Neubiberg:"Du singen, ich spielen!"

Neubiberg: "Wir sind ganz am Anfang einer großen Reise": Franz Josef Himpsl, hier in Şanlıurfa, verschmilzt türkische und bayerische Volksmusik mit Jazz.

"Wir sind ganz am Anfang einer großen Reise": Franz Josef Himpsl, hier in Şanlıurfa, verschmilzt türkische und bayerische Volksmusik mit Jazz.

(Foto: Matthias Ditscherlein/oh)

Die Unterbiberger Hofmusik stellt ihr neues Programm "Bavaturka Vol. II" vor. Das Projekt geht nicht zuletzt auf die Begegnung mit einer Putzfrau zurück. Ein Gespräch mit Franz Josef Himpsl

interview Von Stephanie Schwaderer, Neubiberg

Ihre neue via Crowdfunding produzierte CD "Bavaturka Vol. II" präsentiert die Unterbiberger Hofmusik diesen Freitag erstmals beim Konzert im Künstlerhaus am Lenbachplatz - und am Samstag eröffnet sie damit auf dem Schlossgut Oberambach das dritte Seejazz-Festival. Franz Josef Himpsl, seine Frau Irene und ihre Söhne Xaver, Ludwig und Franz verschmelzen bayerische und türkische Volksmusik mit Jazz. Offizielles Release-Datum für die CD ist der 25. September, aber bei den Konzerten ist sie bereits erhältlich.

SZ: Herr Himpsl, Sie dürfen das Seejazz-Festival eröffnen. Was heißt "Herzlichen Glückwunsch!" auf Türkisch?

Franz Josef Himpsl: Tebrikler. Aber besser wäre vielleicht: Herzlich willkommen! Da sagt man: Hoş geldiniz, also mit so einem Hakerl unter dem s. Und dann antwortet man darauf: Hoş bulduk.

Ihre Türkisch-Kenntnisse haben sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt?

Na ja, ich habe für die Bühne ein bisschen Türkisch gelernt, damit ich die türkischen Gäste anständig begrüßen kann. Es hört sich an, als ob ich es könnte. Aber Türkisch ist schwer. Und wenn dann jemand mit mir zu reden beginnt, schalte ich ganz schnell auf mein Tarzan-Türkisch um. Damit kommt man erstaunlich weit. Vor allem in Deutschland: Die Leute sind es nicht gewohnt, dass jemand versucht, Türkisch zu sprechen.

Ist es wahr, dass das erfolgreiche Projekt "Bavaturka" einer türkischen Putzfrau zu verdanken ist?

Das war nicht der einzige Grund, aber eine prägende Begegnung, die zeigt, dass man anders denken muss, dass man nicht so blind durchs Leben gehen soll.

Erzählen Sie doch noch einmal!

Als Musiklehrer an einer Giesinger Realschule wollte ich vor einigen Jahren mit türkischen Kindern türkische Volkslieder singen. Aber die Kinder wollten nicht. Haben sich verweigert. Also habe ich für mich geübt und gegrübelt, woran es liegt. Irgendwann schaut eine Putzfrau in den Musiksaal, die mir von außen zugehört hat. Sie kommt auf mich zu und fragt: "Woher wissen?" Ich sage: "Da, türkisch Buch!" Sie schaut, sagt: "Du musst machen so." Und singt mir das Lied original und mit viel Überzeugung vor. Wir haben uns geeinigt: "Du singen, ich spielen." Eine Woche später sind vier Putzfrauen gekommen. Wir hatten großen Spaß, und das haben irgendwann die Kinder gemerkt. Dass es nicht peinlich ist, türkische Volkslieder zu singen. Das war der Wendepunkt.

Eine schöne Geschichte!

Ja, dem Bundespräsidenten hat sie auch gefallen. Letzten März bei einem interkulturellen Konzert im Schloss Bellevue vor 300 Gästen hat er mich gebeten, diese Geschichte zu erzählen. 200 Türken waren dabei, eine tolle Stimmung!

Würde man einen Bäcker bitten, eine Mischung aus Börek und Brezen zu backen, käme vermutlich nichts Überzeugendes heraus. Warum funktioniert es bei der Volksmusik?

Bitten Sie einen Bäcker, Simit (Sesamringe) und Brezen zu kombinieren, das könnte klappen! Im Ernst: Das Wichtigste ist der Respekt. Respekt voreinander und vor der Musik. Wir sind da noch ganz am Anfang einer großen Reise. Die türkische Musik hat komplett andere Tonsysteme und Rhythmen, und die Leute dort hören auch anders. Hier hört man vertikal, in der Türkei hört man eher horizontal - Wüste.

Hier vertikal, dort Wüste - das müssten Sie bitte noch einmal genauer erklären.

Wir hören zu einer Melodie immer gleichzeitig die darunter liegenden Akkorde. Sonst bestünde die Musik nur aus Jodlern. Das gibt es in der traditionellen Musik in der Türkei nicht - die spielen alle unisono, also das Gleiche. Es gibt keine Harmonien, dafür aber viele verschiedene Makamlar, Tonleitern mit Tönen, die wir gar nicht kennen, ziselierte Melodien. Die Lieder dauern länger als bei uns, die Energie liegt auf der horizontalen Ebene. Hören mit Yoga-Aussicht, könnte man sagen.

Ist man als bayerischer Musiker prädestiniert, sich diesen Herausforderungen zu stellen?

Nicht umsonst komme ich aus Niederbayern! Der Zwiefache ist schon die wichtigste Brücke. Auf unserer ersten CD hatten wir viele Fünfer- und Siebenertakte. Diesmal sind es auch Zehner und Elfer. Unser Jüngster lernt das immer am schnellsten. Der hört sich das an und spielt es. Der hat noch kein System im Kopf, in das er das einbauen müsste.

Und wer sind bei Ihren Konzerten die besseren Zuhörer: Türken oder Bayern?

Eine schwierige Frage. Letzten Sonntag haben wir in einem Biergarten in Straubing gespielt und ich hatte schon Angst, dass unsere Musik da ein bisschen zu kompliziert sein könnte. Aber nein: Es war mucksmäuschenstad! Es hängt immer davon ab, wie viel man verstehen möchte. Meine Mutter ist 89 und sie hat unsere letzte CD ihren Freundinnen geschenkt. Mit dem Hinweis: "Erst vier-, fünfmal anhören und vorher nix sagen! Weil vorher versteht ihr des nicht."

Die Unterbiberger Hofmusik spielt an diesem Freitag, 7. August, um 19.30 Uhr im Innenhof des Künstlerhauses am Lenbachplatz in München. Am Samstag, 8. August, eröffnet die 2010 mit dem SZ-Tassilo-Preis ausgezeichnete Gruppe im Schlossgut Oberambach, das Seejazz-Festival, Beginn: 20 Uhr.

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