Neubiberg:Schreiben und performen

Neubiberg, Gymnasiums Neubiberg, Poetry Slam Show,

Philipp Potthast (links), Ko Bylanzky und Carmen Wegge zeigen, wie's geht.

(Foto: Angelika Bardehle)

Gymnasium Neubiberg will Schüler zu Poetry Slams animieren

Von Tobias Krone, Neubiberg

So ein Schülerpublikum ist wirklich nicht einfach zu knacken. Die Münchner Slam-Poetin Carmen Wegge groovt sich in ihren Text hinein, wippt mit ihren Füßen zum Singsang der Worte, zitiert Popsongs, deren Refrain sie kurz anstimmt. Doch die Reaktionen unter den etwa 120 Oberstufenschülern in der Aula des Gymnasiums Neubiberg bleiben erst einmal verhalten: anders als auf den Poetry Slams in deutschen Großstädten, wo Wegge, Jahrgang 1989, von Hunderten Zuschauern wie ein Rockstar gefeiert wird für Sätze wie diesen: "Mein Lidstrich hat 'nen Schatten unter meine Augen gemalt." Doch Wegges gereimter Text über eine durchzechte Nacht auf der Tanzfläche, den sie tapfer ins Mikrofon haucht, ist ja auch nur das Vorprogramm. Künftig soll im Münchner Süden eine eigene kleine Slammer-Szene erwachsen.

Anna Barth vom Kulturamt Neubiberg und die Deutschlehrerinnen Susanne Bucher und Sabine Kubik-Heindl wollen mit dem Auftritt der Profis den Nachwuchs motivieren, auch einmal zu Zettel und Stift zu greifen - und den eigenen Text danach vor Publikum zu performen. Sie planen einen Workshop in Neubiberg noch für dieses Jahr.

"Zu Demonstrationszwecken" hätten sie daher die drei Profi-Slammer Carmen Wegge, deren Münchner Kollegen Philipp Potthast sowie den Altmeister des deutschen Poetry Slams, Ko Bylanzky, in die Schule eingeladen, sagt Barth. Sie wollten "den Leuten zeigen, wie ein Slam klingen könnte". Ein Poetry Slam ist schließlich mehr als nur eine Dichterlesung mit Wasserglas und andächtiger Stille - à la Loriot. Ein Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit, bei dem junge Poeten dem Publikum und einer Jury eigene Texte - meist aus einer Ich-Perspektive und aus dem eigenen Leben erzählend - auf kraftvolle Weise darbieten. Wortspielereien gehören ebenso zum Handwerk wie derbe Witze. Das beweist Slammer Potthast etwa mit seinem Text "Böse Sein": Darin lebt der 21-Jährige seine schräge Fantasie aus, indem er etwa "Veganer mit 'ner Mettwurst auspeitscht" oder in der fiktiven Wahlkabine das Kreuzchen bei der AfD macht, was ihm einige Lacher aus dem Publikum einbringt. An das Ende seiner teils skurrilen und schnell gerappten Texte stellt Potthast stets eine explizite Moral.

Der Gattung Slam sind literarische Zweideutigkeiten eher fremd, dafür darf auch schon mal in die Gagkiste von Fernseh-Comedians gegriffen werden. Eine Sache, die man lernen kann, findet Ko Bylanzky, der mit einem vom Kultusministerium geförderten Verein Workshops an Orten in ganz Bayern veranstaltet. Das Ziel ist, dort jeweils eine eigene Szene an Slammern zu etablieren, die dann selbst Wettbewerbe organisiert. Auch in der Vorstadt könne das funktionieren, glaubt Bylanzky. In Dachau habe seine Aufbauhilfe bereits gefruchtet, berichtet er. Und in Neubiberg vielleicht auch. Bis zum Donnerstagvormittag haben sich nach den Worten von Lehrerin Bucher bereits vier Interessenten gemeldet.

Auf einer Liste im Sekretariat des Gymnasiums könnten sich interessierte Schüler für die Schreibwerkstatt eintragen. Bei genügend Nachfrage startet der Poetry-Slam-Workshop noch in diesem Jahr.

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