Neubiberg:"Es geht darum, mit dem Käfer zu leben"

Asiatischer Laubholzbockkäfer in Neubiberg, 2014

Die Neubiberger haben bereits eine größere Fällaktion hinter sich. Nun steht die nächste an. Doch der Widerstand wächst.

(Foto: Claus Schunk)

Anwohner sorgen sich vor der Informationsveranstaltung wegen weiterer Baumfällungen. Bürgerinitiative wirbt derweil für anderen Umgang mit dem Insekt und stützt sich auf Expertenaussagen

Von Daniela Bode, Neubiberg

Auf den ersten Blick sieht es in der Hauptstraße, der Hohenbrunner Straße und der Max-Löw-Straße in Neubiberg auch nach der Fällung von rund 400 Gehölzen zur Bekämpfung des Asiatischen Laubholzbockkäfers (Alb) noch sehr grün aus. Bäume in jedem Garten und hinter jedem Zaun. Doch schaut man genauer hin, fallen einem an einigen Stellen Baumstümpfe auf, auf einem Grundstück an der Hauptstraße stehen nur noch die Nadelbäume. "Der befürchtete Kahlschlag blieb zwar aus, dennoch nehmen wir das veränderte Ortsbild wahr", sagt auch Bürgermeister Günter Heyland (FW.N@U).

Nun erwarten die Bürger weitere Fällungen: Im Februar und März hatte die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) 400 Bäume und Gehölze, allesamt potenzielle Wirtsbäume, fällen lassen, die im 100-Meter-Umkreis um die 30 Bäume standen, die im Herbst wegen des Befalls mit dem gefährlichen Käfer abgeholzt worden waren. Bei der Untersuchung der entnommenen Pflanzen hat die LfL bei 60 Bäumen einen Befall mit dem Käfer festgestellt: 2600 Eiablagen, 22 lebende Larven, 130 Ausbohrlöcher. Der Fällbereich wird sich daher wie eine Wolke über die Hauptstraße, die Hohenbrunnerstraße, Hermann- und Kameterstraße ausdehnen. Wie Gerhard Kraus von der LfL der SZ vor kurzem bestätigte, werden rund 800 Pflanzen entfernt werden müssen. Am 9. Juni findet eine Informationsveranstaltung für betroffene Bürger in der Aula der Grundschule Neubiberg statt (19 Uhr).

Hysterie ist in der Gemeinde nicht zu bemerken, aber einige Anwohner sind beunruhigt: "Wir sorgen uns, dass unsere dritte Birke gefällt wird, nachdem die zwei abgeholzten kerngesund waren", sagt Erika Metzner. Sie wohnt mit ihrem Mann Gerhard seit 45 Jahren in der Kameterstraße. In ihrem Garten wurden zwei 80 Jahre alte Birken gefällt. Sie seien deshalb unendlich traurig und befürchten, dass bei einem Sturm die Schwarzkiefer, die mit den Birken zusammengelebt hat, umfallen und Schaden anrichten könnte. "Wir lieben unsere Bäume und finden die ganze Argumentation der LfL unverständlich", sagt Metzner. Die Behörde sieht sich durch die erneuten Funde in ihrem Vorgehen bestätigt, dass die Fällung der potenziellen Wirtsbäume der acht Laubholzgattungen Ahorn, Birke, Esche, Pappel, Rosskastanie, Weide, Baumhasel und Eberesche die richtige Methode zur Bekämpfung des Käfers ist.

Auch Karl Zohns' Birken und Ahornbäume könnten der nächsten Fällaktion zum Opfer fallen. Er wohnt an der Hauptstraße, sein Grundstück mit dem großen Garten liegt an der bisherigen Grenze des 100-Meter-Umkreises. "Ich mache mir schon Sorgen", sagt er. Jedenfalls hält auch er das Vorgehen der LfL für übertrieben. "Ich kann doch nicht einen Baum fällen, der eventuell befallen werden könnte", sagt er. Sollte die LfL mit schwerem Gerät zum Fällen anrücken, "wehre ich mich dagegen", kündigt er an. Er fordert, dass händisch gefällt wird.

