Nachhaltigkeit:In dieser Familie gibt es seit 20 Jahren an Weihnachten keine Geschenke

Nachhaltigkeit: Christbaum und Adventskranz gibt es bei den Hansens, aber keine Geschenke.

Christbaum und Adventskranz gibt es bei den Hansens, aber keine Geschenke.

(Foto: Claus Schunk)

Die Hansens wollen sich damit gegen den "permanenten Konsumterror" stellen. Die drei Kinder stört das nicht.

Von Ulrike Schuster

"Schenken ist etwas Wunderbares", sagt Caroline Hansen (Name geändert), "wir schenken gerne". Bloß nicht zu Weihnachten, nicht auf Knopfdruck. Statt des Gabentisches steht das "Wir" im Vordergrund. Seit 20 Jahren, seit sie sich kennen, machen das Caroline und ihr Mann Peter schon so und daran haben auch die drei Söhne, zwei, vier und neun Jahre alt, nichts geändert.

Die Vorteile sind für die Familie nicht nur vernünftig, sie spüren sie auch: Sie sind frei von Stress, Kopfzerbrechen, lästiger Pflicht, und ohne Müll. Während sich andere an den Adventssamstagen passiv-aggressiv durch Jingle-Bells-beschallte Konsumtempel schieben oder im Internet nach dem Last-Minute-Geschenk suchen, kochen die Hansens gemeinsam, empfangen Freunde aus aller Welt und feiern den Advent mit heißem Punsch auf alternativen Weihnachtsmärkten.

Die Hansens sind gegen den Druck der Mehrheit. Etwas deshalb zu tun, weil es alle tun, "als hätte die ganze Welt an einem Tag Geburtstag", sagt Caroline Hansen. Dann ist da die Industrie, die nervt, die immer neuen aberwitzigen Kram erfindet, der nützlicher sein soll als das Vorgängermodell, das Leben bequemer machen und deshalb unbedingt zu besorgen sein soll - "permanenter Konsumterror". Gegen dieses Diktat von Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft wehren sie sich, "mir gibt das die Freiheit, wirklich in den Feiertagen anzukommen, Ruhe zu finden und die menschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt zu stellen", sagt Caroline Hansen. "Die besonderen Augenblicke des Advents mit Freunden und Familie zu teilen."

Die Hansens, beide Dozenten der Neurowissenschaften an der Ludwigs-Maximilian-Universität München, haben nichts, aber auch gar nichts gegen das Schenken an sich. Sie wissen, dass Schenken freundliches Kommunizieren bedeutet. Wer ein Geschenk macht, fühlt sich dem Beschenkten emotional verbunden, schätzt ihn wert. Die Botschaft heißt: "Ich mag dich, ich hab' dich lieb." Deshalb schenken die Hansens auch gern, aber eben einfach so, ohne Anlass oder zu Geburtstagen.

Es sind Ausflüge ins Kino, ins Theater, Konzert oder in die Oper - geteilte Zeit, zu einer besonderen Veranstaltung, für die gemeinsame Erinnerung. "Wir sind nicht kleinkariert, spießig oder knausrig", sagt Caroline Hansen, "bloß, warum noch mehr Dinge kaufen, in die Ecke stellen oder wegwerfen?" Verschwendung sei ein Übel. Es geht ihnen nicht ums Geld. Sie haben gute Jobs und es herrscht keine Not im Hause Hansen, sie müssen auf nichts verzichten. Es geht darum, nachhaltige Werte zu schaffen.

Die Wunschzettel der Kinder kamen leer zurück

Das berüchtigte Leuchten in den Kinderaugen vermissen sie nicht. Sie hätten ja den Versuch gemacht, sagt Hansen, um zu sehen, ob der soziale Schenk-Zwang auch vor ihrer Tür angekommen sei. Jedem Kind hätten sie Zettel und Stift hingeschoben, sie sollten aufschreiben oder malen, was sie sich vom Christkind wünschen. Die Zettel seien leer zurückgekommen, erzählt die Mutter.

"Wir schützen unsere Kinder aber auch", sagt sie. Die Hansens versuchen, eine Realität zu schaffen, die möglichst wenig materielle Sehnsüchte weckt und das Anspruchsdenken gar nicht erst bedient. Sie besitzen keinen Fernseher, der Laptop ist für die Kinder tabu, Handys auch. Mutter und Vater Hansen benutzen Uralt-Modelle zum Telefonieren und SMS-Schreiben. Deshalb wollen sie auch ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen: "Zum Schutz der Familie." Sie wollen ihre persönlichen Daten weitestgehend unter Kontrolle haben.

Wie auch die Kinder. Alle drei bewegen sich im Rudolf-Steiner-Kosmos, besuchen Waldorf-Kita, -Kindergarten und -Schule. Dort tickt die Welt für alle im gleichen Takt, über Werte und Überzeugungen wird nicht gestritten. Es gibt keine Gründe, neidisch zu sein. "Kinder vor eine volle Kiste mit Spielzeug zu setzen, überfordert sie", sagt Caroline Hansen. "Viel besser ist es, ihnen ein bisschen Holz, Muscheln oder Kastanien in die Hand zu geben und abzuwarten, was sie daraus machen." Ihr Ältester sei dann am glücklichsten, wenn er seine Marionetten selbst modelliert, fast alle Figuren von Mozarts Zauberflöte hat er schon gebaut, die eigene Oper im Zimmer. "Wir brauchen als Gesellschaft mehr Kreativität und Freigeistigkeit."

Eine Sache wird aber auch bei den Hansens so sein wie bei allen anderen: Ein Christbaum wird im Wohnzimmer aufgestellt, mit Bienenwachskerzen, Strohsternen und Holzspielzeug geschmückt. "Natürlich braucht es etwas, das die Kinder fasziniert, was die festliche Atmosphäre bringt." Am Abend kommt ein nachhaltig gefangener Lachs auf den Teller. Ohne einen Hauch Luxus funktioniert Weihnachten nicht. Auch bei den Hansens ist Heiligabend eben kein Tag wie jeder andere.

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