Neubiberg:David gegen Goliath

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2000 Unterschriften! Eine Bürgerinitiative protestiert gegen die Fällung von Bäumen - dem Laubholzbockkäfer zum Trotz.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Es gibt Menschen, die die Dinge einfach hinnehmen. Und es gibt Menschen, die sich engagieren. Zu letzteren zählen auch Wieland und Andrea Keinert, Iris Philippsen und Matthias Frank. Ihnen passt es überhaupt nicht, dass Hunderte von Bäumen in Neubiberg gefällt werden sollen, weil sie vielleicht vom Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB) befallen sein könnten oder einfach Wirtspflanzen des Krabblers sind. Und deshalb wehren sie sich seit ein paar Monaten mit der Bürgerinitiative "Gegen ALB-Traum Neubiberg" gegen die radikalen Fällungen.

Alles begann im Herbst vorigen Jahres. "Ich war dabei, als in der Hauptstraße 52 eine der vielen alten Buchen gefällt wurde. Ich habe das Knacken gehört", sagt Andrea Keinert betroffen. "Ich kann bis heute nicht verstehen, warum gesunde Bäume fallen müssen." Wieland und Andrea Keinert wohnen im 100 Meter-Umkreis der Bäume, die in Neubiberg im Herbst wegen des Befalls mit dem gefährlichen Käfer oder des Verdachts eines Befalls gefällt wurden. In der Zone sollen von kommender Woche an alle Wirtspflanzen des Käfers entfernt werden, egal ob gesund oder befallen. Es sind mehr als 400. Wären auch Obstbäume unter die Wirtspflanzen gefallen, wie es zeitweise geheißen hatte, wäre auch Keinerts Garten stark betroffen gewesen. "Dann hätten wir nur noch Efeu gehabt", sagt Andrea Keinert.

Um etwas gegen die radikalen Methoden zu tun, riefen sie und ihr Mann im Dezember die Bürgerinitiative ins Leben. Mit zunächst ernüchternden Ergebnissen. "Wir haben 1300 Flyer in den Briefkästen eingeworfen, aber nur zwölf Leute kamen zu unserem ersten Treffen", erzählt Andrea Keinert. Doch sie machten weiter. Sie machten sogar weiter, obwohl nun gar keine Wirtsbäume in ihrem Garten stehen. "Ich ärgere mich auch, wenn bei den Nachbarn die Bäume gefällt werden", sagt Keinert. Sie erzählt von vier alten Birken, die ihnen Schatten spenden und nun beseitigt werden müssen. Die Initiative fordert einerseits eine bessere Information durch die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Sie kritisiert, dass sie bis heute nicht wüssten, wie viele Bäume genau gefällt wurden und wie viele davon akut befallen waren. Die Initiative verlangt zudem, dass statt einer Fällung aller Wirtspflanzen in der 100-Meter-Zone erst einmal ein Monitoring gemacht wird. Viele Wirtsbäume seien noch in Brusthöhe, sodass man sie ohne Probleme auf einen Käferbefall hin untersuchen könnte, sagt Keinert.

Mit ihrem Nachbarn Matthias Frank, bei dem Bäume gefällt werden müssen, und Iris Philippsen, die in der Quarantänezone in Riemerling wohnt, startete Andrea Keinert im Januar schließlich eine Online-Petition. Darin fordern sie im Grunde genommen das Gleiche wie mit der Initiative: Landwirtschaftsminister Helmut Brunner wird darin aufgefordert, vorsorgliche Fällungen zu stoppen und Geld für die Grundlagenforschung alternativer Bekämpfungsmethoden zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile haben die Ehrenamtlichen 1700 Online-Unterschriften und 500 weitere Unterschriften gesammelt. Wieland Keinert pflegt die Homepage der Bürgerinitiative. Dort finden sich unter anderem Informationen über den aktuellen Stand, ein Blog zu dem Thema und Schriftverkehr mit der Landesanstalt für Landwirtschaft.

Andrea Keinert hat Glück gehabt. Die Obstbäume in ihrem Garten werden nicht gefällt. (Foto: Claus Schunk)

Die Vier sind der harte Kern der Initiative, sie hätten die Adressen von 40 Personen, die sie stets auf dem Laufenden hielten und von denen auch viele ihnen mit Informationen über den Käfer weiterhelfen würden. Sie selbst investieren viel Zeit in das Engagement gegen den Krabbler. "All unsere Freizeit", sagt Keinert. Sie alle seien berufstätig, hätten Familie und könnten sonst "noch mehr Zeit reinstecken".

Zahlreiche Personen unterstützen die Initiative. Diverse Gemeinderäte, auch Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler) hat sich vor kurzem der Online-Petition angeschlossen. Ob sie mit dem Erfolg zufrieden sind? "Besser wäre es, wir hätten den Stopp der Fällungen erreicht, aber da sind wir eben der kleine David gegen den Goliath", sagt Keinert. Ihr Wunsch wäre, dass sich die Gemeinden zusammenschlössen. Aber immerhin habe der Bund Naturschutz nun eine "tolle Stellungnahme" gegen die radikalen Fällungen abgegeben, in der er sich auf ihre Initiative bezieht. Und sie werden nicht locker lassen: Für den heutigen Donnerstag hat die Initiative einen Fragenkatalog an den Präsidenten der LfL Jakob Opperer vorbereitet.

Die Gemeinde informiert am Abend mit der LfL von 19 Uhr an in der Aula der Grundschule in Neubiberg über die anstehenden Fällungen. Die Initiative will von Opperer beispielsweise wissen, warum sie keine Informationen zum Befall der gefällten Bäume bekämen und warum die Einfuhrkontrollen der Paletten, in denen der Käfer eingeschleppt werde, nicht den Gesetzen gemäß gehandhabt werde. Dieselben Forderungen und Kritik an der LfL formulierte nun auch ein weiterer Grundstückseigentümer, der einen Fällbescheid erhielt. Er schlägt die Überprüfung aller Bäume in der 100-Meter Zone und schließlich Rettung von zirka 360 Bäumen vor, wenn man von einer Befallsquote von zwei bis zehn Prozent ausgeht.

Die Petition derweil wollen die Baumfäll-Gegner Ende der Woche abbrechen. Denn sie wollen die Unterschriften kommenden Montag, 23. Februar, an den LfL-Präsidenten übergeben. Er wird bei der Gemeinderatssitzung um 19 Uhr anwesend sein und sich vorher um 18.30 Uhr mit der Initiative treffen. Sie hoffen auf viele Teilnehmer.

Dann wird sich zeigen, ob es nicht doch Alternativen gibt. Wie etwa in Feldkirchen, wo im Dezember erneut eine Larve des Krabblers an einem Feldahorn gefunden worden war. Wie kürzlich bekannt wurde, soll dort erst einmal nur der betroffene Baum gefällt werden und das Monitoring im Befallsgebiet intensiviert werden. Die Gemeinde hatte ein Positionspapier an den Landwirtschaftsminister verfasst.

© SZ vom 19.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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