Bürgermeister Heyland hat Verständnis für die Sorgen. Auch er macht sich Gedanken um den Erhalt des Gartenstadtcharakters der Gemeinde und findet, dass die besondere Lebens- und Wohnqualität durch die Fällungen derzeit leidet. Er hofft jedoch, dass die nächste Fällaktion, die voraussichtlich von 24. Juni bis 31. Juli dauern wird, die letzte in Neubiberg sein wird. "Ich bin sicher, dass wir durch koordiniertes und konsequentes Handeln den Alb in Neubiberg ausrotten können", sagt er. Die Gemeinde kümmert sich mit den Behörden, der LfL, zuständig für die Fällung auf Privatgrundstücken, und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zuständig für Forstflächen, gemeinsam um Themen wie Kommunikation oder die Beauftragung der ausführenden Firma. Außerdem arbeitet die Kommune eng mit den örtlichen Umweltvereinen und der Bürgerinitiative Gegen Alb-Traum Neubiberg zusammen, die sich gegen die radikalen Fällungen wehrt und zuletzt mehr als 2000 Unterschriften bei einer Online-Petition gesammelt hat.

Die Bürgerinitiative will weiterhin die Praxis der LfL nicht hinnehmen, die Kritik wird sogar immer lauter. "Ich finde es wichtig, sich analytisch mit den Zahlen zu befassen", sagt Mitglied Iris Philippsen. Die gefundenen 22 Larven, aus denen sich maximal 11 Pärchen ergeben, stünden nicht im Verhältnis zu den 400 gefällten Bäumen. Mitglied Matthias Frank, bei dem fünf Ebereschen im Garten gefällt wurden, sieht weiterhin keine Chance im Kampf gegen den Käfer, wenn nicht die Einfuhr der Paletten gestoppt wird. "Die LfL hat um fünf Kontrolleure und ein paar Spürhunde aufgestockt - das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt er. Unverständnis löst bei ihnen auch die Strategie der LfL aus, dass sie Fangbäume aufstellen will, mit denen der Käfer gelockt werden soll. "Es ist eine verrückte Situation, die gesunden Bäume zu fällen und dann Fangbäume aufzustellen", sagt Philippsen.

Die Initiative fordert nun einen anderen Umgang mit dem Käfer und folgt damit Expertenmeinungen. "Wir glauben, der Käfer ist schon sehr verbreitet und es geht vielleicht eher darum, den Käfer einzudämmen und mit ihm zu leben", sagt Philippsen. Weiter fordert sie ein umfangreiches Monitoring. Ihre Aussage stützen Philippsen und ihre Mitstreiter auf diverse Rechercheergebnisse. So hat ihnen Joachim Schliesske, Professor für Angewandte Botanik in Hamburg auf die Frage, ob er den Alb für ausrottbar hält, geantwortet, dass er den Käfer für "etabliert und somit für nicht ausrottbar" hält. Auch Professor Ernst-Gerhard Burmeister, Leitender Sammlungsdirektor der Zoologischen Staatssammlung München im Ruhestand und Präsident der Entomologischen Gesellschaft, teilt diese Meinung. Er zweifelt daran, dass der Alb durch bisher eingeleitete Maßnahmen und überhaupt ausrottbar ist und verweist auf den neuen Fund des Käfers in Schwaben. Die Bürgerinitiative will, dass zu dem Thema ein runder Tisch stattfindet. Die Mitglieder haben schon diverse Politiker angeschrieben.

Bürgermeister Heyland zweifelt ebenfalls daran, dass der Käfer in der Region München oder gar Europa auszurotten ist. "Ich würde mir wünschen, dass die Entscheider auf EU-Ebene von der Zielsetzung der Ausrottung abrücken und eine bestmögliche Eindämmung der Verbreitung verfolgen", sagt er. Für die Infoveranstaltung am Dienstag ist er guter Dinge und erwartet einen vertrauensbildenden Verlauf. Einerseits, weil die Gemeinde und die zuständigen Behörden aus den Beanstandungen der Bürger gelernt hätten und die Vorbereitung der nächsten Fällaktion serviceorientierter verlaufe. Außerdem werde die LfL aufzeigen, dass sie den Käfer nicht nur mit Fällungen, sondern einigen Parallelmaßnahmen bekämpfen wird.

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