Neubiberg/Feldkirchen:Käferbekämpfung mit der Kettensäge

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Quelle: SZ-Grafik (Foto: N/A)

Wegen des Asiatischen Laubholzbocks haben die Behörden im Landkreis München bald 2000 Bäume vorsorglich fällen lassen. Ob die Ausbreitung des Schädlings dadurch verhindert werden kann, ist ungewiss.

Von Irmengard Gnau, Neubiberg/Feldkirchen

Welch nachhaltige Auswirkung kleine Lebewesen auf wesentlich größere haben können, demonstriert der Asiatische Laubholzbockkäfer in diesen Wochen schmerzhaft im Landkreis. Gerade einmal zwei bis vier Zentimeter groß ist der Schädling ohne Fühler und damit um ein vielfaches kleiner als die Baumriesen, die seinetwegen in den vergangenen Monaten gefällt worden sind. Im Landkreis werden dem Käfer bald mehr als 2000 Gehölze zum Opfer gefallen sein. Experten hoffen, mit den radikalen Fällungen möglicher Wirtsbäume die Ausbreitung des Tiers zu verhindern. Inzwischen reicht dessen Revier bis hinein ins Münchner Stadtgebiet.

Für Landkreisbewohner in Neubiberg, Feldkirchen oder Putzbrunn ist der Gedanke an den ALB, so die Abkürzung des Laubholzbockkäfers, der aus Asien nach Bayern gelangt ist, längst zum Albtraum geworden. "Das ist eine Tragödie, nicht nur für Neubiberg, sondern für eine ganze Region", fasste eine Bürgerin jüngst auf einer Informationsveranstaltung die Gemütslage vieler Betroffener zusammen. In Neubiberg stehen in den kommenden Tagen weitere Fällungen bevor. Zum insgesamt vierten Mal werden die Fachleute mit Kettensägen und schwerem Gerät anrücken, 180 Bäume werden fallen, darunter mancher Riese, der Jahrzehnte im Garten eines Hauses überdauert hat.

Die Fällungen machen viele Bürger wütend

Dieses Vorgehen macht viele Bürger wütend, Informationsveranstaltungen zum Laubholzbockkäfer geraten nicht selten zu hitzigen Diskussionen. "Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass die Eigentümer emotional reagieren", sagt Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland von den örtlichen Freien Wählern. "Wenn man weiß, dass die Einfuhr des Käfers mit Stichproben nicht hundertprozentig verhindert werden kann, steht das im Widerspruch zu den Fällaktionen", gibt Heyland zu bedenken.

Im Umkreis von 100 Metern um einen befallenen Baum müssen alle möglichen Wirtsbäume umgesägt werden, auf diese Regelung haben sich Experten in ganz Europa basierend auf den Erfahrungen der Vergangenheit geeinigt. Seit Juni dieses Jahres stehen insgesamt 16 Laubholzgattungen auf der präventiven Fällliste. Eine andere wirksame Methode, den Käfer zu eliminieren, gebe es derzeit nicht, betont die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), die die Fällungen anordnet.

Was betroffene Baumbesitzer erzürnt, macht den Experten Hoffnung. In den USA und in Österreich sei es in der Vergangenheit bereits gelungen, den Käfer auszurotten, berichtet Ambros Köppl vom Institut für Pflanzenschutz der LfL. Auch in Neukirchen am Inn, wo wie im Landkreis die 100-Meter-Fällzone zur Anwendung kommt, sehe es gut aus. Der stellvertretende Gebietsleiter der Quarantänezone Neubiberg sieht in der radikalen Methode durchaus einen Vorteil: "Wir haben jetzt eine einheitliche Vorgehensweise entwickelt, die dazu führt, dass wir den Käfer konsequent bekämpfen können."

Die Experten hoffen, dass der Käfer in Neubiberg eingedämmt ist

In Neubiberg schätzen Köppl und seine Kollegen von der Landesanstalt die Erfolgschancen gut ein. Nach den nun anstehenden Fällungen, so hofft Köppl, könnte der Schädling besiegt sein. "Wir haben den Käfer noch so erwischt, dass die Population noch nicht so groß war, dass er sich rasend vermehren konnte." Um das zu erreichen, werden am Ende auf dem Gemeindegebiet mehr als 1300 Stämme umgelegt worden sein und sich das Ortsbild, so fürchten die Anwohner, verändert haben.

