auswirken. "Die Kinder wissen, wenn ich keinen gelben Leuchter einsetze, fehlt ein e", sagt sie. Durch das Prinzip mit dem Zug könne man Kindern sehr viel anschaulich erklären. Ihr Fazit: "Man kann das nur weiterempfehlen."

Der Rina-Wörterzug wird mittlerweile sogar in Singapur angewandt

Mit dem Rina-Wörterzug wird mittlerweile an immer mehr Schulen gearbeitet. Neben Grundschulen im Landkreis sind auch einige in Niederbayern und Franken dabei sowie die internationale Schule in Singapur. Beim jetzigen Stand soll es aber nicht bleiben.

Gemeinsam mit dem Leiter des Gymnasiums Neubiberg ist geplant, in der dortigen fünften Klasse die Rechtschreibkenntnisse der Schüler zu überprüfen. Sie sind die ersten, die mit dem Wörterzug lesen und schreiben lernten. In der vierten Klasse habe es beim Diktat keinen Schnitt ohne eine Eins vor dem Komma gegeben. Bruckmeier ist zuversichtlich: "Ich glaube, die können's."

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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