Neubiberg:Wenn der Wagen von alleine vorfährt

Die lila Punkte in der Simulation zeigen mögliche Ein- und Aussteigepunkte für Nutzer einer neuen Carsharing-Form.

Die lila Punkte markieren mögliche Ein- und Ausstiege: Klaus Bogenberger, Tanja Niels und Florian Dandl mit ihrem Carharing-System.

(Foto: Claus Schunk)

Die Bundeswehr-Universität in Neubiberg arbeitet in einem Forschungsprojekt mit BMW und der Stadt München an einem Carsharing-System mit selbstfahrenden Autos sowie einem Lieferdienst per elektrischer Lastenfahrräder.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Im Internet einkaufen und sich Schuhe, Lebensmittel und Möbel nach Hause liefern lassen, ist praktisch und beliebt. Die Kehrseite des Trends ist der Lieferverkehr bis in die letzte Anliegerstraße. Dieser könnte sich jedoch schon bald grundlegend ändern: Auslieferer holen die Pakete an zentralen Stationen mit elektrischen Lastenfahrrädern ab und bringen sie geräuschlos und emissionsfrei zu den Kunden. Das Liefersystem der Zukunft - geht es nach Experten, funktioniert mit deutlich weniger Lastwagenverkehr und CO₂-Ausstoß. Die Bundeswehruniversität in Neubiberg forscht in Zusammenarbeit mit dem Paketlieferdienst UPS und der Landeshauptstadt München derzeit an einer solchen Logistik.

Dabei geht es längst nicht nur um schlaue, neue Liefersysteme. Das Vorhaben ist Teil eines großen Forschungsprojekts mit dem Namen "City to share", also Stadt zum Teilen. In den kommenden vier Jahren will ein Konsortium von Unternehmen, öffentlicher Hand und Forschungseinrichtungen in den Innenstadtrandgebieten von München und Hamburg den Erfolg neuer Konzepte auf Basis der Elektromobilität untersuchen. Partner sind unter der Führung von BMW die Landeshauptstadt München, die Stadtwerke München, die Münchner Verkehrsgesellschaft, die Hamburger Hochbahn, Siemens, der Paketlieferservice UPS, der Carsharing-Anbieter Drive now, die Bundeswehruniversität in Neubiberg, die Technische Universität München und das Deutsche Institut für Urbanistik. Das Vorhaben wird innerhalb des Programms "Erneuerbar mobil" mit 5,8 Millionen Euro vom Bundesumweltministerium gefördert.

Getestet wird zwischen Glockenbachviertel und Untersendling

Die Bundeswehruniversität ist mit drei Projekten beteiligt. Tanja Niels vom Institut für Raumplanung und Verkehrswesen forscht an der Logistik mit den unterschiedlichen, extra angefertigten Lastenfahrrädern. Sie hat als Testviertel das Gebiet vom Glockenbachviertel bis Untersendling unter die Lupe genommen und für den Bereich Ludwigs-/Isarvorstadt den idealen Standort für zwei Paket-Container mathematisch berechnet, um die Lieferorte bestmöglich zu bedienen. Danach beträgt die Entfernung zwischen Container und Zustellort im Schnitt 485 Meter.

Parallel dazu fand eine Begehung statt, bei der ebenfalls zwei Standorte ermittelt wurden, die aber an etwas anderen Stellen liegen und die im Schnitt 570 Meter vom Zustellort entfernt sind. "Jetzt müssen wir versuchen, das unter logistischen und städtebaulichen Aspekten zu optimieren", sagt Klaus Bogenberger, Professor für Verkehrstechnik an der Bundeswehruniversität am Institut für Verkehrswesen und Raumplanung. Laut Niels geht es unter anderem darum, ob an den jeweiligen Stellen genug Platz für einen Container ist. In einem nächsten Schritt soll die beste Fahrradroute für die Paketlieferer errechnet werden. Auch sollen Fahrer und Bewohner befragt werden, ob sie so ein System prinzipiell gutheißen. Das Design der Container steht noch nicht fest, soll sich aber in die Umgebung einfügen.

Roboterautos könnten mehrere Kunden abholen

Nicht um den schlauen, umweltfreundlichen Transport von Paketen, sondern von Menschen geht es bei einem weiteren Forschungsvorhaben an der Bundeswehr-Universität: Florian Dandl untersucht ein neues Carsharing-System, bei dem elektrische Roboterautos die Kunden abholen, also Autos ohne Fahrer. "Shared autonomous electric vehicle systems" nennt sich das im Fachjargon. Das System funktioniert ähnlich wie beim Anbieter Drive now. Man gibt Startposition und Ziel über ein Buchungssystem ein, daraufhin wird einem ein Auto ohne Fahrer zugewiesen, das einen an einem der möglichen Ein- und Aussteigepunkte - in der Simulation mit lila Punkten dargestellt - abholt. Idee ist, dass sich die Kunden die Fahrten teilen. Das heißt: Fahrgäste, deren Strecken sich überlappen, werden eingesammelt und können mitfahren. Dabei sollen aber soziale Aspekte berücksichtigt werden: etwa die Frage, ob man als junge Frau neben einem fremden Mann im Auto sitzen möchte.

Fahrradkurier von Transimpex in München, 2011

Der Lieferdienst per Lastenfahrrad gehört zum Konzept. Hier der Fahrradkurier von Transimpex in München.

(Foto: lok)

Dandl hat simuliert, wie viele autonome Autos man bräuchte, um die Fahrten, die die rund 600 Fahrzeuge von Drive now im Großraum München derzeit leisten, bedienen zu können. Sein Ergebnis: nur 100 bis 150. "Der Vorteil ist, dass 450 bis 500 Fahrzeuge weniger herumstehen", sagt Dandl. Ziel sei, die Fahrzeuge so auszulasten, dass sie wenig stehen. Eine positive Folge: Es würden Parkplätze frei. Auch dieses Vorhaben geht nun in die Optimierungsphase.

Laut Bogenberger wäre es wünschenswert, die Flotte intelligent zu steuern. So könnte man etwa abends viele Autos nach Schwabing lenken, wenn dort die Nachfrage besonders groß ist. Möglichst bald sollen auch Experteninterviews geführt sowie Nutzer und Nicht-Nutzer befragt werden, was sie von dem innovativen System halten. Bei dem dritten Teilprojekt am Institut für Verkehrswesen und Raumplanung geht es ebenfalls ums Carsharing. Stefan Schmöller, wissenschaftlicher Mitarbeiter, arbeitet an einer Prognose, mit welcher Wahrscheinlichkeit in einer Stunde ein Fahrzeug in Neubiberg verfügbar ist. Es ist also einiges in Bewegung.

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