Neubiberg:Die Wachhunde aus früheren Zeiten

Neubiberg: Kommen garantiert nicht als Braten auf den Tisch: Die drei Gänse aus dem Umweltgarten in Neubiberg.

Kommen garantiert nicht als Braten auf den Tisch: Die drei Gänse aus dem Umweltgarten in Neubiberg.

(Foto: Claus Schunk)

Was es mit der Martinsgans auf sich hat. Ein Besuch im Neubiberger Umweltgarten

Von Christina Hertel, Neubiberg

Diese drei Gänse werden zum St.-Martins-Tag am 11. November sicher nicht geschlachtet. Sie leben im Umweltgarten in Neubiberg - und das schon seit 16 Jahren. "Meinem schlimmsten Feind würde ich die nicht wünschen. Die wären mittlerweile so was von zäh," sagt Heinrich Wolfensberger, der Chef des Umweltgartens. Er schüttelt ein bisschen den Kopf, als würde er sich gerade vorstellen, er hätte die trockenen Fleischfasern im Mund. Ganter Gustav und die zwei Damen an seiner Seite dürfen also zwischen Hühnern und Enten munter weiterschnattern - so lange, bis sie eines Tages keine Lust mehr haben. Andere Gänse haben nicht so viel Glück. Sie enden zu St. Martin als Braten in der Röhre. Aber woher kommt es überhaupt, dass man ausgerechnet an diesem Tag traditionellerweise einen Gänsebraten isst?

Der Grund dafür, das weiß Wolfensberger, liegt über tausend Jahre zurück. Etwa 360 Jahre nach Christi Geburt gab Martin (also der, der auch seinen Umhang mit dem Schwert teilte) seinen Dienst bei der Armee auf und zog auf einem Hof im Westen Frankreichs. Zu ihm durfte immer jeder kommen, der in Not war. Deshalb fanden die Dorfbewohner, dass Martin sicher auch einen guten Bischof abgeben würde. Er selbst war aber von Idee weniger angetan. Und so versuchte er, sich im Gänsestall vor den Leuten zu verstecken. Die Betonung liegt dabei auf versuchte. "Gänse sind die alten Wachhunde", sagt Wolfensberger. "Sobald jemand kommt, schnattern die wie wild drauf los."

Wolfensberger ist selbst auf einem Bauernhof groß geworden, in Südtirol. Dort gab es alle möglichen Tiere - Kaninchen zum Beispiel, aber auch Gänse. "Das waren einfach Nutztiere", sagt er. "Bei uns gab es keine Heizung, da waren wir über die Gänsefedern froh." Heute, sagt er, würden viele Kinder nicht einmal den Unterschied zwischen einer Gans und einem Schwan erkennen. "Dabei waren Gänse früher richtig wertvoll." In der Antike galt die Gans der Göttin Persephone als heilig, als lieblicher Vogel. Im alten Rom wurden Gänse im Tempel der Juno gehalten. Als die Gallier einfielen, so erzählt es die Legende, sollen sie so einen Radau gemacht haben, dass die Besatzung aufwachte. Der Tempel war gerettet. Im Mittelalter war die Gans ein offizielles Zahlungsmittel.

Und heute? Heute benutzt man Gans, wenn sie nicht gerade gebraten auf dem Tisch vor einem liegt, bloß noch als Beleidigung. Im Sinn von: Du dumme Gans, meist gerichtet an Frauen, die durch Lautstärke auffallen. Und genauso wie diese Damen können Gänse tatsächlich auch ein bisschen nerven, und zwar aus dem selben Grund - einfach weil sie ständig schnattern müssen. Sobald sich jemand dem Zaun des Umweltgartens nähert, geht es los, in ohrenbetäubender Lautstärke. Aber sind Gänse deshalb auch dumm? Nein, das sind sie natürlich nicht. Gänse sind sogar ziemlich schlau. Zumindest glaubt das Wolfensberger. "Die merken sofort, wenn jemand interessant ist oder etwas zum Essen für sie hat. Und hier sind sie die Chefs." Tatsächlich sind die Hühner und die Enten im Vergleich zu den Gänsen so etwas wie Gefieder zweiter Klasse. Wenn Besucher mit Gras am Zaun in Neubiberg stehen, stellen sich die Enten gleich ganz brav hinten an. Aber die sind eben auch ein paar Nummern kleiner.

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