Baumschädling:Kampf mit der Kettensäge

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Um die Ausbreitung des Laubholzbockkäfers einzudämmen, haben Mitarbeiter der Landesanstalt für Landwirtschaft in Neubiberg mit der Fällung von 400 Bäumen begonnen. Dabei wurden neue Hinweise auf den Schädling entdeckt.

Von Daniela Bode und Jasmin Kohl, Neubiberg

Kettensägenlärm, Absperrungen, Spürhunde, ein roter Kran - am Dienstag hat der Schrecken, den in der Gemeinde Neubiberg wohl alle lieber verhindert hätten, doch seinen Lauf genommen: Ein Dutzend Mitarbeiter der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) rückte an, um mit der Fällung von rund 400 Bäumen und Büschen zu beginnen, die als potenzielle Wirtspflanzen des Asiatischen Laubholzbockkäfers (ALB) gelten und die im 100-Meter-Umkreis um die rund 30 Bäume standen, die bereits im Herbst wegen des Befalls mit dem Krabbler gefällt worden waren.

Dass der umstrittene Einsatz seine Berechtigung hat, zeigte sich noch an Ort und Stelle: In den Bäumen, die an der Hauptstraße gefällt wurden, fanden die Experten eindeutige Hinweise auf abgelegte Eier und Larven des Käfers. "Unser Verdacht hat sich bestätigt", sagte Peter Nawroth von der LfL. Die befallenen Baumstücke wurden umgehend zur genauen Untersuchung in ein Labor gebracht. Damit hat sich die Zahl der befallenen Bäume in Neubiberg weiter erhöht. Bisher waren an 30 Bäumen Spuren des Schädlings wie Ausbohrlöcher gefunden worden sowie in neun Fällen Larven.

Wer vom Bahnhof aus die Hauptstraße in Richtung Osten durchqueren wollte, für den war am Dienstag spätestens auf Höhe der Hausnummer 50 Endstation. Denn dort fielen die ersten Bäume den Fällungen zum Opfer. "Alles läuft nach Plan", versicherte LfL-Mann Nawroth, der so etwas wie der oberste Käfer-Bekämpfer im Freistaat ist. Ausgerüstet mit Schutzhelm und großer Baumzange unterstützte der Forstwirt seine Mitarbeiter. Bis Mittag waren bereits drei von sechs größeren Bäumen im Garten von Julian Reischl gefallen. Der Neubiberger sah betrübt zu, wie einer der Männer in die Baumkronen kletterte, die dicken Äste an der Kette des drei Meter hohen Krans befestigte und die schließlich absägte. "Mein Garten ist für mich eine grüne Oase im städtischen Umfeld", sagt Reischl, während er die Fällung mit der Kamera festhielt. Obwohl er noch nicht weiß, wie er den Sommer ohne die vielen Schatten spendenden Bäume im Garten überstehen soll, hat er für die Maßnahme Verständnis: "Ich sehe ein, dass gefällt werden muss, gerade da neue Käfereier entdeckt wurden."

Kaum auf dem Asphalt abgelegt, begann die Arbeit der sechs speziell ausgebildeten Spürhunde von Hundestaffeln aus Österreich und Baden-Württemberg. Sie beschnüffelten die Äste und zeigten durch Bellen und Kratzen an, wenn sie einen Käferbefall entdeckten. Was von den Bäumen anschließend nicht zur Untersuchung ins Labor gebracht wurde, kam mit einem Laster zum alten Flugplatz in Neubiberg, wo es gehäckselt und verbrannt wurde.

Der Widerstand in Neubiberg gegen die radikalen Fällungen bleibt derweil groß. Die "Bürgerinitiative gegen ALB-Traum Neubiberg" wie auch Teile des Gemeinderats hofften am Montagabend noch, die Fällungen verhindern zu können. Wie sich aber schon zuvor abgezeichnet hatte, konnte auch LfL-Präsident Jakob Opperer dem Gemeinderat keine Alternative bieten. Er war anstelle von Landwirtschaftsminister Helmut Brunner in die Sitzung gekommen, dessen Erscheinen FDP und Freie Wähler per Dringlichkeitsantrag gefordert hatten. Vom Minister wollten sie erfahren, ob die Forschung neue Methoden jenseits der Fällung sieht. Doch Opperer musste die Neubiberger Gemeinderäte enttäuschen: "Weil wir den Käfer hier zum Glück noch nicht so lange haben, haben wir eine eigenständige Forschung erst ansatzweise", sagte der LfL-Chef.

Laut Opperer gibt es zwar eine groß angelegte Studie zu alternativen Maßnahmen. Diese müsse aber erst dem Landtag vorgestellt werden. Akustische Maßnahmen sowie der Einsatz von Nematoden seien auf jeden Fall nicht ausreichend. "Es bleibt letztendlich nur die Fällung", so Opperer. Ob künftig Pheromone oder Pflanzenschutzmittel infrage kämen, werde derzeit erprobt. "Was ich versprechen kann ist, dass wir mit großem Nachdruck daran arbeiten, Alternativen zu finden", so der Behördenchef.

Zufrieden stellte das die Gemeinderäte nicht: "Das nutzt uns ja alles nichts mehr", sagte Marianne Werner (Freie Wähler). Tobias Thalhammer (FDP) wollte, wie er sagte, der "radikalen Maßnahme" mit einer "radikalen Reaktion" begegnen: Er stellte in der Sitzung den Dringlichkeitsantrag, alle Straßensperrungen abbauen zu lassen, "damit die Fällungen nicht beginnen können". Ohne Erfolg: Das Gremium lehnte den Antrag mit 13 zu 11 Stimmen ab. Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler) hatte zuvor vor möglichen juristischen Konsequenzen für die Gemeinde gewarnt.

Unterstützung kommt unterdessen aus der SPD-Landtagsfraktion. Deren Abgeordneter Peter Paul Gantzer (SPD), der selbst in der Quarantänezone in Haar wohnt, will sich nicht mit den Fällungen abfinden. Gantzer hat einen Antrag gestellt mit dem Ziel, dass der Landtag die Regierung auffordert, in befallenen Gebieten von einer vorsorglichen Fällung potenziell unbefallener Wirtsbäume abzusehen, wenn eine Ausbreitung und Etablierung des Käfers ausgeschlossen werden kann. Der Abgeordnete begründet seinen Antrag mit einem Bericht der Europäischen Kommission zur Käferbekämpfung. Darin werde nicht von einem 100-Meter-Radius, sondern von einer "angemessenen Entfernung gesprochen". Die Anordnung vorsorglicher Fällungen liege jeweils im Ermessen der Behörden.

© SZ vom 25.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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