Auch in Feldkirchen hat der Schädling deutliche Spuren hinterlassen. Die Kommune war vor zweieinhalb Jahren die erste im Landkreis, die vom Laubholzbockkäfer "heimgesucht wurde", wie es Geschäftsleiter Heinz-Josef Reiser nennt, der Schädling hat wohl schon länger unbemerkt dort gelebt. Wie man auf den Käfer reagierte, sei viel "Learning by doing" gewesen, auch für die Experten der LfL.

Bis heute sind mehr als 700 Bäume aus dem Ortsbild verschwunden, das Brunnenwäldchen und die angrenzenden Wälder wurden kahl geschlagen, zum Leid vieler Feldkirchner. Mit den Landkreisnachbarn im Süden, denen nun ähnliches bevorsteht, ist man im Austausch. Doch wenn sich der Schädling zeige, müsse man im vorgegebenen Radius fällen, meint Reiser, "da beißt die Maus keinen Faden ab." In seiner Gemeinde hat das Umweltamt inzwischen begonnen, die kahlen Stellen neu zu bepflanzen.

Die Präventionsmaßnahmen laufen weiter, Baumkletterer durchforsten die Gemeinde, Pheromonfallen sollen mögliche Käfer anlocken, ein Baumkataster wird erstellt. Weil im Dezember eine einzelne Larve in einem Baum gefunden wurde, werde es in den kommenden Wochen rund um die betroffene Stelle 14 Probefällungen geben, um festzustellen, ob ein Befall vorliegt, sagt Reiser. Dennoch hat der Geschäftsleiter ein wenig Hoffnung: "Wir sind im Augenblick leicht optimistisch. Aber eine Garantie wird es nie geben."

Dass der Schädling ausgerechnet hier aufgetaucht ist, ist vermutlich Zufall

Dass der Käfer sich ausgerechnet im Südosten des Landkreises München angesiedelt hat, sei "vermutlich Zufall", erklärt Köppl. Einen biologischen Hintergrund gebe es nicht. Allerdings sei auch viel Granit aus Asien in die Gegend gebracht worden. In den Holzpaletten, die zum Transport verwendet werden, reist gern auch der Laubholzbockkäfer ein. Die Käferbekämpfer kontrollieren deshalb auch Natursteinhändler und Landschaftsgärtner, die solche Paletten benutzen. Doch bisher habe man nichts finden können, sagt Köppl.

Das Revier des Käfers reicht inzwischen bis nach München hinein: Anfang des Monats fielen am Ortsrand von Waldperlach die ersten Bäume. Auslöser dafür war eine Laubholzbock-Larve, die am Rande des Putzbrunner Wäldchens "Große Wiese" gefunden wurde. Insgesamt müssen dort etwa 140 mögliche Wirtsbäume umgelegt werden. Damit wächst auch in der Gemeinde Putzbrunn die Sorge um ihren Baumbestand. Nachdem bislang nur die Ortsteile Waldkolonie und Oedenstockach innerhalb der Quarantänezone lagen, die unter besonderer Beobachtung steht, ist diese nun bis an den Rand des Hauptorts herangerückt.

Der Käfer setzt auch die Behörden unter Zugzwang. Seit November hat das zuständige Institut für Pflanzenschutz der LfL sein Personal von vier auf 17 Mitarbeiter aufgestockt, allein für das Gebiet Neubiberg ist Köppl mit drei weiteren Kollegen im Einsatz. Hinzu kommen Hundeführer und Hunde, die Käferbefall erschnüffeln helfen sollen. Neben den Fällungen prüften die Experten auch weitere Methoden, berichtet Köppl.

Wissenschaftler experimentieren mit Mikrofonen und Infrarotkameras an Drohnen

So wird derzeit etwa untersucht, ob die Käferlarven akustisch mit Hilfe von Mikrofonen oder optisch mit Infrarotkameras, die an Drohnen befestigt sind, geortet werden kann. Auch mit dem sogenannten Injektionsverfahren, das in den USA angewandt wurde, experimentiere man. Dabei werden Pestizide durch ein Bohrloch in den Baum gespritzt. Allerdings ist die Methode umstritten, weil Pestizideinsatz in Deutschland verboten ist und durch die Einstichstelle Pilze in den Baum eindringen könnten.

Neubibergs Bürgermeister will auf einem anderen Weg verhindern, dass sich der Asiatische Laubholzbockkäfer ausbreitet. "Solange die Verbraucher Granit aus China bestellen, haben wir dieses typische Globalisierungsproblem", sagt Heyland. Er will an das Konsumverhalten der Bürger appellieren und das Einwandern des Schädlings aus Asien eindämmen. "Wir wollen die Verbraucher sensibilisieren und ihnen zeigen, dass wir zum Beispiel auch guten Granit in Niederbayern haben."

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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