Neu im Kabinett:Endlich Ministerin

Pullach, Pater-Rupert-Mayer-Gymnasium, Kerstin Schreyer beantwortet Fragen der Schüler,

"Ich kann überall reden", hat Kerstin Schreyer mal gesagt. Kürzlich war die neue Sozialministerin am Pater-Rupert-Mayer-Gymnasium und an der Realschule in Pullach und hat dort Fragen der Schüler beantwortet.

(Foto: Angelika Bardehle)

Kerstin Schreyer hat in der CSU eine jahrelange Ochsentour hinter sich. Nun ist sie Sozialministerin - und an allen Widersachern vorbeigezogen.

Von Iris Hilberth

Eine Kabinettsvereidigung erinnert immer ein bisschen an eine Siegerehrung. Einer nach dem anderen wird aufgerufen, am Ende stehen alle vorne, die es geschafft haben. Und selbst wenn die Namen kurz vorher schon bekannt sind, bleibt die Aufregung beim großen Auftritt vor der Landtagspräsidentin.

Ganz in schwarz gekleidet reiht Kerstin Schreyer sich am Mittwochnachmittag in die Riege der bayerischen Minister ein. Links neben der Unterhachinger CSU-Abgeordneten steht die neue Ressortleiterin für Landwirtschaft, Michaela Kaniber, auf der anderen Seite Gesundheitsministerin Melanie Huml. Ein zaghaftes Lächeln huscht über Schreyers Gesicht, bevor sie die Eidesformel mit fester Stimme spricht. Geradeso, als könnte sie es selbst noch nicht so recht glauben. Kerstin Schreyer ist am Ziel. Sie ist Sozialministerin.

Die ganz große Überraschung war es am Ende nicht. Der Name Schreyer wurde schon seit Wochen immer wieder im Zusammenhang mit dem Kabinett des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder genannt. Seit bekannt war, dass die bisherige Sozialministerin Emilia Müller im Herbst zur Landtagswahl nicht mehr antreten würde, schien es plausibel, dass die 46 Jahre alte Landtagsabgeordnete aus Unterhaching ihr nachfolgen könnte, denn es passte so gut ins CSU-Konzept, in dem so viel bedacht werden muss: Frau, Oberbayern, Sozialpädagogin. Aber manchmal ist bei der Postenvergabe Logik nicht alles. Diesmal schon.

Politische Karrieren sind bekanntlich nicht wirklich planbar. Zu sehr hängen sie von Parteifreunden und -feinden, mitunter auch von Zufällen, vor allem auch vom Proporz ab. Aber abgesehen von überraschenden Quereinsteigern, die urplötzlich in der Gunst derjenigen stehen, die Posten zu verteilen haben, ist immer noch die berühmte Ochsentour, der Fleiß an der Parteibasis und nicht die Originalität oder Genialität der Grundstock für den Weg nach oben. Garantie, dass man dort auch irgendwann ankommt, ist eine solche Emsigkeit nicht. Es gehört eben noch das Glück dazu, zur richtigen Zeit mitunter alternativlos parat zu stehen.

Kerstin Schreyer hat die komplette Ochsentour hinter sich. Von der Ortsvorsitzenden der Frauen-Union zur Kreisvorsitzenden der Jungen Union, von der Gemeinderätin zur Kreis- und Bezirksrätin in den Neunzigerjahren. 2008 wurde sie Landtagsabgeordnete, war Mitglied in neun Arbeitsgruppen und wurde nach ihrer Wiederwahl 2013 stellvertretende Fraktionssprecherin und leitet seit vielen Jahren die CSU-Familienkommission. Im vergangenen Jahr holte sie Horst Seehofer in die Staatskanzlei und machte sie zur Integrationsbeauftragten der Staatsregierung.

In all den Jahren eilte sie tapfer von Termin zu Termin, rackerte für ihren Stimmkreis, redete hier und diskutierte dort, warf sich gerne ins Dirndl oder wahlweise in den Hosenanzug, schüttelte Hände und posierte fürs Gruppenfoto. Aber ganz so glatt wie der Aufstieg bis ins Ministeramt aussieht, war der Weg der studierten Sozialpädagogin und Familientherapeutin innerhalb ihrer Partei nicht. Unvergessen bleibt der Versuch des damaligen Finanzstaatssekretärs Georg Fahrenschon, ihr die sechs Monate vor der Landtagswahl 2008 bereits beschlossene Nominierung als Direktkandidatin des Stimmkreises München-Land-Süd wieder streitig zu machen.

Der Kreisvorstand war ihr sogar in den Rücken gefallen und wollte zunächst die Wahl des Direktkandidaten wiederholen. Wegen massiver Kritik vor allem aus der Frauen-Union zog Fahrenschon schließlich seine Forderung zurück. Eine Niederlage musste Schreyer bei ihrer Bewerbung um den Kreisvorsitz einstecken. 2015 gaben die Parteifreunde dem Bundestagsabgeordneten Florian Hahn den Vorzug. Was Schreyer damals besonders ärgerte: Landrat Christoph Göbel hatte sich für Hahn ausgesprochen.

Nun aber ist sie an allen vorbeigezogen. Hahn ist in Berlin zwar europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Minister aber ist er nicht. Und Parteifreund Ernst Weidenbusch, der CSU-Landtagsabgeordnete aus dem nördlichen Landkreis, dem seit Jahren nachgesagt wird, er wäre gerne Finanzminister, ist zwar nicht ganz leer ausgegangen. Aber es hat nur zum Beteiligungsbeauftragten gereicht. Und alle die gemeint hatten, Schreyer werde zwar von Seehofer protegiert, könne unter einem Ministerpräsidenten Söder aber einpacken, hatten sich mächtig getäuscht.

Schreyer bezeichnet sich zwar selbst als jemanden, der gerne auch mal aneckt. Doch weiß sie ein solches Verhalten bewusst und geschickt einzusetzen. Geht es darum, in den sozialen Netzwerken für Aufmerksamkeit zu sorgen und ihre Getreuen zu einem Sturm der Entrüstung zu animieren, ist sie nicht zimperlich. Doch weiß sie auch, welche Sätze man formuliert, um die Parteilinie zu vertreten. Sie beherrscht den Jargon der Berufspolitiker aus dem Effeff: "Ich sehe Politik als Dienstleistung", sagt sie dann, oder: "Als Politiker muss man Menschen mögen."

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