Neubiberg:Der Insekten-Jäger

Neubiberg: Warm angezogen und mit dem Fernglas in der Hand: Andreas Gerich zieht regelmäßig los, um im Landkreis München nach dem Laubholzbockkäfer zu suchen.

Warm angezogen und mit dem Fernglas in der Hand: Andreas Gerich zieht regelmäßig los, um im Landkreis München nach dem Laubholzbockkäfer zu suchen.

(Foto: Claus Schunk)

Andreas Gerich ist gelernter Elektrotechniker. Doch seit zwei Jahren ist er im Auftrag der Landesanstalt für Landwirtschaft dem Asiatischen Laubholzbockkäfer auf der Spur. In der Zeit hat er viel über die Natur erfahren.

Von Britta Rybicki, Neubiberg

Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) setzt im Kampf gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer immer wieder auf angelernte Kräfte. Auch in der Quarantänezone Neubiberg sind einige im Einsatz, erst vor kurzem suchte das zuständige Institut für Pflanzenschutz nach Freiwilligen. Sie sollen sich an der Spurensuche beteiligen und an der Erstellung eines Baumkatasters. Elektrotechniker Andreas Gerich ist einer von ihnen. "Ich wollte mal etwas Neues, fernab von Zahlen und Technik machen", sagt er. Angefangen hat seine ungewöhnliche Nebentätigkeit mit einer E-Mail vom Siedlerbund, auf die er sich direkt beim Institut für Pflanzenschutz meldete. Seitdem war es um ihn geschehen und er wurde zum Käferjäger.

Der ungeladene Gast aus Asien ist auf den ersten Blick hübsch anzusehen: Er trägt etwa 20 helle Flecken auf seinem schwarzen Körper und kann bis zu vier Zentimeter groß werden. Eine Gefahr für den Menschen ist er erst mal nicht. Seine Vorlieben sind Laub- und Obstbäume, bei denen das Weibchen, sobald es sich durch die Rinde gebohrt hat, Larven ablegt. Die Stelle verharzt und der Schaden bleibt erst mal unbemerkt. Schon bald fressen sich allerdings die Larven durch den Baumstamm und hinterlassen kugelrunde, einen Zentimeter große Löcher. "Sie machen das so regelmäßig, dass es aussieht, als hätte man eine Bohrmaschine angesetzt", sagt Frank Nüßer vom Institut für Pflanzenschutz. Ein Indiz von vielen, das letztlich seine Existenz belegen kann - aber nicht muss. Schließlich ist der Laubholzbockkäfer nicht der Einzige, der diese Spur hinterlässt.

Der feine Unterschied dabei: Bohrt dieser sich wieder und wieder durch die Rinde, stirbt der Baum. Während andere geschützte Insekten diesem nicht unbedingt schädlich werden. "Um diese Details festzustellen, werden die Aushilfen von uns in ihren Kenntnissen über Insekten und Gehölze geschult", sagt Nüßer und ergänzt, dass ein grundlegendes Interesse an der Materie jedoch schon im Vorfeld erwünscht sei. Denn für die Kontrollgänge bei jeder Wetterlage und nur sehr seltenen Treffern sei unbedingt Interesse an der Sache gefragt. In den häufigeren Fällen werden die Aushilfsstellen deshalb von Forststudenten ausgefüllt.

Mit einem Fernglas und viel Geduld unterwegs

"Es sind aber auch Umweltschützer, interessierte Rentner oder einfach aufmerksame Spaziergänger, die unser Team ergänzen", sagt Nüßer. Immer wieder gibt es zudem Quereinsteiger wie den 63-jährigen Andreas Gerich. Der Elektrotechniker ist in Altersteilzeit und unterstützt die 15-köpfige Arbeitsgruppe inzwischen seit zwei Jahren im Kampf gegen den Schädling.

Wie kommt man dem holzzerstörenden Insekt aber auf die Spur? Mit einem Fernglas und viel Geduld. Alles, was in den Quarantänezonen verdächtig erscheint, also einen Holzstamm und eine Baumkrone besitzt, wird näher unter die Lupe genommen. In Zweierteams, Fachmann und Laie, ziehen die Insektenfahnder dann von Garten zu Garten. "Ich bin an manchen Tagen acht Stunden unterwegs", sagt Gerich. Deswegen ist es von Vorteil, wenn die Aushilfskräfte motorisiert sind. Während des sogenannten Bodenmonitorings ist ein scharfer Blick gefragt: Dabei werden die Baumstämme nach Sägespänen und akkuraten Bohrungen untersucht.

Asiatischer Laubholzbockkäfer

Den Laubholzbockkäfer können Insekten-Jäger auch im Landkreis München finden.

(Foto: Claus Schunk)

Gerät ein Baum ins Visier, folgt die nächste Phase: Der Einsatz des Spürhundes. Bestätigt auch er den Käferbefall, wird ein Kletterer angeheuert. "Der steigt den Baum dann auf und ab und sucht nach weiteren Spuren", sagt Gerich. Landet das Käferfahndungsteam letztlich einen Treffer, wird der Baum abgeholzt und je nach Ausmaß alle weiteren auf einer Liste stehenden Baumarten in einem Radius von 100 Metern. Auch damit müssten sie als naturfreundlichen Minijobber leben können, wie Gerich sagt.

Der Befall der Bäume wird in den häufigsten Fällen zufällig bemerkt. "Meistens rufen Gärtner panisch beim Institut an und vermuten einen toten Baum", sagt Gerich. Obwohl er einmal die Woche mindestens fünf Stunden auf Käfersuche ist, blieb er bisher ohne Erfolg. Er selbst habe in zwei Jahren tatsächlich noch nie einen Befall melden können. Unnötige Vergeudung seiner Zeit? Ist es für ihn keinesfalls, meint der 63-Jährige: "Alleine das ganze Wissen über die Natur, die ich von meinen fachlichen Kollegen erhalte, ist die ganze Mühe schon wert." Seine zweite Leidenschaft außer exotischen Insekten sind Pilze. Auf spontanen Exkursionen wird er dann in deren Wunderwelt eingeführt: Welche sind essbar und von welchen sollte man auf jeden Fall die Finger lassen? Was tun sie für das Ökosystem? Und wie groß kann ein Pilz überhaupt werden? "Ich erhalte viele Antworten auf spannende Fragen zu einem wirklich hochinteressanten Thema."

Inzwischen hat der Elektrotechniker sich sogar hochgearbeitet. "Mittlerweile trage ich die Verantwortung für unsere Ahornbaumfallen", sagt Gerich. Als Leibspeise des Laubholzbockkäfers zieht der sommergrüne Laubbaum den Schädling magnetisch an und wird überall dort aufgestellt, wo der Käfer vermutet wird. "Ich kontrolliere sie dann in unseren Quarantänezonen. Dafür bin ich inzwischen übrigens alleine verantwortlich", sagt der Käferjäger. Zuletzt waren in der Befallszone Neubiberg 2015 Spuren des Käfers festgestellt worden. Seitdem wird das Gebiet immer wieder auf Anzeichen des Käfers hin abgesucht.

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